Internationale HR-Prozesse

Auslandsaufenthalt schadet Karriere

23.11.2011 von Oliver  Back
Transparente Prozesse in Personalabteilungen sorgen dafür, dass hochqualifizierte Mitarbeiter gefördert und Schlüsselpositionen mit ihnen besetzt werden können. Ein globales Stammdatenmanagement erfordert aber viel Abstimmungsbedarf, erläutert Oliver Back von SteriaMummert in seiner Kolumne.
Oliver Back ist Senior Executive Manager bei SteriaMummert Consulting.
Foto: Steria Mummert Consulting

Unternehmen gehen zu unachtsam mit ihrem hochqualifizierten Personal um und schöpfen deren Potenzial bei weitem nicht aus. Das zeigt sich sehr deutlich beispielsweise bei den im Ausland arbeitenden Mitarbeitern: Mit dem Wegzug ins Ausland verlieren 90 Prozent der Unternehmen diese Mitarbeiter aus den Augen.

Der Grund: Die Niederlassungen außerhalb der Landesgrenzen sind nicht mit dem Stammdatensystem der Zentrale vernetzt. Der Fachkräftemangel erfordert es, die Prozesse in den Personalabteilungen insgesamt neu aufzusetzen, um bei der Besetzung von Schlüsselpositionen die eigenen personellen Reserven besser nutzen zu können.

Hochqualifizierte Mitarbeiter, die für ein paar Jahre in ausländischen Niederlassungen Erfahrungen sammeln wollen, um dann anschließend in der Zentrale die Karriere fortsetzen möchten, kennen das Problem: Fern der Heimat sind sie quasi abgeschnitten, eine Rückkehr und Beförderung ist in vielen Unternehmen extrem schwierig. Grund dafür sind häufig Probleme im Stammdatenmanagement. Denn mit jedem Wechsel eines Mitarbeiters ins Ausland ändert sich bei der großen Mehrheit der international tätigen Unternehmen auch die Personalnummer.

Nach Versetzung aus Stammdatensystem gelöscht

Die Fachkraft wird dann im nationalen Stammdatensystem gelöscht und erhält in der ausländischen Niederlassung eine neue Identität. Konkret bedeutet das: Vier Stationen in verschiedenen Niederlassungen sind mit vier unterschiedlichen Personalnummern verbunden. Die jeweiligen Personalmanagementsysteme sind jedoch nicht miteinander vernetzt, daher verliert die Zentrale den Mitarbeiter und sein Profil komplett aus dem Blickfeld.

Immer mehr deutsche Konzerne und international tätige mittelständische Unternehmen haben dieses Problem bereits erkannt. Mit Hochdruck arbeiten sie am Aufbau eines globalen Stammdatenmanagements. Von einem solchen System profitieren sämtliche hochqualifizierten Mitarbeiter im In- und Ausland. Denn ein globales Stammdatenmanagement bietet die Möglichkeit, ganz neue Prozesse auch bei der Besetzung von Schlüsselpositionen, Mitarbeiterbindung oder Recruiting im gesamten Unternehmen aufzusetzen.

Problem: Niederlassungen arbeiten mit verschiedenen IT-Systemen

Da die Niederlassungen häufig mit völlig unterschiedlichen IT-Systemen arbeiten, gilt es Lösungen für ein globales Stammdatenmanagement zu finden, mit deren Hilfe die relevanten Daten automatisch auf die jeweiligen lokalen und globalen Systeme verteilt werden. Unkompliziert ist dabei in aller Regel die Anbindung großer Länder, in denen Unternehmen ohnehin mit SAP arbeiten. Über ALE-Verbindungen ist eine unkomplizierte Übertragung der Stammdaten möglich.

Unterschiedliche IT-Systeme erfordern übergreifende Prozesse.
Foto: Steria Mummert Consulting

Einbezogen werden sollten aber alle Länder, egal ob dort hunderte von Mitarbeitern oder nur eine kleine Stammbesetzung beschäftigt wird. Für kleinere Niederlassungen bietet sich der Einsatz von Portalen an. Technische Lösungen stehen am Markt zur Verfügung, so beispielsweise Adobe Interactive Forms, Rollout SAP GUI, oder eigen entwickelte Service-Szenarien mit Web Dynpro ABAP.

Ergänzend empfiehlt es sich für die Unternehmen, zusätzliche Employer-Self-Service-Systeme zu implementieren. Mit ihrer Hilfe kann der Mitarbeiter seine Daten eigenständig pflegen und beispielsweise die erfolgreiche Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen dokumentieren. Damit erhält das Unternehmen eine umfassende Übersicht über die Skills seiner Führungskräfte.

