Aus zehn mach eins

Bankensystem der Finanz Informatik

23.03.2012 von Karin Quack
Wie die Finanz Informatik die Sparkassen auf ein gemeinsames Kernbanksystem eingeschworen hat - ein Drama in vier Akten.
Die Finanz Informatik, hier das Firmengebäude in Frankfurt am Main, ist der internene IT-Dienstleister der Sparkassen-Organisation.
Foto: FinanzInformatik

"Die IT in einer Organisation zu vereinfachen ist immer eine Herausforderung." Fridolin Neumann spricht aus Erfahrung. Der Mann, der die Geschäfte der Finanz Informatik (FI) verantwortet, ist in den vergangenen 16 Jahren diesen steinigen Weg gegangen. Er erlebte aktiv mit, wie aus ursprünglich zehn regionalen IT-Dienstleistern der Sparkassen und Landesbanken eine gemeinsame Serviceorganisation wurde und wie die heterogene Anwendungslandschaft der Sparkassen peu à peu in ein einheitliches System für Buchung, Kontokorrent und Sparen überführt wurde.

Dieses Unterfangen zog sich über insgesamt neun Jahre hin. Im Juli 2011 meldete die Finanz Informatik Vollzug: Mit Sparkasse Nummer 428 hatte das vorletzte Institut die Einführung des "One System Plus", kurz OSPlus, hinter sich gebracht. Damit war das Mammutprojekt abgeschlossen.

Und was ist mit Nummer 429? "Die Hamburger Sparkasse hat sich für einen anderen IT-Anbieter entschieden" lautet Neumanns Antwort. Die Haspa wählten zumindest in Teilen eine Lösung der SAP AG, weil sie dort ihrer Einschätzung nach einen größeren Funktionsumfang vorfand.

Dies war eine Entscheidung, die jedes einzelne Institut nach seinen eigenen wirtschaftlichen Erwägungen zu treffen hatte, wie Neumann bestätigt. Einen Fraktionszwang im engen Sinn habe es nicht gegeben. Allerdings macht der FI-Geschäftsführer kein Hehl daraus, dass er eine von der Finanz Informatik betriebene Einheitslösung für wirtschaftlich vorteilhafter hält. Zumal das "Plus" im Produktnamen auch noch signalisiere, dass etwaige Vorteile der abgelösten Regionalsysteme in das neue System eingeflossen seien.

Akt 1: Wie alles anfing

Die Anfänge von OSPlus gehen auf die späten 90er Jahre zurück, als sich die Sparkassen-Organisation mehrere unterschiedliche IT-Dienstleister, die jeweils eigene Anwendungssysteme betrieben. Wie es damals gang und gäbe war, handelte es sich bei diesen Systemen um funktionale "Silos" mit den üblichen Redundanzen und Inkonsistenzen.

Fridolin Neumann, CEO der Finanz Informatik: "Normalerweise fließen die Budgets ins Front-Office, nicht in den Keller."
Foto: FinanzInformatik

Dass die Vielfalt und die Bauart der Systeme unter dem Strich ineffizient war, offenbarte sich niemals deutlicher als im Angesicht der "Jahr-2000-Umstellung", in deren Rahmen alle Systeme auf die vierstellige Erfassung der Jahreszahlen hin analysiert werden mussten.

Damit war der Weg bereitet. Es gab plötzlich einen breiten Konsens für ein Projekt, das vordergründig weder mehr Umsatz, noch mehr Rentabilität versprach: die Entwicklung einer einheitlichen Buchungsplattform als Basis der heterogenen Anwendungen.

"Normalerweise wenden die Finanzdienstleister ihre IT-Budgets vorzugsweise für Systeme auf, die im Front-Office genutzt werden, und nicht für solche, die - wenn man so will - ihre Arbeit im Keller verrichten", erläutert Neumann. Doch in diesem Fall sei eine strategische Entscheidung für das "Keller-System" getroffen worden.

Akt 2: Die vier Pioniere

Im Rahmen des Sparkassen-Informatik-Zentrum (SIZ), dem die regionalen IT-Dienstleister angehörten, war schon zu Beginn der 90-er Jahre über dieses Thema gesprochen worden. Aber das hieß noch nicht, dass man die Entwicklung eines einheitlichen Anwendungssystems tatsächlich in Angriff genommen hätte. Um die Jahrtausendwende war die Zeit offenbar reif für "Nägel mit Köpfen", wie Neumann sagt.

