Bundes-CIO Beus im Interview

CIO im Nebenjob

10.03.2008 von Nicola Meier
Mit der Einrichtung des jährlichen IT-Gipfels hat Kanzlerin Angela Merkel die Informationstechnik zur Chefsache gemacht. Da ist es nur konsequent, dass es seit Anfang des Jahres auch einen Chef für die IT gibt: Hans Bernhard Beus ist Deutschlands erster Bundes-CIO. Wir haben mit ihm über seinen Job gesprochen.
Hans Bernhard Beus ist Deutschlands erster Bundes-CIO. Das Amt übt er zusätzlich zu seinem Posten als Staatssekretär aus.

Warum braucht Deutschland einen Bundes-CIO, Herr Beus?

Die IT ist heute nicht nur ein Hilfsmittel, sondern hat strategische Bedeutung. Sie ist ein Erfolgsfaktor für zahlreiche Projekte. Das gilt auch für viele politische Projekte. Sie ist zugleich von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Bund, Länder und Gemeinden geben insgesamt ungefähr 17 Milliarden im Jahr für Informationstechnik aus, das sind mehr als 20 Prozent des gesamten deutschen IT-Marktes.

Ich denke, da ist es richtig, wenn wir im öffentlichen Bereich jetzt das nachvollziehen, was es in der Wirtschaft bereits seit einigen Jahren gibt, dass wir nämlich einen zentralen Ansprechpartner für diesen Aufgabenbereich haben.

Was sind Ihre Aufgaben als Bundes-CIO?

Beus: Im Bereich der Verwaltung bin ich der zentrale Ansprechpartner für Bund, Länder und Kommunen. Im Bundesbereich geht es darum, Architektur, Standards und Methoden der IT festzulegen und die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur zu steuern. Fragen des IT-Sicherheits-Managements und des E-Governments gehören auch zu meinem Aufgabenbereich.

Dieses Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de.
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Welche Erfahrungen bringen Sie mit für den Posten des Bundes-CIO?

Beus: Ich denke, das, was wir in dem Bereich im Augenblick brauchen, ist in erster Linie eine Management-Funktion. Da bringe ich sicher viel Erfahrung aus der öffentlichen Verwaltung mit.

Betrachten Sie sich denn als IT-Experten?

Ich bin sicher kein technischer Spezialist. Das würde ich nicht für mich in Anspruch nehmen. Aber ich denke, das muss in dieser Funktion auch nicht sein. Es gibt hier qualifizierte Mitarbeiter, die mich im technischen Bereich unterstützen, die auch dafür sorgen werden, dass ich die richtigen Entscheidungen treffen kann. Aber ich war in der Vergangenheit schon mit IT-Management befasst, war beispielsweise bei der Neuaufsetzung des Projekts Deutschland-Online mit dabei. Vor allem aber weiß ich, wie man in der Verwaltung etwas vorantreibt und zu Ergebnissen kommt.

Welche Kompetenzen haben Sie in Ihrem neuen Amt, und mit wem arbeiten Sie zusammen?

Es sind zwei neue Gremien gebildet worden. Es gibt den IT-Rat, dem alle IT-Beauftragten der Ressorts angehören. Jedes Ressort war verpflichtet, einen IT-Beauftragten zu bestellen, der nicht nur für das Ministerium selbst, sondern auch für den gesamten Geschäftsbereich verantwortlich ist. Zusätzlich gibt es eine IT-Steuerungsgruppe, die sich aus dem Staatssekretär des Finanzministeriums, einem Kollegen aus dem Kanzleramt und mir zusammensetzt. Beiden Gremien sitze ich vor.

In welchem der beiden Gremien werden die Entscheidungen getroffen?

Die Entscheidungen werden im IT-Rat getroffen.

Müssen die Entscheidungen im IT-Rat einstimmig getroffen werden?

Formal müssen alle Beteiligten einer Entscheidung zustimmen. Aber es gibt natürlich auch viele Projekte, wo nicht alle mitmachen müssen, wo man dann schrittweise vorgeht und die Qualität des Produkts oder der Technik, um die es geht, prüft und dann die anderen auch davon überzeugen kann. Das funktioniert in vielen anderen Bereichen der Politik auch. Sonst würde ja die Politik wenig zustande bringen. Auch die Entscheidungen im Kabinett sind einvernehmlich.

Was passiert, wenn sich der IT-Rat trifft und bei einer Entscheidung nicht einigen kann?

Dann kommt das Dreiergremium ins Spiel. Dann wird überlegt, auf welche Weise wir auf politischer Ebene dafür sorgen können, dass doch eine Entscheidung zustande kommt.

Wenn ein Ministerium sich sträubt, kann eine Entscheidung aber in der Tat nicht durchgesetzt werden, weil das einstimmig beschlossen werden muss?

Das ist im Prinzip richtig. Es stellt sich da die Frage, ob die Entscheidung auch ohne das Ministerium umgesetzt werden kann, was ja in einer Vielzahl der Fälle so ist. Warten wir mal ab, ob der Fall überhaupt eintritt, dann können wir uns damit befassen.

