Mega-Übernahme

Bayer bietet 62 Milliarden US-Dollar für Monsanto

23.05.2016
Mega-Offerte im Agrochemiemarkt: Bayer will den US-Agrarchemiekonzern Monsanto für 62 Milliarden US-Dollar schlucken.
Die Übernahme von Monsanto würde gut in die neue Strategie von Bayer passen.
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Wie der Dax-Konzern am Montag mitteilte, bieten die Leverkusener je Monsanto-Aktie 122 US-Dollar in bar. Das entspreche einem Aufschlag von 37 Prozent auf den Schlusskurs der Monsanto-Aktie vor zwei Wochen. Zur Finanzierung setzt Bayer auch auf eine Kapitalerhöhung. Mit der Übernahme würde Bayer zum weltweit größten Agrachchemie-Hersteller aufsteigen. Am vergangenen Donnerstag hatten die beiden Konzerne bereits Übernahmegespräche bestätigt.

Der Dax-Konzern Bayer will in Deutschland nach dem erfolgreichen Umbau der vergangenen Jahre Fusionsgeschichte schreiben. Mit der geplanten 62 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme des umstrittenen US-Agrarchemie-Riesen Monsanto würde Bayer selbst die "Hochzeit im Himmel" zwischen den Autobauern Daimler und Chrysler aus dem Jahr 1998 in den Schatten stellen. Was treibt den Konzern aus Leverkusen; und welche Fallstricke lauern auf dem Weg? Was bedeutet die Mega-Fusion für Aktionäre, Wettbewerb und Image des Gesundheitskonzerns?

Strategie

Für Bayer wäre es der große Wurf. Auf einen Schlag würden die Leverkusener zur Nummer eins auf den Märkten für Saatgut und Pflanzenschutz aufsteigen. Bayer würde sich so wichtige Schlüsseltechnologien wie bei genverändertem Saatgut bei weiteren Anwendungen erschließen. In Kombination mit den klassischen Unkraut-, Pilz- und Schädlingsvernichtern würde so eine geballte Macht entstehen. Angst vor einem nachhaltigen Imageschaden angesichts des nicht besonders guten Rufs des US-Konzerns hat Bayer offenbar nicht. Analyst Peter Spengler von der DZ Bank sprach von der "historischen Chance" so zum unangefochtenen Weltmarktführer zu werden.

Auch in den Umbau des Konzerns passt der Schritt. So würde Bayer den Wandel vom chemisch-pharmazeutischen Mischkonzern zum Spezialisten rund um die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze abrunden. Das Gesundheits- und Agrochemiegeschäft wäre gemessen am Umsatz in etwa gleich groß. Bayer hat sich in den vergangenen gut 10 Jahren in zwei großen Schritten von seinem klassischen Chemiegeschäft getrennt. Auf die Abspaltung von Lanxess folgte im vergangenen Jahr der Börsengang der Kunststofftochter Covestro. Das machte Bayer zeitweise zum wertvollsten Dax-Konzern.

Was denken Anteileigner und Analysten?

Für Bayer-Aktionäre ist die geplante Übernahme eine bittere Pille. Händler und Analysten bezeichneten den gebotenen Preis von 122 Dollar in bar je Monsanto-Aktie als recht hoch. Sie hatten zum Teil deutlich weniger auf dem Zettel. Zudem bereitet ihnen die noch ausstehende Reaktion von Monsanto Kopfzerbrechen. "Es könnte noch einiges passieren, bevor diese Transaktion durchgeht", warnte Commerzbank-Experte Daniel Wendorff.

Berenberg-Analyst John Klein hätte statt einer Bar-Offerte eher ein Gemeinschaftsunternehmen erwartet. Er rechnet mit einer Ablehnung von Monsanto. Ulrich Huwald vom Analysehaus Warburg sieht das Risiko einer Übernahmeschlacht. Auch einzelne Großaktionäre hatten sich zuletzt angesichts starker Kursverluste eher verschnupft gezeigt. Der Kurs der Bayer-Aktie sackte auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2013 ab. Durch die geplante Kapitalerhöhung verteilt sich der Gewinn auf mehr Aktien. Dies belastet den Kurs. Professor John Colley von der Warwick Business School spricht von einer klassischen Wertverschiebung vom Käufer zum Zielobjekt. Nur wenige Mega-Übernahmen seien geglückt, mahnt er.

