ITSM

Beim IT Service Management sind "kleine" Lösungen oft besser

15.02.2016 von Markus Bause
Bei der Wahl eines ITSM-Tools sollten IT-Dienstleister sich nicht automatisch auf die großen internationalen Hersteller konzentrieren. Häufig liefern kleinere deutsche Anbieter einen ähnlichen Funktionsumfang und sind durch ihre lokale Präsenz näher am Kunden.

Service Management bedeutet, den Wandel von einer technisch ausgerichteten hin zu einer kunden- und serviceorientierten Organisation zu vollziehen. IT-Dienstleister müssen sich daran messen lassen, in welchem Maße und in welcher Qualität sie durch ihre Services entsprechende Mehrwerte für ihre Kunden erzeugen. Neben dem Erreichen größtmöglicher Wirtschaftlichkeit gilt es, sich auf häufig ändernde Rahmenbedingungen schnell einstellen zu können, denn die Anforderungen aus den Geschäftsbereichen ziehen neue oder geänderte IT-Services in immer kürzer werdenden Abständen nach sich.

Neben Aspekten wie die Integration in die Unternehmensprozesse und die Projektunterstützung sind vor allem die Self-Service-Funktionen wichtig.
Foto: Serview

Zudem sorgen neue Technologietrends wie Cloud Computing, Big Data oder Mobile Computing für einen immer schnelleren Wechsel in der IT-Infrastruktur sowie bei den organisatorischen Rahmenbedingungen. So genannte Change Ability ist die große Herausforderung für jeden IT-Dienstleister. Eine möglichst durchgehende Unterstützung durch ein ITSM-Werkzeug stellt einen der kritischen Erfolgsfaktoren dar, um den Wandel effektiv und mit guter Qualität bewältigen zu können.

Je nach Größe des Unternehmens und dem Reifegrad sowie der Komplexität der nach ITIL abzubildenden Prozesse unterscheiden sich die Anforderungen an ein Tool. Größere IT-Organisationen benötigen typischerweise ITSM-Tools mit einer breiten und durchgängigen Abbildung der ITIL-Prozesse. Aber auch Unternehmen, die zunächst nur wenige Prozesse implementieren, wollen sich die Möglichkeit offenhalten, zu einem späteren Zeitpunkt weitere Prozesse mithilfe ihres ausgewählten Tools zu integrieren.

Differenzieren durch Service-Design-Prozesse

Grundprozesse, die praktisch in jeder IT-Organisation mehr oder weniger gleich sind - etwa Change-Request-Abläufe oder der Umgang mit Störungen - sind in jedem ITSM-Tool auf der Basis der ITIL Best Practices abgebildet. Die Tools unterscheiden sich jedoch stark in der Abbildung der Abläufe im Service-Design, also der Prozesse, die vor allem vom schnellen Wandel betroffen sind beziehungsweise diesen erst möglich machen. Eine wichtige Rolle spielen hier die in Modulen abgebildeten Prozesse des Service-Level-Managements, des Portfolio- und Supplier-Management sowie der Servicekatalog.

Neben den genannten Service-Design-Prozessen dient das Angebot eines intelligenten Self-Service als Differenzierungsmerkmal. Es gibt große Unterschiede bei den Self-Service-Portalen. Oft wird darunter nur die Bereitstellung einer Wissensdatenbank verstanden. Wichtig ist aber auch die Abbildung des für die Anwender verfügbaren Servicekatalogs. Diese Sammlung von Leistungen, die der Provider seinen Kunden zur Verfügung stellt, wird derzeit viel diskutiert.

IT-Dienstleister wollen damit Transparenz in ihre Leistungen bringen, um diese besser auf den Bedarf ihrer Kunden zuschneiden zu können und ihre Wertschöpfung zu verbessern. Bei der Abbildung des Servicekatalogs inklusive des dazugehörigen Prozesses gibt es spürbare Qualitätsunterschiede. Der Servicekatalog sollte beispielsweise mit den Informationen aus dem Asset- und Konfigurationsmanagement verknüpft werden können. Und das erfordert eine flexible Anpassung des hinterlegten Datenmodells auf die Anforderungen des eigenen Unternehmens.

Unabhängige Zertifikate helfen Tools zu beurteilen

Eine gute Hilfestellung zum Beurteilen verschiedener Hersteller liefern unabhängige Tool-Zertifizierungen wie die von PinkElephant mit PinkVerify oder in Deutschland die von Serview mit Serview Certified Tools. Wichtig ist hierbei eine strikte Neutralität gegenüber den Anbietern, und das bedeutet, dass keine Gebühren für die Zertifizierung oder Provisionen bei der Empfehlung von Software anfallen sollten. Softwarehersteller müssen ihre Qualität über standardisierte Assessment-Kriterien beweisen.

