Was macht einen guten CIO aus?

Auf Augenhöhe kommunizieren

25.02.2005
Die Kosten im Griff, auf das Alignment mit dem Business achten, innovativ sein. Wer als CIO diesen Dreiklang beherrschen will, muss zuvor seine Hausaufgaben gemacht haben. Uli Holdenried, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hewlett-Packard GmbH und Wolfgang Schirra, Senior Vice President der Booz Allen Hamilton GmbH, diskutierten über das Pflichtenheft eines zeitgemäßen IT-Managements.

Moderation: Gerhard Holzwart, Leiter Event-Redaktion IDG Business Verlag GmbH

CIO: Glaubt man den Marktforschern, steigen die IT-Budgets in den kommenden Jahren wieder moderat an. Kann sich die IT nun wieder mehr den gestalterischen Aufgaben und neuen Projekten zuwenden?

HOLDENRIED: Bei dieser pauschalen Betrachtungsweise würde ich sagen: Einspruch! Natürlich steigen die IT-Budgets in den meisten Fällen wieder. Aber von welchem Niveau aus? Noch wichtiger sind aber die Gründe, die hinter jeder Kürzung eines IT-Budgets steckten. Hat das Unternehmen nur auf die allgemeine Konjunkturschwäche reagieren müssen oder wurde eine elementare Restrukturierung mit dem Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen durchgeführt? Hat man sich gar aus einigen Regionen und Märkten komplett zurückgezogen? Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass dies im Zweifel völlig unterschiedliche Anforderungsszenarien für die IT bedeutete.

CIO: Aber der Eindruck täuscht doch nicht, dass die IT-Kosten nicht mehr ganz so im Mittelpunkt der Betrachtung stehen?

HOLDENRIED: Wenn das IT-Budget in einzelnen spektakulären Fällen um bis zu 40 Prozent gekappt wurde, ist in der Konsequenz daraus nicht mehr allzu viel Spielraum für weitere Kürzungen gegeben. Trotzdem warne ich vor falschen Schlüssen. Die Unternehmensleitung und die Fachabteilungen fordern heutzutage von der IT mehr Leistung denn je und fragen unverblümt: Was bekomme ich für mein Geld? Natürlich hat sich die Diskussion zu einem Teil wieder weg von den Kosten hin zum Business und damit zur Rolle der IT bei der Unterstützung von Geschäftsprozessen verlagert. Wenn dann aber ein CIO immer noch 90 Prozent seines Budgets für den operativen Betrieb seiner Systeme aufwendet, sind seine Mittel für neue Projekte zwangsläufig begrenzt.

SCHIRRA: Es gibt Beispiele, wo man schon seit 30 Jahren unter einem enormen Kostendruck steht - und es gibt Fälle, wo die Konjunkturkrise erst in den letzten Jahren wie eine Art Naturkatastrophe über Firmen hereingebrochen ist. Es ist in der Tat etwas anderes, ob ich mir einen Automobilzulieferer ansehe oder ob ich etwa die Prozesse im Gesundheitswesen betrachte.

Grundsätzlich geht es heute darum, dass sich ein Konzern und zunehmend auch öffentliche Einrichtungen nicht mehr nur über Produktinnovationen oder neue Dienstleistungen vom Wettbewerb differenzieren können, sondern über veränderte Organisationsstrukturen, innovative Geschäftsmodelle und vor allen Dingen über die Art und Weise, wie man sich mit Kunden und Lieferanten vernetzt. Und natürlich wird weiter auf die Budgets geschaut. Andererseits muss den Business-Verantwortlichen klar sein: Nur mit Sparen kann ich mich nicht aus einem strategischen Dilemma befreien.

IT-Manager müssen zwischen der Höhe des Budgets und der Effizienzfrage unterscheiden. Doch wer sich als CIO so aufgestellt hat, dass er das viel zitierte "run" kostengünstig bereitstellen kann, verfügt über einen größeren finanziellen Spielraum für neue Projekte.

