Kundenwertmessung als Wettbewerbsvorteil

Banken fehlt die Technologie für Kundenwert-Management

20.01.2006 von Dorothea Friedrich
Banken müssen verstärkt den Kunden und nicht mehr ihre Produkte in den Mittelpunkt ihrer Strategien stellen. Nur so können sie einen realen Wettbewerbvorteil erzielen. Voraussetzungen dafür sind ein aufgeschlossenes Management und Technologien zur Kundenwertmessung. Das sind Ergebnisse einer Studie des Beratungsunternehmens Peppers & Rogers Group und SAS, einem Anbieter von Business-Intelligence-Lösungen.

Der Studie zufolge gelten Banken mit Privatkundengeschäft als Pioniere beim Kundenwert-Management (Customer Value Management), der Entwicklung von wettbewerbsfähigen Strategien und Technologien zum Aufbau dauerhafter und profitabler Kundenbeziehungen.

Obwohl dieser Ansatz die Messung und Analyse des gegenwärtigen und zukünftigen produktübergreifenden Werts des einzelnen Kunden sowie die Ausrichtung des Gesamtunternehmens auf die Beziehungen zwischen Bank und Kunde umfasst, fehlt es oft an den technologischen Voraussetzungen.

Analytisches CRM nutzen

Zum Beispiel sollte analytisches CRM (Customer Relationship Management) nicht nur installiert sein, sondern von jedem einzelnen Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz genutzt werden.

Eine Untersuchung der IT-Beratungsfirma Cambridge Technology Partners und der Universität Frankfurt/Main zur Kundenwertmessung hat vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass dafür unter anderem Anpassungen beim Kampagnen-Management, bei den Self-Service-Funktionalitäten und im Call-Center-Management notwendig sind.

Rigides Daten-Management verspricht Erfolg

Die IT könne "ihren Job nicht machen, wenn die einzelnen Abteilungen unabhängig voneinander mit ihren eigenen Technologien und Geschäftsregeln arbeiten", heißt es bei Peppers & Rogers. Am besten geeignet sei eine Lösung, die bankspezifische Analysen auf Grundlage eines rigiden Daten-Managements liefere.

Die aus der Kundenwertmessung gewonnenen Erkenntnisse sind die Grundlage für erfolgreiche Vertriebs- und Marketingaktivitäten oder für den Kundenservice.

Die mögliche Bedeutung dieses Instruments für ihre Banken war allen befragten Managern bewusst. Doch gehen sie sehr unterschiedlich damit um.

Zudem mangelt es vielfach an der Einbindung der IT in eine Strategie, die darauf ausgerichtet ist, den "richtigen Kunden" für das betreffende Finanzinstitut zu gewinnen, ihn zu halten und die Zahl solcher Kunden zu vergrößern.

Dennoch setzen die Banken in ihre Kundenwertmodelle großes Vertrauen. Sie gaben die Treffgenauigkeit mit 7,6 Punkten auf einer Skala von zehn möglichen Punkten an.

Aber sie schöpfen das vorhandene Potenzial längst nicht aus: Mehr als die Hälfte der Befragten war zwar der Meinung, Kundenwertmessung trage zum Geschäftserfolg bei. Doch 44 Prozent blieben unentschieden.

Ob Kundenwertmessung einen Wettbewerbsvorteil bringt, blieb ebenfalls unklar. Ein Drittel sah in diesem Instrumentarium, einen Wettbewerbsvorteil. Ein Drittel konnte den nicht erkennen. Ein weiteres Drittel wollte sich nicht festlegen.

Alle Teilnehmer sagten, dass ihre Bank den Kundenwert aktiv ermittelt und seit durchschnittlich sieben Jahren als Kennzahl für Entscheidungen einsetzt. Bei 67 Prozent ziehen Führungskräfte des gehobenen Managements den Kundenwert zu strategischen Entscheidungen heran, 78 Prozent setzen diese Kennzahl bei der strategischen Planung ein.

Neuausrichtung der Strategien mit Kundenfokus

Doch nur 17 Prozent richten ihre Strategien auf den Kundenwert hin aus und setzen ihn als Maßstab für den Gesamtunternehmenserfolg ein. 72 Prozent setzen dagegen Kundenwertmessung ein, um die Effektivität ihrer Marketingkampagnen zu überprüfen.

Ein weiterer Grund dafür, dass Banken dieses Potenzial nicht oder nur ungenügend ausschöpfen, liegt in fehlenden Zuständigkeiten auf Management-Ebene: Lediglich sechs Prozent haben in ihrem Kreditinstitut eine verantwortliche Person für den Kundenwert benannt.

"Diese mangelnde Zuständigkeit für das Thema führt zu Fehlern auf Organisationsebene", sagte Michael Lengel, Geschäftsführer der Peppers & Rogers Group. "So richten die meisten Banken Anreize und Entlohnung darauf aus, dass die Mitarbeiter so viele Produkte wie möglich verkaufen. Warum sollte aber der Verantwortliche für den Kreditkartenbereich auf eine Steigerung des Kundenwerts achten, wenn er nach der Anzahl der abgeschlossenen Verträge entlohnt wird? Die Zuständigkeit müsste also sowohl auf Organisations- als auch auf Kundenkontaktebene liegen."

Für die Studie "Measuring Customer Value in Retail Banking" wurden 48 Führungskräfte von 18 US-amerikanischen Banken mit einer Bilanzsumme zwischen zwölf Milliarden und 1,3 Billionen US- Dollar befragt. Die Teilnehmer gaben Auskunft über den Einsatz von Kundenwertmessung, den Ermittlungsprozess des Kundenwerts und den Einfluss der Kundenwertmessung auf das Geschäft.