Capgemini IT-Trends 2010

CIOs vom eigenen Idealbild weit entfernt

24.02.2010 von Thomas Pelkmann
Wer die Industrialisierung der IT vorantreibt, hat bessere Chancen, die Informationstechnik nach der Krise auf Innovation zu trimmen. Das ist die Kernaussage der Capgemini-Umfrage "IT-Trends 2010". Bei der Definition ihrer eigenen Rolle liegen bei den CIOs zwischen Wunsch und Wirklichkeit allerdings Welten.

Wirtschaft und IT haben schwere Zeiten hinter sich: Das vergangene Jahr war für die CIOs aufgrund der weltweiten Finanzkrise durch sinkende IT-Budgets und steigenden Erfolgsdruck gekennzeichnet. Glaubt man der Capgemini-Umfrage "IT-Trends 2010", geht es in diesem Jahr wenigstens moderat aufwärts.

Erwarteten im vergangenen Jahr noch 40 Prozent der von Capgemini befragten IT-Leiter wegen der Krise Budget-Kürzungen, sind die Aussichten in diesem Jahr positiver: Für das Jahr 2010 rechnet lediglich ein Viertel der Umfrageteilnehmer noch mit sinkenden Budgets. Ein weiteres Drittel geht von "eher moderaten Kürzungen zwischen einem und fünf Prozent" aus.

Der Budget-Stress lasse damit aber nicht nach, warnt Capgemini: "Der Druck zu Einsparungen ist weiterhin hoch, denn auch die Erhöhungen spielen sich in diesem Jahr hauptsächlich im niedrigen einstelligen Bereich ab".

Für die meisten IT-Leiter gilt daher, was Karl-Erich Probst, CIO bei BMW, auf den Hamburger IT-Strategietagen gesagt hat: Mit der Krise umgehen heißt "die Realität akzeptieren." In den Augen der Management- und IT-Berater von Capgemini liest sich das so: "Die IT wird erwachsen".

Eine der besten Lehren aus der Krise ist der Umfrage zufolge die fortschreitende Industrialisierung und Standardisierung der IT. Für die Studie hat Capgemini Ende des vergangenen Jahres 133 CIOs und IT-Leiter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt.

So wird zum Beispiel Helmut Schütt, CIO bei Mercedes-Benz Cars & Vans, wie folgt zitiert: "Die Senkung der Eigenleistungstiefe in der Wartung und Weiterentwicklung der Applikationssysteme ermöglicht uns einerseits nachhaltige Effizienzgewinne, gibt uns jedoch andererseits die Chance, uns mit unseren Mitarbeitern mehr um das Business Process Management zu kümmern."

Eigenleistungstiefe drastisch reduziert

Im vergangenen Jahr haben Unternehmen der Capgemini-Umfrage zufolge ihre Eigenleistungstiefe "drastisch reduziert". Am häufigsten wurden demnach Pflege, Wartung und Betrieb der Anwendungen an externe Dienstleister vergeben. Die Fertigungstiefe der IT-Abteilungen in diesem Bereich sank im Durchschnitt um 16,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Beim Infrastrukturmanagement und in der Anwendungsentwicklung betrug die Outsourcing-Quote immer noch mehr als elf Prozent - mit ebenfalls steigender Tendenz.

Wenn der Trend dazu auch schon länger anhält: Der Hauptgrund, die Vorhaben jetzt zu beschleunigen, "war der hohe finanzielle Druck während der Finanzkrise".

Aber weil eine Krise ja bekanntlich immer auch Chancen bietet, scheint genau dieser Druck bei vielen Unternehmen nun die Möglichkeit zu eröffnen, an der Wettbewerbsfähigkeit der IT zu arbeiten.

Neben der möglichen Auslagerung ist auch das Thema Automatisierung dazu angetan, den bestehenden Kostendruck zu verringern. Zum einen zwinge Automatisierung zur Standardisierung, wie es in der Auswertung der Umfrage heißt. Zum anderen erhöhe sie die Effizienz und sorge für durchgängige Qualität.

Allerdings, so zeigt die Umfrage, bieten die Prozesse rund um die Client- sowie Server-Inbetriebnahme, Störfallbeseitigung, Service Order-Abwicklung, das Service Desk und die Einhaltung des Service Levels in vielen Unternehmen noch reichlich Verbesserungspotenzial.