CIO: In welcher Größenordnung wachsen denn die IT-Budgets in den kommenden Jahren?

HOLDENRIED: Wir können jetzt über die prognostizierten Steigerungsraten im Softwaremarkt, bei den Servern oder im OutsourcingGeschäft reden. Da können Sie auch, wenn Sie die einschlägigen Statistiken richtig interpretieren, in etwa das Investitionsverhalten der Kunden in den kommenden Jahren einschätzen.

Aber eigentlich geht es doch um etwas ganz anderes - und es ist auch der Anlass dieses Gesprächs. Wir reden über IT-Controlling, IT-Governance und Alignment. Wir reden über diese Punkte, weil ein zeitgemäßes IT-Management diese Begriffe nicht mehr nur als Lippenbekenntnis im Mund führen kann, sondern weil der Einsatz dieser Instrumente unabdingbar wird. Die IT wird heutzutage eben genauso in die operative Verantwortung genommen wie das Controlling, die Finanzbuchhaltung oder der Vertrieb und das Marketing.

Wenn ein verantwortlicher IT-Manager in Fällen, wo Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut wurden, nicht aus eigenem Antrieb seine IT-Infrastruktur angepasst hat, kann ihm ohnehin keiner mehr helfen. Wenn umgekehrt ein CIO bei seinem Vorstand nicht genügend Rückendeckung für nötige Umbaumaßnahmen bekommen hat, ist er eigentlich nicht der Schuldige, bekommt aber im Zweifel die Prügel. Ich rede hier von Firmen, wo die mächtigen Landesfürsten immer noch autark ihren Bedarf anmelden können - auch und gerade in der IT.

SCHIRRA: Ich würde dies gerne in einem Punkt ergänzen. Gerade das Thema IT-Governance ist sehr wichtig. Es ist aber auch der Bereich, in dem historisch betrachtet viel Unheil angerichtet wurde. Vielfach ist dies übrigens gar nicht mutwillig geschehen. Aber war es denn nicht so, dass wir alle Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre euphorisch den Trend zur Dezentralisierung gefeiert haben? Dass wir es toll fanden, als das gesamte Unternehmen mit IT samt entsprechendem Know-how penetriert wurde? Dass man gerade den Landesfürsten gesagt hat, ab sofort seid ihr unabhängig von der "Black Box" des Rechenzentrums? Die Quittung dafür erhalten die CIOs heute zum Teil immer noch. Damit kein Missverständnis entsteht: Ich will an dieser Stelle die IT-Manager nicht pauschal von strategischen Versäumnissen freisprechen. Aber das "CIO Magazin" hat doch nicht umsonst auf seinem Titel den Begriff CIO mit der Formel "Career is over!" übersetzt. Wenn der CIO heute in manchen Fällen operativ nichts mehr zu entscheiden hat, umgekehrt aber für das gesamte IT-Budget die Verantwortung tragen soll, ist er für den Vorstand letztlich kein ernst zu nehmender Gesprächs- und Verhandlungspartner mehr.

CIO: Was heisst das konkret für die Anforderungen an einen CIO?

SCHIRRA: Es sollte sich um eine gestandene Persönlichkeit handeln, die überdurchschnittliche Kommunikationsfähigkeiten besitzen muss. Dann sollte diese Person sowohl den "Supply" als auch den "Demand" managen können. Managen heißt für mich, dass der CIO sein Metier, sein Geschäft und damit den Markt kennt, dass er seine eigene Mannschaft entsprechend benchmarkt, dass er Leistungen zu marktüblichen Preisen anbietet und verrechnet - und dass er vor allen Dingen den Vorstand bei jeder strategischen Investition berät. Wer dabei auf Augenhöhe kommunizieren will, muss die Sprache des Business sprechen. Der reine Techniker ist hier nicht gefragt.

