Verhandlungen über Privatisierung der Bundeswehr-IT

Bei Herkules regiert der Argwohn

29.09.2004 von Thomas Zeller
Die Verhandlungen um das Bundeswehr-IT-Projekt Herkules gehen in die nächste Runde. "Wir erwarten einen erfolgreichen Abschluss der Gespräche bis Anfang kommenden Jahres", sagte die SPD-Haushaltsexpertin Elke Leonhard gegenüber CIO-Online. Gerüchte über eine Ausgliederung eines SAP-Projektes aus dem Leistungsumfang für Herkules dementierte die Politikerin jedoch.

Die Vorgespräche mit dem TIS-Konsortium (T-Systems, IBM und SBS) hätten zwar länger gedauert als ursprünglich geplant, dafür stimme jetzt aber die Chemie zwischen den Partnern, sagte Leonhard. Mit ersten Zwischenergebnissen sei im November zu rechnen. Unterdessen bestätigte SBS den Abschluss der Informationsgespräche. "Wir sind auch weiterhin dabei", sagte ein Unternehmenssprecher.

Leonhard will auch künftig an dem ursprünglichen Zeitplan festhalten. Der sah einen Projektstart zu Beginn des Jahres 2005 vor. "Das TIS-Konsortium kennt den Business-Case aus den früheren Verhandlungen. Deshalb werden wir schneller vorankommen." Beim vorerst ausgeschiedenen Bieterkonsortium ISIC-21 (CSC Ploenzke, EADS, Mobilcom) wird diese Aussage jedoch belächelt. "Selbst wenn die Verhandlungen in diesem Zeitrahmen abgeschlossen werden, muss der Vertrag noch ein zeitaufwendiges Genehmigungsverfahren durchlaufen", sagt CSC-Pressesprecher Frank Schabel. "Die Umsetzung des IT-Projektes ab Anfang nächsten Jahres ist damit nahezu unmöglich."

Schuldzuweisungen

Das ISIC-21-Konsortium hatte nach jahrelangen Verhandlungen im Juli dieses Jahres die Gespräche platzen lassen. Bis zuletzt konnten sich die Partner nicht über einige finanzielle Details bei dem größten Modernisierungsvorhaben der Bundeswehr einigen. Am Ende ging es noch um eine Differenz von mehreren hundert Millionen Euro. Das erscheint angesichts des Projektrahmens von 6,65 Milliarden Euro nicht viel. Doch aus Verhandlungskreisen hieß es, am Ende sei die Luft für Zugeständnisse sehr dünn gewesen.

"Wir sind ein börsennotiertes Unternehmen und unseren Aktionären verpflichtet. Denen hätten wir nie ein Minusgeschäft zumuten können", hieß es damals bei EADS. Dieser Sicht schließt sich auch CSC Ploenzke-Sprecher Schabel an. "Zu den Konditionen wäre das Projekt nie profitabel realisierbar gewesen." Auch die Haushaltspolitikerin Leonhard sieht die abgebrochenen Verhandlungen mittlerweile etwas kritischer: "Ich hätte mir gewünscht, dass von Seiten des Bundes weniger Juristen und dafür mehr Ökonomen an den Gesprächen beteiligt gewesen wären."

Allerdings wirft die SPD-Politikerin den ISIC-21-Managern weiterhin vor, dass sie am Ende zu wenig Kompromissbereitschaft gezeigt hätten. "Zum Zeitpunkt der Ausschreibung in 2002 gab es 650 Bundeswehr-Standorte, die vernetzt werden sollten. Heute sind es 100 weniger." Das müsste eigentlich die Kosten senken, ist sich Leonhard sicher.

Risiken durch öffentliches Vergaberecht

Ein besseres Angebot hat nun auch das TIS-Konsortium nicht bekommen. Dennoch haben sich die Firmen mit der Bundeswehr an den Verhandlungstisch gesetzt und werden jetzt von der Konkurrenz argwöhnisch beobachtet. Sollte die Bundeswehr die Anforderungen für Herkules verändern, dann droht von dieser Seite eine Klagewelle. Die Grundlage bildet dabei das öffentliche Vergaberecht, dass eine Leistungsverringerung verhindert.

"Insgesamt räumen wir dem TIS-Konsortium nur geringe Chancen für die Auftragsvergabe ein", sagt CSC-Sprecher Schabel. Im ISIC-21-Konsortium hätte es eine genaue Aufgabenteilung in die Bereiche Hardware, Dienstleistung und Netzwerke gegeben. Bei TIS steche vor allem die Überlappung der Geschäftsmodelle von SBS und T-Systems ins Auge. Eine Hintertür will sich ISIC-21 trotz des Verhandlungsabbruchs im Juli offen halten. Wenn die Gespräche mit TIS scheitern sollten, dann könnte über ein weiteres Angebot verhandelt werden. Doch auch der Haushaltsausschuss arbeitet weiter an seinem Alternativplan Teilprivatisierung. Der könnte eine Teilung der Bundeswehr-IT in drei Teile bedeuten und orientiert sich teilweise an US-Erfahrungen. Gerüchte um eine Ausgliederung eines SAP-Projektes aus Herkules dementiert SPD-Politikerin Leonhard jedoch entschieden. Der Leistungsumfang bleibe erhalten. "Wir haben nur mit Schulungsmaßnahmen für 5000 Mitarbeiter begonnen, damit wir die Projektumsetzung zu Beginn des kommenden Jahres forcieren können".

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