Verschuldung

Die Mega-Übernahme würde die Verschuldung der Leverkusener zumindest kurzfristig kräftig in die Höhe treiben. Angesichts der globalen Niedrigzinsen und einem erwarteten robusten Barmittelzufluss aus dem laufenden Geschäft erscheint dies aber vielen Experten als tragbar. Führende Ratingagenturen hatten zuletzt zwar den Daumen vorsorglich gesenkt. Sie hatten aber noch vor Bekanntgabe der Offerte darauf hingewiesen, dass mittelfristig wieder eine bessere Einstufung möglich wird.

Laut Analysten dürfte die Bayer-Verschuldung zunächst auf mehr als 40 Milliarden Euro klettern. Durch die Übernahme der rezeptfreien Mittel des US-Konzerns Merck liegt die Verschuldung bei Bayer bereits bei rund 16 Milliarden Euro. Sie ist damit im Branchenvergleich bereits jetzt vergleichsweise hoch. Bei einzelnen Analysten weckte dies zuletzt die Sorge, dass Bayer künftig nicht mehr genug Mittel haben könnte, um sein Gesundheitsgeschäft zu stärken. Mit neueren Mitteln konnte Bayer hier zwar zuletzt punkten, doch der Nachschub dürfte allein aus eigener Kraft kaum auf Dauer gesichert werden können. Auch in der Vergangenheit hatte Bayer hier auf Partnerschaften und Zukäufe gesetzt.

Was sagen die Behörden?

Trotz der schieren Größe dürfte die geplante Übernahme bei den Kartellbehörden auf vergleichsweise wenig Widerstand stoßen. Nur bei einzelnen Agrargütern dürften Überlappungen die Behörden auf den Plan rufen. So dürfte der Marktanteil etwa bei Mais sehr hoch ausfallen. Die Behörden dürften den Kauf sowohl in den USA als auch in Europa genau prüfen, aber wohl nur bei einzelnen Produkten Anpassungen verlangen, erwarten Experten. Professor Colley von der Warwick Business School weist darauf hin, dass Monsanto für die USA auch wegen des Know-hows in der Gentechnik als national wichtig betrachtet wird.

Auch nach dem Zusammenschluss dürfte der Wettbewerb angesichts der jüngsten Fusionswelle in der Branche hoch bleiben. So will das chinesische Unternehmen ChemChina den schweizerischen Konzern Syngenta für 43 Milliarden Dollar schlucken. Die US-Konzerne Dow Chemical und Dupont planen den größten Zusammenschluss in der Chemie-Branche. Sie würden damit erst einmal den Branchenprimus BASF vom Thron stoßen. Allerdings wollen sich die beiden US-Konzerne nach ihrer geplanten Fusion in drei börsennotierte Unternehmen aufspalten, darunter ein schlagkräftiger Agrarchemiekonzern.

Der 1863 gegründete Bayer-Konzern ist eines der traditionsreichsten deutschen Unternehmen. Lange Zeit vereinte Bayer unter seinem Dach die Bereiche Chemie, Gesundheit und Pflanzenschutz. Doch in den letzten Jahren haben sich die Leverkusener Schritt für Schritt auf die lukrativere Gesundheit und Agrarwirtschaft konzentriert.

Vorläufig letzter Schritt der Neuausrichtung war die Abspaltung der Kunststofftochter Covestro und ihr Börsengang im Herbst des vergangenen Jahres. Zwar hält Bayer derzeit noch 69 Prozent an dem Unternehmen, will sich aber zügig von der Beteiligung trennen. Im Pharmageschäft profitiert der Konzern zurzeit von den Erfolgen einer ganzen Reihe neuentwickelter Medikamente wie dem Gerinnungshemmer Xarelto oder dem Augenmedikament Eylea. Sie bringen dem Konzern Milliardenumsätze.

Die geplante 55 Milliarden Euro teure Übernahme von Monsanto würde gut in die neue Strategie passen. Denn Bayer würde damit zur Nummer eins im Agrarchemie-Markt aufsteigen. Im Geschäftsjahr 2015 erzielte der Bayer-Konzern mit 116 800 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 46,3 Milliarden Euro. Das Ergebnis lag bei rund 4,1 Milliarden Euro. Damit lag der Gewinn um rund 20 Prozent über dem Vorjahresniveau. (dpa/rs)