HOLDENRIED: Der CIO muss für meine Begriffe vor allem ein Service-Broker sein. Er muss im Idealfall Technik-Know-how mitbringen, vor allem aber gut über die Prozesse im Unternehmen Bescheid wissen. Genau hier liegt der Schlüssel zum Erfolg! Es gibt nicht nur einen Knopf, an dem sich am IT-Budget drehen lässt, sondern deren viele im Unternehmen! Und diese Knöpfe befinden sich oft genau an den Nahtstellen zwischen der IT und den Fachabteilungen. Insofern wird der IT-Chef immer bestrebt sein müssen, auch Einfluss auf die Gestaltung der Geschäftsprozesse und der Organisationsform der Company zu nehmen.

CIO: Wäre es dann hilfreich, wenn der CIO im Vorstand sitzen würde?

SCHIRRA: Die Frage ist ja nicht ganz neu. Trotzdem existiert bezüglich der Ausgestaltung dieser Position in vielen Unternehmen immer noch ein großes Problem, sonst hätte es ja diese kurzen Halbwertszeiten einiger CIOs nicht gegeben. Ich habe bewusst vorhin die Historie strapaziert, um zu zeigen, wie und warum den IT-Chefs die Kontrolle entglitten ist. Jetzt haben wir seit geraumer Zeit das Berufsbild des CIOs - aber in manchen Fällen sitzen immer noch Leute auf diesen Positionen, die nicht das nötige Rüstzeug, das Profil und die Persönlichkeit mitbringen. Ob der CIO nun als der Orchesterchef, der die internen und gegebenenfalls externen IT-Dienstliester dirigieren muss, im Vorstand sitzt oder nicht, das ist dann eine eher akademische Frage.

HOLDENRIED: Ich denke auch, dass es hier kein Patentrezept gibt. Wenn ich kurz auf mein Unternehmen zu sprechen kommen darf, so haben wir einen CIO, der als Executive Vice President IT and Operations im Vorstand sitzt und direkt an den CEO berichtet. Das war auch bei HP nicht immer so und hat mit der spezifischen Situation der Company zu tun. Wenn Sie einen großen Merger wie den zwischen HP und Compaq als IT-Chef zu bewältigen haben, wenn Sie über 80 Produktlinien, knapp 30 Supply-Chains und über 50 Backoffice-Umgebungen konsolidieren müssen, bietet sich diese Konstellation an. Wenn es indes die vordringlichste Aufgabe der IT ist, das Business in den einzelnen Regionen und Länderorganisationen zu unterstützen, mehr Tempo und Effektivität in einzelne Prozesse zu bringen, langweilt sich der CIO vermutlich eher im Vorstand, weil hier dann nicht die für ihn wichtigsten Ansprechpartner sitzen.

CIO: Wenn wir zusammenfassen: Die absolut gültige Blaupause für das CIO-Rollenbild und dessen Verankerung innerhalb der Unternehmenshierarchie gibt es also nicht?

HOLDENRIED: Es kommt darauf an, was man unter einer Blaupause versteht. Es gibt schon konkrete Regeln, nach denen meines Erachtens gutes IT-Management funktioniert. Die IT sollte so nahe wie möglich an den Geschäftsprozessen dran sein. Insofern bin ich ein großer Verfechter der Business-CIOs, die vor Ort beispielsweise über alle spezifische Applikationsanforderungen ihrer Bereiche entscheiden. Sie sind damit nach meinem Verständnis mit in der operativen Verantwortung und damit Treiber des Geschäfts.

Alle Infrastruktur-Fragen sind indes weitaus besser in der zentralen Kompetenz des jeweiligen Konzern-CIOs angesiedelt. Hier reden wir über Basisanforderungen wie Netze, E-Mail, Server, Datenbanken und natürlich PCs. Und wir reden im Zweifel über eine adäquate Sourcing-Strategie. Der Konzern-CIO wird dann - vereinfacht ausgedrückt - an zwei Parametern gemessen. Hat er seine Organisation und damit auch seine Business-CIOs im Griff? Und: Kann alle Infrastruktur-Services preiswert, sicher und aus Sicht des internen Kunden time-to-market liefern.