Nicht alle Daten gehören ins globale Stammdatenmanagement

Es gehören jedoch längst nicht alle Daten in das globale Stammdatenmanagement. Eine genaue Abgrenzung, welche Prozesse global sind und daher in einem alle Niederlassungen umfassenden System erfasst werden sollten, ist unverzichtbar. So hat zum Beispiel die Payroll in diesem System nichts zu suchen, sie ist immer lokal. Auch das Health-Care-Management der Belegschaft wird bei der Mehrheit der Unternehmen auf regionaler Ebene angesiedelt bleiben.

Längst nicht alle Daten gehören in das globale Stammdatensystem.
Foto: Steria Mummert Consulting

Zudem ist es nicht notwendig, die gesamte Belegschaft im globalen Stammdatensystem zu erfassen. Es reicht, wenn die Unternehmen sich nur auf die High Potentials fokussieren. Die Definition dieses Mitarbeiterkreises sollte jedoch weit gefasst sein - so empfiehlt es sich, die Belegschaft bis zur dritten Führungsebene einzubinden. Neben Nachfolgeplanung, Mitarbeiterbindung und Recruiting für die High Potentials ist es außerdem sinnvoll, auch das Performance Management in das globale Stammdatenmanagement zu integrieren.

Welche Personen und Daten einzubeziehen sind

Ist die Entscheidung getroffen, welche Personen und Daten im Grundsatz einzubeziehen sind, beginnt die Detailarbeit. So gilt es beispielsweise, niederlassungsübergreifend einheitliche Stellenbezeichnungen festzulegen. Denn meist hat jedes Land beziehungsweise sogar jede Niederlassung seine eigene gewachsene Logik für die Bezeichnungen der Berufsgruppen.

Potenzialträger sind damit aber nur bedingt sichtbar, eine Auswertung möglicher Fachkräfte im gesamten Unternehmen ist nicht möglich. Deshalb sollten im globalen Stammdatenmanagement für unterschiedliche Berufsgruppen genau dieselben Bezeichnungen geschaffen werden.

Außerdem ist zu klären, welche Daten von Mitarbeitern im Einzelnen global erfasst werden sollen: Nachname, Vorname und Skills sind unstrittig, aber bei weiteren Personendaten wie ethnische Herkunft, Gewerkschaftsmitgliedschaft, Religion, Hautfarbe oder Gesundheit muss auf länderspezifische Gewohnheiten und Gesetze Rücksicht genommen werden.

Wie die Einführung abläuft

Es empfiehlt sich, beim Aufbau eines globalen Stammdatenmanagements schrittweise vorzugehen. Zuerst sollte die technische Lösung eingeführt werden, um dann nach und nach die verschiedenen Prozesse auszurollen. Das heißt, am Anfang werden überwiegend die Personalabteilungen im engen Zusammenspiel mit der IT in die Entwicklung eingebunden und mit dem neuen System vertraut gemacht. Wenn dann beispielsweise das Performance Management dazukommt, müssen die Führungskräfte ins Boot geholt werden.

Bei der schrittweisen Einführung der neuen Prozesse gilt es gleichzeitig, sämtliche Abläufe auf den Prüfstand zu stellen und alte Zöpfe abzuschneiden. Dies betrifft beispielsweise im Performance Management die sogenannten Vertreterregelungen, in denen festgelegt ist, wer Vertretungsbefugnis hat. Zudem bietet sich die Chance, den Beurteilungs- und Vergütungsprozess generell kritisch zu hinterfragen. Auch kann auf viele ursprünglich papierbasierte Prozesse verzichtet werden.

Fazit: qualifiziertes Personal identifizieren und halten

Es gilt für die Unternehmen, transparente Prozesse in ihren Personalabteilungen aufzusetzen, die dafür sorgen, dass hochqualifizierte Mitarbeiter gefördert und Schlüsselpositionen mit ihnen besetzt werden können. Dies ist selbst bei den deutschen Konzernen längst nicht der Fall, wenn beispielsweise Mitarbeiter bei einem Wechsel ins Ausland vom heimischen Stammdatenmanagement nicht erfasst werden.

Ohne ein globales Stammdatenmanagement werden es große Unternehmen und international tätige Mittelständler in der Zukunft kaum noch schaffen, qualifiziertes Personal im eigenen Haus zu identifizieren und zu halten.

Die Schaffung eines globalen Stammdatenmanagements ist kein Selbstläufer sondern erfordert viel Abstimmungsbedarf und Detailarbeit. Die Entwicklung von IT-Lösungen ist dabei nicht die Hauptaufgabe. Gleichzeitig gilt es vor allem auch, die neuen Prozesse in der Organisation zu verankern und umzusetzen. Dabei sind die Mitarbeiter mitzunehmen und zu überzeugen.

Oliver Back ist Senior Executive Manager bei SteriaMummert Consulting.