Es wird ja zum Teil heftig kritisiert, dass Sie nicht direkt dem Kanzleramt zugeordnet sind und kein Weisungsrecht haben. So sind Sie ja schon auf den guten Willen der Kollegen angewiesen.

Ich glaube, ein Teil dieser Beurteilungen geht von falschen Voraussetzungen für die Arbeit in den Bundesressorts aus. Das ist immer ein Prozess der Abstimmung und der Überzeugung. Schließlich ist die Bundesregierung ein Kollegialorgan. Ich denke aber, dass wir mit dem Steuerungsgremium, wo neben dem Kanzleramt ja auch der für den Haushalt zuständige Staatssekretär eingebunden ist, gute Möglichkeiten haben, vieles zu erreichen.

Sie fürchten kein Kompetenzgerangel?

Ich fürchte kein Kompetenzgerangel, das über das hinausgeht, was üblicherweise stattfindet.

Wäre es denn nicht einfacher, Entscheidungen voranzutreiben, wenn Sie mehr Kompetenzen hätten?

Das ist eine hypothetische Frage, die uns im Augenblick nicht viel weiterhilft. Diese Diskussionen darüber, ob ein Machtwort hilft, sind ja auch an anderer Stelle zu beobachten. Die verkennen aber immer die Wirkungsmechanismen politischer Entscheidungen. Letztlich geht es darum, zu überzeugen und einen Konsens zu schaffen auf ein gemeinsames Ziel hin. Man kann sicher Einzelfragen auch mal punktuell gegen starke Kräfte entscheiden, die das nicht wollen. Doch ich glaube, auf Dauer kann man so auch bei der IT des Bundes nicht arbeiten. So arbeitet auch in Unternehmen kein CIO gegen die Geschäftsbereiche.

Was stand beim ersten Treffen des IT-Rates am 21. Februar auf der Agenda?

Wir haben mit Hochdruck an dem Umsetzungsplan gearbeitet, den wir Mitte des Jahres dem Kabinett vorlegen werden. Der beinhaltet das Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre. Dort werden dann die Projekte definiert sein, um die es gehen wird, und die Schritte sowie die Art der Zusammenarbeit beschrieben.

Um welche Projekte handelt es sich?

Ein Großprojekt ist der Ausbau der Netze des Bundes. Ein weiteres Großprojekt ist der elektronische Personalausweis, der ja zum einen den Aspekt der Sicherheit hat, zum anderen aber auch den Aspekt der Verwaltungsmodernisierung, indem er nämlich dem Bürger erlauben wird, sich gegenüber Verwaltungsstellen zu identifizieren und auf diese Weise viele Dinge in der Verwaltung online zu erledigen.

Wie ist der aktuelle Stand beim elektronischen Personalausweis?

Wir bereiten das Gesetz vor, das für die Einführung des elektronischen Personalausweises erforderlich ist und treiben parallel die technischen Voraussetzungen voran. Nach unserer Planung sehen wir vor, Ende 2009, Anfang 2010 mit dem elektronischen Personalausweis in den Betrieb zu gehen.

Wie geht es bei der einheitlichen Behördenrufnummer 115 weiter?

Es liegt inzwischen ein Grobkonzept für dieses Projekt vor. Es gibt Modellregionen, die an der Pilotierung teilnehmen werden. Die Rufnummer ist gesichert und zugeteilt. Wir werden in diesem Jahr mit dem Testbetrieb in den Modellregionen beginnen.

Und wie sieht es bei anderen IT-Projekten aus, beispielsweise dem digitalen Polizeifunk? Das Gezerre um den digitalen Polizeifunk war ja schon eine IT-Panne für Deutschland.

Ich bin erst sechs Wochen im Amt. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu Großprojekten wie dem Polizeifunk oder auch der elektronischen Gesundheitskarte im Moment nicht detailliert äußern möchte. Mit diesen Projekten befassen sich meine Kollegen ja schon etliche Jahre. Die werden besser etwas dazu sagen können. Da muss ich jetzt nicht als Newcomer Noten abgeben.

Hessen hat ja schon länger einen CIO auf Landesebene. Konnte Harald Lemke Ihnen Tipps geben für das Amt des Bundes-CIO?

Wir haben uns zu vielen Fragen ausgetauscht. Und er hat mich auch auf die Schwierigkeiten, die dieses Amt mit sich bringt, hingewiesen.

Von welchen Schwierigkeiten hat er berichtet?

Die Verwaltung denkt in Zuständigkeiten und damit auch in Ressortzuständigkeiten. Das ist in Hessen nicht anders als im Bund. Die IT hingegen ist eine übergreifende Aufgabe, die sich von diesen Zuständigkeiten zum Teil lösen muss. Das ist ein Überzeugungsprozess. Zum Teil wird auch ein kultureller Wandel im Denken erforderlich sein. Ich glaube, das ist viel schwieriger umzusetzen als irgendwelche technischen Lösungen.

