Sascha Lobo über Aufschieberitis

Aufruf zur Disziplinlosigkeit

04.03.2009 von Andrea König
Das Buch ist ein provokanter Aufruf, sich nicht zu ändern. Im Interview erklärt Blogger und Autor Sascha Lobo, warum er nichts von To-Do-Listen hält und weshalb man einfach mal auf den richtigen Moment warten sollte.

Interviewanfrage beim Blogger, Autoren und Kommunikationsexperten Sascha Lobo. Er hat gemeinsam mit Kathrin Passig das Buch "Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin" geschrieben. Ein Buch für Menschen, die ihr Leben so organisieren wollen, dass man es nicht ständig organisieren muss.

Blogger Sascha Lobo ruft in seinem aktuellen Buch "Dinge geregelt kriegen" zur Disziplinlosigkeit auf. (Foto: Cedric Ebener)

Terminvorschläge sind Donnerstag und Freitag. Donnerstagnacht um 23.17 Uhr kommt die Antwort: "Hallo liebe Andrea König, etwas spät, aber vermutlich kaum anders erwartet, kommt die Zusage: Morgen Mittag könnte ich gut, einfach ab elf irgendwann anrufen." Das Gespräch wird von 11 auf 14 Uhr verschoben. Um 14.30 Uhr findet es statt.

CIO: Herr Lobo, sind Sie selbst ein Aufschieber?

Lobo: Ja, mit Herz, Leib und Seele und aus einer persönlichen Leidensgeschichte heraus. Ich bin mein Leben lang fast immer Freiberufler gewesen und habe anfangs sehr darunter gelitten, dass ich bestimmte Sachen einfach nicht hinbekommen habe.

CIO: Schiebt man eigentlich nur Dinge auf, die keinen Spaß machen?

Lobo: Das kann man so nicht verallgemeinern. Unangenehme Dinge aufzuschieben ist eine Sache. Man prokrastiniert aber auch, weil gerade nicht der richtige Zeitpunkt da ist, um etwas zu erledigen.

CIO: Was genau ist Prokrastination denn?

Lobo: Es ist das Problem vieler Menschen, Dinge zu erledigen, die sie erledigen sollten. Mit dem Müssen haben die wenigsten ein Problem. Wer bleibt schon lieber auf der Couch liegen, wenn das Haus brennt?

Karriere ist Macht- und Geldstreben

CIO: Es gibt schon einige Ratgeber zum Thema Prokrastination. Die lehnen Sie in ihrem Buch ab. Warum?

Lobo: Weil sie verlangen, dass wir uns ändern, um in die heutige Gesellschaft zu passen. Die ist komplex, kompliziert und kantig. Wie ein enges Korsett, in das uns all die anderen Ratgeber hineinpressen möchten. Kathrin Passig und ich glauben nicht, dass wir uns ändern müssen. Das Korsett sollte sich ändern.

CIO: Gibt es schon Beispiele dafür, dass das Korsett sich ändert?

Lobo: Ja. Die US-Firma Best Buy ist so ein Beispiel. Dort müssen die Mitarbeiter nicht zu festen Zeiten ins Büro kommen, sondern werden an ihrer Produktivität gemessen. Sie sind im Büro, wenn sie es wollen, nicht wenn sie müssen.

CIO: Sie unterscheiden bei der Arbeit zwischen Beruf und Karriere. Wo liegt der Unterschied?

Lobo: Beruf ist etwas, das ich gerne mache, gewählt habe und lustvoll ausübe. Karriere hat dagegen viel mit Macht- und Geldstreben zu tun. Wer Karriere macht, nimmt viel unschöne Arbeit in Kauf und wird schon deswegen zum Arsch.

CIO: In ihrem Buch plädieren Sie dafür, sich dem Druck endloser To-do-Listen zu entziehen, weil man die Dinge auch so in den Griff bekommt. Was hat man denn von Disziplinlosigkeit?

Lobo: Ein erfüllteres Leben. Man merkt, was gut für einen ist. Das gilt fürs Private und den Job. Genauso merkt man auch, was nicht gut für einen ist. Bekommt man bestimmte Dinge im Job permanent nicht hin, sollte man sich vielleicht überlegen zu wechseln.

"Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin" von Sascha Lobo und Kathrin Passig, Verlag Rowohlt Berlin, Oktober 2008, 19,90 Euro im Internet: www.prokrastination.com