Innovationsstau auflösen

Auf den Alltagsbetrieb der IT hat sich der Budgetdruck nur wenig negativ ausgewirkt. Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie keine Gefährdung des Tagesgeschäfts befürchten. Dagegen sorgt sich die Hälfte der CIOs in der aktuellen Situation um die Wettbewerbsfähigkeit der IT und damit des Gesamtunternehmens.

Tatsächlich gibt es in der Umfrage deutliche Anzeichen für einen Investitionsstau in den Unternehmen. Nach den Trends befragt, nannten die meisten IT-Leiter Themen wie Identity & Access Management, Master Data Management, Business Information Management und Data Quality Management. "Damit dominieren in diesem Jahr Projekte, die das Ziel haben, aus den bereits gesammelten Daten zusätzlichen Mehrwert für das Geschäft zu generieren", kommentiert Peter Lempp, Geschäftsführer von Capgemini Deutschland.

Allerdings klafft eine deutliche Lücke zwischen der erhobenen Rangfolge der Themen und der Zahl der tatsächlich in Angriff genommenen Projekte. Hier wird deutlich, woran in der Krise am meisten gespart wurde: an Innovationen.

Auffällig in der Befragung ist, dass die CIOs dem anderswo weit oben platzierten Thema Cloud Computing eine nur untergeordnete Bedeutung zumessen. Capgemini führt das auf die Diskussionen um die Sicherheit zurück: "Die Sicherheit nach wie vor ein großes Problem und scheint der Grund zu sein, warum IT-Leiter abwarten, obwohl sie das Thema für wichtig halten".

Die neue Rolle des IT-Leiters

Seit einigen Jahren schon gibt es intensive Diskussionen um die (neue) Rolle des CIOs: IT-Leiter sollen nicht nur die Technik verstehen, sondern - und vor allem - das Geschäft. Diese Umdeutung scheint zumindest in den Köpfen der befragten CIOs angekommen zu sein: "In den Augen der Teilnehmer sieht die ideale Rolle des IT-Leiters so aus, dass er in erster Linie als Business Partner fungiert und an zweiter Stelle dafür sorgt, dass das Tagesgeschäft abgewickelt wird", heißt es in der Studie.

Tatsächlich aber, so Capgemini weiter, fungierten die meisten IT-Leiter heute in erster Linie als Dienstleister und Vermittler zwischen Fachabteilung und IT. "Von der Rolle als Business Partner sind viele noch weit entfernt, obwohl sie sich selbst zum Ziel gesetzt haben, in Zukunft mehr zu geschäftlichen Entscheidungen beizutragen."

Am entsprechenden Know-how der IT scheint das nicht zu liegen; 26 Prozent der Befragten bezeichnen ihre Kenntnisse der Geschäftstätigkeit als sehr gut, 48 Prozent immer noch als gut.

Da spielt eher schon das in den Augen der IT-Leiter "mangelnde Verständnis der Geschäftsleitungen" eine Rolle: Lediglich ein Viertel bescheinigt seinem Management ein sehr gutes oder gutes technisches Verständnis, die durchschnittliche Bewertung erreicht auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6 lediglich eine 3,5.

Für die Sache ist es unerheblich, ob das so stimmt oder nicht. "Zur Rolle desBusiness Partners gehört es auch, komplexe technische Zusammenhänge so darzustellen, dass auch fachfremde Führungskräfte in die Lage versetzt werden, fundierte Entscheidungen zu treffen", postuliert Capgemini. Allerdings stellten die Marktforscher erstaunt fest, dass diese Aufgabe offenbar "nicht zu den Steckenpferden der IT-Leiter gehört". Auch die Optimierung von Geschäftsprozessen zählt wohl nicht dazu; sie wurde bislang hauptsächlich von den Fachabteilungen getrieben.

Den Teilnehmern der Studie, räumt Capgemini ein, scheine aber klar zu sein, dass sie sich diesem Gebiet intensiver widmen müssen, anstatt nur zwischen den Fachanwendern und der IT zu vermitteln.

Und so bietet sich der heranwachsenden IT in einem zunehmend industrialisierten, standardisierten und automatisierten Umfeld die Chance, "drastische Veränderungen durchzusetzen, die unter normalen Umständen eventuell Jahre in Anspruch genommen hätten".

CIOs als Business-Partner

Die CIOs sind dazu bereit: "Jetzt scheint vielen IT-Leitern klar zu sein, dass dieRolle als Business Partner viele Facetten beinhaltet, die alle wichtig sind: Vom Dienstleister über den technischen Innovator bis zum Optimierer von Geschäftsprozessen."