Die wöchentliche CIO-Kolumne

Bitte keinen Masterplan

14.10.2002 von Horst Ellermann
Bitkom-Vizepräsident Willi Berchtold fordert am ersten Tag auf der Systems: "Wir brauchen E-Government aus einem Guss, einen einheitlichen Ansatz, der alle Verwaltungsebenen verbindet." Die Vorteile eines solchen Ansatzes liegen auf der Hand, nur der Weg ist zweifelhaft: Ein Masterplan würde E-Government nur verlangsamen.

Es ehrt Willi Berchthold, dass er das allgemeine Interesse wieder auf den öffentlichen Bereich lenkt, wo sich mit Informationstechnik viel Geld und Behördengänge sparen lassen. Der Bitkom-Vize weist zu Recht auf den Wert des Projekts "Bund Online 2005" hin, mit dem die Bundesregierung in den kommenden Jahren mehr als 350 Dienstleistungen der Bundesverwaltung im Internet anbieten will. Es ist taktisch klug, dies zu einem Zeitpunkt zu machen, wo auf der Systems kaum mehr Signale von der Wirtschaft ausgehen.

Allein Berchtholds Forderung, "Bund Online 2005" zu einem Masterplan E-Government auszuweiten, bleibt fragwürdig.

Sicher hat es Vorteile, mit Hilfe eines digitalen Gesamtkonzeptes alle künftigen und bereits vorhandenen E-Government-Projekte bundesweit zusammen zu führen. Wenn es gelänge, wären der Phantasie Berchtholds keine Grenzen mehr gesetzt: Die digitale chipbasierte Bürgerkarte mit Ausweisfunktion und elektronischer Signatur könnte auch gleich als Bank- oder Gesundheitskarte dienen, mit der Ärzte, Apotheker und Kassen ihren Datenaustausch vereinfachen. Bedarf für Standardisierung im Gesundheitswesen ist sicher gegeben, wie eine neue Studie der Unternehmensberatung Frost & Sullivan bestätigt und wie auch Berchthold zu Recht anmerkt. Nur: Standardisierung durch einen Masterplan ist zur Zeit aus drei Gründen nicht erstrebenswert.

Erstens: Es fehlt immer noch an Erfahrungen. Masterpläne sind dann gut, wenn die Zeit zur Standardisierung reif ist. Davor kommt jedoch die Phase der Erprobung, in der in verschiedenen Pilotprojekten geklärt wird, welche Technik wann und wo sinnvoll ist. Berchthold fordert vom Staat hingegen, bei allen seinen Einrichtungen per "Big Bang" eine neue Technik einzuführen. Diese Forderung wird eigentlich nur dann verständlich, wenn man weiß, dass Berchthold als Geschäftsführer des Chipkartenspezialisten Giesecke & Devrient Lieferant dieser Technik ist, nämlich der qualifizierten elektronischen Signatur.

Zweitens: Einem Masterplan zum E-Government müssten viele Instanzen zustimmen. Handbücher zum Projektmanagement lehren jedoch, dass nicht zu viele Entscheidungsträger bei der Realisierung eines Projekts beteiligt sein dürfen. Krankenkassen, Banken, Gerichte oder Finanzämter haben vielleicht ähnliche, aber immer noch unterschiedliche Interessen. Sie würden sich bestenfalls langsam auf einen Masterplan einigen.

Drittens: Ein Masterplan unterminiert die politische Gewaltenteilung. Es dürfte sowieso schwierig werden, die politischen Instanzen von Kommunen, Land und Bund zusammen zu schweißen, die sich - Gott sei Dank - demokratisch legitimieren müssen. Sollte es trotzdem gelingen, wird in einer solchen standardisierten Welt unwahrscheinlich, dass einzelne Einrichtungen eigenständig handeln oder sich in Zukunft als besonders innovativ hervortun können.

Fazit: Ein Masterplan mit einem "Staatsvertrag zum E-Government", so wie ihn die Bitkom gerade auf der Systems gefordert hat, würde die Entwicklung des E-Government nur blockieren. Das von Berchthold angeforderte nationale Konzept mit klaren Vorgaben und Zielen klingt verlockend, kann aber immer schnell von neuen technischen Entwicklungen überrollt werden. Zuletzt scheiterte ein solch nationales Konzept Mitte der 80er Jahre, als die Post mehr als zehn Milliarden Mark in Form von Glasfasern vergraben hat und dann von der Satellitentechnik überflügelt wurde.