Zumindest vier der regionalen IT-Dienstleister - konkret die aus Bayern, Rheinland/Rheinland-Pfalz, Hessen/Westfalen-Lippe und Baden-Württemberg - sagten ihre Beteiligung an der Entwicklung zu.

1998 fiel der Startschuss für "S-Buchen", eine Online- und Realtime-fähige Buchungsplattform. Sie bis Ende 1999 vollständig umsetzen zu wollen war allerdings reine Utopie. Fertiggestellt wurde sie erst im Jahr 2002. Sie bildete quasi die Keimzelle, aus der schrittweise das heutige OSplus entstand.

Akt 3: Auftritt Finanz Informatik

Ein Jahr zuvor hatten sich drei der vier beteiligten IT-Dienstleister zur Sparkassen Informatik zusammengeschlossen. Die Bayern gingen zunächst einen Sonderweg, stießen schließlich 2006 im Rahmen einer weiteren Fusion dazu.

Es wäre nicht ganz korrekt, die Entstehung der Sparkassen Informatik allein auf das gemeinsame System zurückzuführen, räumt Neumann ein. Allerdings habe die technische Vereinheitlichung den Boden für die organisatorische bereitet.

Diese Fusion hatte offenbar beispielgebenden Charakter. Nach und nach schlossen sich die internen IT-Dienstleister der Sparkassenorganisation zu einer einheitlichen IT-Service-Organisation mit mehr als 5000 Mitarbeitern zusammen. 2008 war dieser Prozess abgeschlossen. Den letzten Akt bildete die Eheschließung zwischen der Finanz IT mit Sitz in Hannover und der Sparkassen Informatik mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie fusionierten zur Finanz Informatik .

Das Finale: Wie sich OSplus durchsetzte

Auch die Durchdringung mit dem Gemeinschaftssystem OSplus schritt weiter fort - langsam, aber stetig, bis im Sommer des vergangenen Jahres die Migration der letzten Sparkassen-Serie abgeschlossen war. Je länger das Projekt dauerte, desto leichter fiel der FI die Umstellung: "Wir waren mittlerweile in der Lage, die Einführung in neun Monaten über die Bühne zu bringen - in exakt getakteten Phasen", so Neumann.

Dass nur eine einzige Sparkasse nicht auf den OSplus-Zug aufspringen wollte, begründet der FI-Chef aber nicht nur mit dem hauseigenen Implementierungs-Know-how. Vielmehr habe das System im Vergleich zu Lösungen vom Markt den Vorteil, dass Banken- und Finanz-Know-how eingeflossen sei, über das die FI als ein auf diesen Bereich spezialisierter IT-Dienstleister "in hohem Maße" verfüge.

Epilog: Die Landesbanken folgen

Inzwischen haben sich auch schon vier Landesbanken für das System entschieden. Noch 2011 wurde es in der Landesbank Berlin, der Bremer Landesbank, der Nord LB und der SaarLB in Betrieb genommen. Ob und wann sich die anderen Landesbanken anschließen werden, kann Neumann nicht sagen. Für einige andere Landesbanken wie die BayernLB und die Hessische Landesbank (Helaba) erbringt die Finanz Informatik derzeit zwar Rechenzentrumsleistungen, aber den Auftrag für eine Systemumstellung hat sie noch nicht bekommen.

Auch ohne die Landesbanken haben sich die Entwicklungskosten für OSPlus längst ausgezahlt, beteuert der FI-Geschäftsführer. Der Investition von einer runden Milliarde Euro stünden seit 2011 aufaddierte Synergien für die Sparkassen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro gegenüber. Begründen lässt sich das vor allem mit dem Wegfall des hohen Pflege- und Wartungsaufwands für unterschiedliche IT-Systeme. Aber auch die verbesserten Einkaufskonditionen durch Bündelung größerer Mengenvolumina spielen hier laut Neumann eine wichtige Rolle. Im Laufe dieses Jahres und der kommenden Jahre erwarte er zusätzliche Einsparungen von jeweils 200 Millionen Euro. (Computerwoche)