Probleme in ITSM-Projekten
Der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail
Wenn ein IT-Services-Management umgesetzt werden soll, kommt es immer wieder zu denselben Schwierigkeiten. Wie lassen sie sich umgehen oder beseitigen?
1. Aufgelaufene Kosten sind kein Argument
Wenn Entscheidungen zum weiteren Verlauf eines Projekts anstehen, werden die bereits investierten Kosten gern als Argument genannt. Das ist nicht zielführend. Es gilt, an den entscheidenden Stellen des Projekts einen zukunftsbezogenen Business Case zu erstellen.
2. Kein Projekt ohne ausreichende Ressourcen
Nicht nur ITSM-Vorhaben werden häufig ad hoc gestartet. Das heißt: Es sind noch keine ausreichenden Ressourcen verfügbar. Das liegt oft daran, dass die Berechtigungen zur Ausgabe des Projektmandats überhaupt unklar sind. Abhilfe kann die Einführung eines Projekt-Management-Prozesses schaffen. Dabei sollte unbedingt eine Zuständigkeitsmatrix erstellt werden. Sie gibt an, welche "Rollen" einen Projektauftrag erteilen können - und zwar differenziert nach Projektgröße und -typ.
3. Grundverständnis geht vor Lösungsansatz
Bei der Projektplanung wird zu schnell über konkrete Lösungsansätze und dafür erforderliche Aktivitäten gesprochen - ohne dass ein einheitliches Verständnis hinsichtlich der genauen Ziele besteht. Die Projektplanung sollte konsequent auf die zu liefernden Ergebnisse ausgerichtet sein. Dabei sind diese Ergebnisse möglichst exakt und in einer messbaren Kategorie zu beschreiben (Spezifikation des Ergebnisses, Form, Umfang, Qualität etc.).
4. Besser Kanban als Bildschirm oder Beamer
Umfangreiche Projektpläne lassen sich nicht am Bildschirm oder über Beamer visualisieren. Stattdessen ist es sinnvoll, die Kanban-Methode zu nutzen. Das heißt: Visualisierung auf großen Wänden und Verwendung von Karten für die einzelnen Tasks. Das hilft, komplexe Zusammenhänge für alle Beteiligten auf den unterschiedlichen Hierarchiestufen darzustellen.
5. Jeder muss seine Rolle im Projekt kennen
Viele Ansprechpartner sind sich ihrer Rolle in den Projekten nicht bewusst. Sie sollten aktiv in die Vorhaben eingebunden werden - über Use-Case-Definitionen und die gemeinsame Entwicklung eines Kommunikationsplans.
6. Der Informationsfluss darf nicht stocken
Zu Projektbeginn ist das Team meist relativ gut informiert. Aber mit zunehmender Dauer sowie außerhalb des eigentlichen Projekts fehlt es häufig an Informationen. Um dem abzuhelfen, ist es sinnvoll, zu Projektbeginn eine Stakeholder-Analyse zu erstellen, aus der sich Form und Umfang der nötigen Informationen ableiten lassen. Dort kann auch definiert werden, wie die Akteure eingebunden werden sollen. Auf dieser Basis lässt sich ein Stakeholder-spezifisches Kommunikationskonzept aufsetzen.
7. Wenn der Fachbereich keinen Input liefert
Immer wieder krankt ein Projekt auch daran, dass der vereinbarte Input aus den Fachabteilungen ausbleibt. Da helfen zwei Maßnahmen. Zum einen müssen eindeutige Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Zum anderen muss den Fachbereichen, auch durch Visualisierung über den Produktstrukturplan, eindrücklich klargemacht werden, wie abhängig das Gesamtprojekt von ihrem Input ist und welche Folgen die ausbleibende Lieferung hat.
8. Es geht einfach nicht ohne formale Anträge
eue Projekte und Serviceänderungen werden "on the fly" und ohne Spezifikationen direkt an einen Mitarbeiter der IT geleitet. Was ist dagegen zu tun? Es muss ein strukturiertes Verfahren zur Projektantragsstellung und -freigabe etabliert werden, verbunden mit der Definition von Verantwortlichkeiten zur Steuerung dieses Prozesses - beispielsweise durch einen IT-Koordinator.
9. Arbeitspakete beugen Verzögerungen vor
Mit den Kunden sind klare Termine vereinbart, die aber werden immerzu verschoben. Das schreit nach einem Workshop zur Definition der Arbeitspakete mit Abschätzung der Dauer durch Experten. Dabei ist eine genaue Priorisierung vorzunehmen, der Abstimmungsprozess zu überdenken und der Dokumentationsbedarf zu klären.
10. Alle müssen den Status des Projekts kennen
Während des Projekts ist häufig unbekannt, wo es eigentlich gerade steht. Damit alle Bescheid wissen, empfehlen sich eine kleine Website sowie ein Newsletter mit Reporting. Auf diese Weise kann jeder Stakeholder die Statusinformationen jederzeit abrufen.