Bisher hat Deutschland beim E-Government nicht gut abgeschnitten. Eine aktuelle Studie von Capgemini sieht Deutschland auf Platz zehn von 31 untersuchten Ländern. Was sagen Sie zu dieser Platzierung?

In der Tat nehmen wir bei verschiedenen Rankings keinen Spitzenplatz ein, sondern - sagen wir mal - einen soliden Mittelplatz. Das kann uns auf Dauer nicht ausreichen. Die Kanzlerin hat auf dem letzten IT-Gipfel den Anspruch erhoben, im mittelfristigen Zeitraum unter die ersten Drei in Europa zu kommen. Das ist das Ziel, das uns gesteckt ist. Da werden sich alle Beteiligten sehr anstrengen müssen, um das zu erreichen.

Woran hat es denn in der Vergangenheit gehapert, dass Deutschland zum Beispiel beim E-Government noch nicht so vorangekommen ist wie andere Staaten?

Das hat sicher einmal daran gelegen, dass wir durch den Föderalismus andere Bedingungen haben als zentral organisierte Staaten. Der zweite Punkt ist, dass wir keine übergreifende Authentifizierungsmöglichkeit für elektronische Geschäftsprozesse hatten. Der elektronische Personalausweis wird das verbessern. Und außerdem ist es auch eine Darstellungsfrage.

Eine Darstellungsfrage?

Ich glaube, wir müssen in der Tat besser werden. Ich glaube aber auch, dass wir uns zum Teil ein Stück besser darstellen können. Das, was Deutschland auf den verschiedenen staatlichen Ebenen erreicht hat, könnten wir besser gemeinschaftlich präsentieren.

Wäre es nicht besser gewesen, wenn das Amt des Bundes-CIO schon früher eingeführt worden wäre? Österreich hat seit sieben Jahren einen Bundes-CIO und ist bei der E-Government-Studie auf Platz eins.

Das ist spekulativ. Der Bundes-CIO ist das Ergebnis des ersten IT-Gipfels. Da wurde der Auftrag erteilt, dieses Amt zu schaffen. Beim zweiten IT-Gipfel ein Jahr später war das Amt geschaffen. Das zeigt ja, dass wir unser Tempo erhöht haben und bei diesem erhöhten Tempo auch bleiben wollen.

Sie sind auch Ansprechpartner für die Wirtschaft. Sind regelmäßige Treffen geplant?

Der Kontakt mit der Wirtschaft wird sehr eng und vielfältig sein. Ich war zum Beispiel schon beim Bitkom-Präsidium. Und auch im Rahmen der Cebit werden sich viele Gespräche ergeben.

Gerade von der Seite der Wirtschaft wird kritisiert, dass Sie das Amt des Bundesbeauftragten für IT nicht in Vollzeit ausführen, sondern zusätzlich zu Ihrem Amt als Staatssekretär. Ist die Rolle des Bundes-CIO nicht eigentlich ein Fulltime-Job?

Für alle Aufgaben hätte man immer gerne mehr Zeit, das ist sicher richtig. Auf der anderen Seite ergeben sich im Zusammenhang mit den sonstigen Bereichen, die ich hier im Innenministerium verantworte, sicher Synergieeffekte.

Sie sehen also auch Vorteile des jetzigen Modells?

Ja, aus der einen Aufgabe zieht man Kenntnisse und Vorteile für die andere Aufgabe. Ich bin in meinem Amt als Innenstaatssekretär beispielsweise für den Datenschutz, die Modernisierung der Verwaltung und Grundsatzfragen des Personals zuständig. Da gibt es viele Querverbindungen, die auch für das Amt des IT-Beauftragten hilfreich sind und nutzbar gemacht werden können.

Könnte es sein, dass die Rolle des Bundes-CIO ein Fulltime-Job wird?

Das ist ja eine Frage nach dem Motto "Können Sie das ausschließen?"

Genau.

Die Philosophie, die der Entscheidung zugrunde liegt, ist, dass wir jetzt erst mal damit anfangen. Ohne noch länger zu warten, ob wir es vielleicht noch anders organisieren können. Und dann sehen wir, wie es sich entwickelt. Es kommt auf die Resultate an, die wir erzielen.

Der nächste IT-Gipfel findet im Dezember statt. Was wollen Sie zu diesem Zeitpunkt schon erreicht haben?

Wir planen, bis Ende des Jahres ein IT-Rahmenkonzept zu erstellen, das die Gesamtstrategie und -architektur im IT-Bereich des Bundes beschreibt. Und es wäre sicher gut, wenn wir bei den genannten Großprojekten einen deutlichen Schritt vorwärts gemacht hätten, also zum Beispiel absehbar wäre, wann wir den elektronischen Personalausweis einführen können. Die einheitliche Behördennummer 115 sollte zum Teil in Betrieb sein, die Entscheidungen für die Architektur der Netzinfrastruktur sollten getroffen und der Weg bis zu ihrer Umsetzung sollte festgelegt sein.