Standardisierung mit Augenmaß

Browser-Vielfalt bereitet Probleme

07.05.2013 von Werner Kurzlechner
Bei Betriebssystemen und Browsern müssen Firmen lernen, mit neuer Vielfalt umzugehen. Wie eine Forrester-Studie zeigt, ist es mit der Windows-Monokultur längst vorbei und eine maßvolle Standardisierung angeraten.

Von der Wolke aus erscheinen die Dinge nichtig und klein. Von ganz weit oben kann man sogar entspannt auf hart umkämpfte Schlachten schauen. So herrscht derzeit ein äußerst zähes Ringen auf den einst so friedlichen und großflächig abgesteckten Feldern Betriebssysteme und Browser. Und man mag sich als IT-Verantwortlicher denken: Wenn sich die nahe Zukunft ohnehin in der Cloud abspielt, braucht einen dieser allmählich entrückende Nebenkriegsschauplatz im Grunde nicht mehr zu bekümmern. Ein fataler Trugschluss, warnt Forrester Research in einer Studie.

Die meisten Besucher der Web-Seite Forrester.com haben Windows 7 installiert. Erstaunlich viele setzen nach wie vor auf Windows XP.
Foto: Forrester Research

„Eine abgehobene Sichtweise suggeriert, dass sich Computing in die Wolke bewegt und dass Betriebssysteme keine Rolle mehr spielen“, schreibt darin Forrester-Analyst J. P. Gownder. „Der Irrtum könnte größer nicht sein – und das gilt heute ebenso wie in fünf Jahren und vielleicht sogar darüber hinaus.“

Wegen der mobilen Revolution und der Konsumerisierung der IT differenzieren sich laut Forrester die Betriebssysteme immer mehr hinsichtlich ihrer Funktionen und ihrer Stärken. Zugleich behalten sie ihre Bedeutung aus drei Gründen: Erstens interagieren moderne Web-Technologien wie HTML5 und CSS3 mit Browsern und Betriebssystemen; zweitens findet die Entwicklung moderner Apps auf diversen Kanälen statt; drittens bringen die Mitarbeiter ihre Vorlieben für bestimmte Betriebssysteme immer stärker mit ein.

Die nach der langandauernden Windows-Monokultur ungewohnte Vielfalt erschwert laut Gownder die Investitionsentscheidung, was an Systemen und Browsern für die Mitarbeiter bereitgestellt und unterstützt werden soll. Die Nutzung privater Endgeräte am Arbeitsplatz höhle die Entscheidungshoheit der IT-Abteilung über User-Wünsche hinweg aus

Bei den Betriebssystemen rät Forrester zu einer fundierten Analyse der eigenen Situation im Lichte aktueller Trends. Verantwortliche für Infrastructure & Operations sollten aber auch den Austausch mit ihren Kollegen aus den Bereichen Anwendungsentwicklung, Sicherheit und Risikomanagement suchen.

Vorherrschendes Betriebssystem ist laut Studie aktuell und global Windows 7, jedoch nicht in gleichem Ausmaß wie zu einstigen XP-Zeiten. Windows Vista sei hingegen insbesondere in den USA fast komplett verschwunden. Als Datenbasis greift die Studie unter anderem auf die Auswertung des Web-Traffics auf der eigenen Homepage zurück – Tablets allerdings ausgeklammert. Zu 50 Prozent erfolgt der Zugriff demnach über Windows 7, zu 22 Prozent über Windows XP. Insgesamt entfallen 77 Prozent auf Windows. Weil nur über einen Bruchteil des Untersuchungszeitraums auf dem Markt, erscheint der Anteil von Windows 8 verschwindend gering.

Kompatibiltät mit Legacy-Apps wichtig

Dass Unternehmen in jedem Fall mit einer wachsenden Vielfalt zu tun haben, zeigen die knapp 15 Prozent für Macintosh und 7 Prozent für im Wesentlichen mobile-basierte Betriebssysteme wie iOS und Android. Während die Mac-Nutzung durch die Konsumerisierung der IT gepusht werde und insbesondere iOS-Geräte ein fester Teil der Rechner-Landschaft seien, seien BlackBerry und Linux deutlich ins Hintertreffen geraten, so Forrester.

Noch bunter ist das Bild bei den genutzten Browsern. Der Internet Explorer kommt hier insgesamt auf 41 Prozent, wobei 24 Prozent auf die Version 8 entfallen. Google Chrome hat bereits einen Anteil von fast einem Drittel. Laut Studie ist das vor allem wegen der Vielzahl an Betriebssystemen und Geräten der Fall, über die der Browser aufgerufen werden kann – etwa auch in der Version für Mac OS X. Mozilla Firefox ist mit 17 Prozent die klare Nummer Drei. Apple Safari folgt mit 5 Prozent, ist laut Forrester aber wegen der starken Verbreitung von iOS keineswegs eine vernachlässigbare Größe.

Wissensarbeiter in Europa und Nordamerika nutzen laut Studie im Durchschnitt fast 10 browser-basierte Apps für ihre jeweilige Tätigkeit. Standardisierung in Richtung eines einzelnen Browsers könne helfen, Management- und Kompatibilitätsprobleme zu reduzieren, so Gownder. Inwieweit aber dennoch Vielfalt zugelassen werden müsse, hänge von mehreren Faktoren ab.

In der Studie wird hier die Kompatibilität mit Legacy-Anwendungen genannt. Zu berücksichtigen seien aber auch die Vorlieben von Entwicklern und Usern. Diese neigten dazu den Browser herunterzuladen, der auf ihren persönlichen Endgeräten die beste Performance hat.

„Obwohl manche Cloud-Applikationen unabhängig vom Browser funktionieren, profitieren andere vom Zusammenspiel mit einem bestimmten Browser“, heißt es außerdem in der Studie. Als Beispiel wird angeführt, dass sich das volle Potenzial von Google Apps am einfachsten mit Google Chrome ausschöpfen lasse. Insofern sind also auch Performance und Kompatibilität von Cloud-Apps ein Kriterium bei der Browser-Wahl. Bei allem Bemühungen um Standardisierung hätten sich IT-Abteilungen darauf einzustellen, dass Diversität insbesondere in großen Unternehmen üblich sei.

Die Studie "Navigating Diversity in Operating Systems and Browsers" ist bei Forrester Research erhältlich.