In den vergangenen Jahren wurde eine Reihe verschiedener Service-Management-Tools in die Liste der Certified Tools aufgenommen. Darunter sind auch solche etlicher kleinerer Hersteller, wie etwa der deutsche Anbieter USU oder Omninet, helpLine, Matrix42 und Wendia, die alle über eine große und qualitativ ansprechende Funktionsbandbreite verfügen. Analysten wie die von Gartner oder Forrester Research sind global ausgerichtet und berücksichtigen solche leistungsfähigen lokalen Tools oft gar nicht.

Anpassen und Tools kombinieren

Unternehmen werden ihr ITSM-Tool in der Regel den eigenen Anforderungen anpassen. So ist gewährleistet, dass die Nutzer später die Handhabung der Prozesse auch akzeptieren. Vor allem in größeren Organisationen ist es oft effizienter, das Tool an die bestehenden Prozesse anzupassen, nicht umgekehrt. Bei der Evaluierung eines Werkzeugs ist es daher wichtig zu prüfen, in welchem Maße es die konzerneigenen Prozesse abbildet und wie hoch der Aufwand einer Anpassung wäre.

Auch die Integrationsfähigkeit des zukünftigen ITSM-Tools in die bestehende Umgebung spielt eine entscheidende Rolle. Und das nicht nur, weil Schnittstellen zu dem bestehenden ERP-System geschaffen werden müssen, sondern auch weil es immer Aufgaben gibt, die über zusätzliche spezialisierte Tools erledigt werden sollen. Beispiele hierfür sind System-Management, Automatisierungs- oder Analyse-Werkzeuge. Dafür empfiehlt es sich im Vorfeld zu prüfen, welche Prozesse und Verfahren miteinander verknüpft sein müssen, und wie der Datenfluss gestaltet ist, um das Zusammenspiel der Tools in diesen Bereichen sicherstellen zu können. Danach kann die Schnittstellenfähigkeit der Lösung gezielt evaluiert werden.

Deutsche Anbieter näher an den Kundenproblemen dran

Gilt es, das neue ITSM-Tool in Schritten einzuführen wenn Prozesse angepasst und externe Systeme integriert werden müssen, kommt der unterstützenden Dienstleistung des Anbieters für das Customizing eine entscheidende Rolle zu. Daher kann es für deutsche Anwender sinnvoll sein, im Auswahlprozess ebenfalls lokale Anbieter einzubeziehen. Wichtig für die erfolgreiche Umsetzung sind kurze Wege, eine möglichst flexible Zusammenarbeit bei der Implementierung und Anpassung sowie der Support in deutscher Sprache. Zum anderen kann auch die Tatsache hilfreich sein, wenn die Entwicklung in Deutschland stattfindet und vom hiesigen Markt getrieben ist.

Die Zukunft im Enterprise Service Management

Innerhalb der Unternehmen spielt die IT mit ihrer Serviceorientierung und der Organisation der Serviceprozesse gemäß ITIL eine Vorreiterrolle. Mehr und mehr sehen sich auch die anderen Servicebereiche im Unternehmen gezwungen, die nachgefragten Services zusammen mit ihren Kunden zu spezifizieren und den Anwendern effizient und komfortabel zur Verfügung zu stellen. Aktuell passiert diese Entwicklung vor allem in den Personal-, Service-, Kundendienst- und Facility-Abteilungen.

Nachdem die grundsätzlichen funktionalen Anforderungen für das Service-Management von der IT und den anderen Abteilungen nahezu identisch sind und zudem häufig auf dieselben Daten zugegriffen werden muss, gibt der Einsatz von ITSM-Tools als unternehmensweite Service-Management-Lösungen viel Sinn. Die einfache Bedienbarkeit spielt eine große Rolle für die Akzeptanz durch die Anwender. Altmodische Benutzeroberflächen oder komplizierte Suchmasken akzeptieren Anwender im Internet-Zeitalter nicht mehr.

Unternehmen müssen mit dem gewählten Werkzeug die Prozesse und Workflows in all den Abteilungen, die im Service Management zusammenarbeiten sollen, abbilden können und jeder Abteilung muss ihre adäquate Oberfläche bekommen. Ein Self-Service-Portal etwa muss so komfortabel gestaltet sein, dass Standardabfragen ohne Warteschlangen komfortabel erfüllt werden. Ein modernes Wissensmanagement-System und eine Suchmaschine im Hintergrund gehören dazu, aber auch eine Social-Media-Infrastruktur mit Chat-Funktion und Web-Forum.

Fazit

Nahezu jeder Anbieter liefert heute Module für die nach ITIL ausgerichteten Grundprozesse im Service-Management. Häufig liegen die Unterschiede in den Modulen für die Service-Design-Prozesse, der Flexibilität bei der Anpassung und dem Grad der Integrierbarkeit, der Fähigkeit des Anbieters für ergänzende Dienstleistungen und Support, und nicht zuletzt in der Einfachheit der Self-Service-Funktion für die Endanwender.