SCHIRRA: Auch das würde ich unterschreiben. Beim Infrastrukturthema vertrete ich die Auffassung, dass alles, was als IT quasi hinter dem Vorhang stattfindet, das Business eigentlich nicht zu interessieren hat. Das wiederum erfordert jedoch Fähigkeiten zum Benchmarking und ein zum Markt adäquates Preis-Leistungs-Verhältnis.

CIO: Benchmark-Fähigkeit setzt ein in sich stimmiges IT-Controlling voraus. Eine Diszplin, die nicht überall sehr ausgeprägt ist.

SCHIRRA: Richtig. Viele IT-Shops sind nach wie vor Gemischtwarenläden, die im wesentlichen drei Dinge anbieten: Das Projektgeschäft, also Applikationsentwick- klung und -wartung, die Produktion, also Rechenzentrums- und Netzbetrieb sowie Dienstleistungen. Das Problem dabei ist, dass diese Bereiche oft nicht sauber voneinander getrennt sind - so wie dies im externen Markt durch die unterschiedlichen Anbieter aber der Fall ist.

Wenn man also IT-Controlling wirklich ernst nimmt, wäre es der erste Schritt, dass man sich intern genauso aufstellt, wie es im externen Markt üblich ist. Erst dann lassen sich Produkte, Stückkosten und Service Level Agreements definieren, mit denen ich mich mit dem Wettbewerb vergleichen kann.

Hier schwingt auch eine grundsätzliche Problematik mit. Wenn wir die Banken und Versicherungen außen vor lassen, reden wir in vielen Unternehmen bei der Höhe des IT-Budgets von einem Anteil zwischen einem bis höchstens fünf Prozent vom Umsatz. Im Zweifel hat man es dann in immer nur mit einer Handvoll Kostenstellen zu tun, während ein externer Anbieter, der nur Teile des Portfolios einer IT-Abteilung im Programm hat, über ein ausgefeiltes Kostenmanagement verfügt.

HOLDENRIED: Eine IT, die nicht über Kosten redet, sondern über Preise, ist schon weiter. Dann ist es auch für den Vorstand und in den Fachabteilungen nachvollziehbarer, wenn sich der CIO sein eigenes Controlling aufbaut. Sonst heißt es womöglich nur, er soll Kosten einsparen und nicht hochqualifizierte Leute zusätzlich einstellen.

Die IT muss grundsätzlich Werkzeuge erfinden, mit deren Hilfe sie regelmäßig über ihre Arbeit, über ihre Leistungen und über ihr Produkt- und Serviceportfolio informiert. Nur auf diese Weise kann ein IT-Shop das nötige Know-how in puncto Marketing und Account-Management erwerben. Denn die Belieferung der Fachabteilung ist nichts anderes als Account-Management.

CIO: Stichwort Sourcing-Strategie: Wann gibt Outsourcing Sinn?

HOLDENRIED: Es muss in jedem einzelnen Fall entschieden werden, ob und welchem Ausmaß Outsourcing eine Alternative darstellt. Viele CIOs und Vorstände machen den Fehler, dass sie eine Entscheidung pro Outsourcing erzwingen, weil sie von der Logik einzelner Prozesse her und angesichts möglicher Kostenvorteile davon überzeugt sind. Voraussetzung ist aber auch, dass ich die Menschen im Unternehmen habe, die bereit sind, diesen Weg mitzugehen.

Außerdem sind mit dem Begriff Sourcing-Strategie sehr häufig ungerechtfertigte Befürchtungen verbunden. Eine Sourcing-Strategie zu entwickeln heisst zunächst nur, dass ich als CIO oder verantwortlicher Vorstand eine Alternative erarbeiten muss. Nur die vielerorts verbreitete Auffassung, eine gute IT kann immer alles selbst machen, hilft hier niemandem weiter.