Sourcing-Markt

Cloud Sourcing hat sich etabliert

17.08.2017 von Christoph Lixenfeld
Outsourcing-Auftraggeber haben immer mehr Möglichkeiten, sich individuell mit den gesuchten Services zu versorgen. Das erhöht den Druck auf die Anbieter, verlangt aber auch vom Nachfrager gute Marktkenntnis und eine detaillierte Planung.
  • Branchen-Know-how reicht als Alleinstellungsmerkmal für Anbieter nicht mehr aus.
  • Beim Cloud Sourcing ist es immer unwichtiger, wo ein Service gehostet wird.
  • Unternehmen sollten ihr Sourcing professionalisieren, um vertraglichen Leistungen kontrollieren zu können.
Unternehmen müssen den optimalen Sourcing-Mix aus vielen hochspezialisierten Anbietern und Angeboten finden.
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Outsourcing-Deals sind in den zurückliegenden Jahren immer vielschichtiger und komplexer geworden. Grund genug, das Thema im Rahmen der diesjährigen Studie "Sourcing 2017" so umfangreich wie noch nie abzubilden. Inhaltlicher Schwerpunkt war dabei Cloud Sourcing. Erste Erkenntnis dabei: Je größer der Umsatz und/oder die Mitarbeiterzahl, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Unternehmen Cloud-Lösungen nutzt.

Nach Ansicht von Christian Gfüllner, Director Partner Team Unit Enterprise and Partner Group (EPG) Microsoft Deutschland GmbH, dient Cloud Sourcing heute vor allem dazu, "Innovationen im Fachbereich mit kosteneffizientem Rechenzentrumsbetrieb zu kombinieren und dadurch die Digitalisierung von Unternehmen voranzutreiben. Auf uns kommen in letzter Zeit immer mehr Unternehmen zu, die große Teile ihrer Datacenter-Infrastrukturen jetzt in die Cloud migrieren wollen, um damit auf der einen Seite eine höhere Flexibilisierung zu erreichen und auf der anderen Seite signifikante Kosteneinsparungspotentiale zu heben."

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Jakob Rehäuser von der Ardour Consulting Group sieht dabei vor allem einen Trend zu Public Cloud Services. "Gerade mittelständische Unternehmen fremdeln aber bisher noch bei diesem Thema. Aber mit der zunehmenden Verbreitung von Cloud-Service-Angeboten, die in Deutschland gehostet und/oder von deutschen Unternehmen betrieben werden, legen die Unternehmen ihre Zurückhaltung ab und bringen immer mehr Anwendungen in die Cloud. Die Preise der Angebote und deren Anbieter sollten dabei mit einem Cloud-Benchmarking-Tool anhand kundenindividueller Präferenzprofile differenziert und bewertet werden."

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Software-as-a-Service schon heute sehr beliebt

Die mit Abstand am häufigsten genutzte Art des Cloud Sourcing, so ein weiteres Ergebnis der Studie, ist Software-as-a-Service (SaaS), das bereits 57,6 Prozent der befragten Unternehmen einsetzen. An zweiter Stelle rangiert mit 34,7 Prozent Infrastructure- (IaaS) und an dritter Platform-as-a-Service (PaaS). Wobei letzteres sogar zur Nummer zwei wird, wenn man die Zahlen für "bereits jetzt Nutzung" und "Nutzung geplant" addiert.

In diesem Zusammenhang sei es für Unternehmen von Vorteil, "auf einen Anbieter zu setzen, der individuell die optimalen Cloud-Pakete mit verschiedensten Ausprägungen wie IaaS, PaaS oder SaaS zusammenstellen kann", meint Khaled Chaar, Managing Director Business Strategy bei Pironet. "Beim Outsourcing steigt die Nachfrage nach Multi-Cloud-Strukturen, die das Beste aus Private und Public Cloud miteinander verbinden."

Unternehmen können mehrere Anbieter koordinieren

Die Zufriedenheit mit Outsourcing-Projekt ist insgesamt - genau wie vor einem Jahr - sehr hoch. Das gilt sowohl bei der Betrachtung der verschiedenen Regionen als auch bei der von Outsourcing-Arten. Hier macht Full-IT-Outsourcing die Beteiligten am glücklichsten. Zwei Drittel der Befragten (66,7 Prozent) zeigen sich damit "sehr zufrieden" oder "zufrieden".

Den Grund dafür sieht Patrick Potters, CEO bei Capgemini Cloud Infrastructure Services Central Europe, in der Reife des Marktes für solche Dienstleistungen in Deutschland: "Die Unternehmen sind heute in der Lage, mehrere Sourcing-Partner zu koordinieren und damit ihre individuellen Bedürfnisse optimal abzudecken. Für die Anbieter bedeutet dies unter anderem kürzere Vertragslaufzeiten, geringere Auftragsvolumina und einen erhöhten Preis- und Wettbewerbsdruck."

Ganz ähnlich sieht die Situation Michael Eberhardt, Vice President and General Manager North and Central Europe bei DXC Technology: "Branchen-Know-how, das viele Dienstleister in den Mittelpunkt stellen, reicht heute als Differenzierungsmerkmal nicht mehr aus. Die neuen Kernkompetenzen sind Methoden und Prozesse für Innovation, Inkubation, Restrukturierung und Change Management. Erst dann können IT-Dienstleister ihre Kunden bei der Innovation der Geschäftsmodelle unterstützen - von der Ideenentwicklung über die Pilotierung und den Test bis zum Betrieb."

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Regularien, Datenschutz und Compliance werden wichtiger

Bezüglich der Outsourcing-Regionen ist die Zufriedenheit beim Onshoring am höchsten, wobei auch Offshoring selten unglücklich macht. Wenn es hier Probleme gibt, dann bei der Kommunikation. Aus Sicht von Branimir Brodnik, Geschäftsführender Gesellschafter bei der microfin Unternehmensberatung GmbH, spielt es heute technisch auch fast keine Rolle mehr, "von wo aus ein Service erbracht oder wo er gehostet wird. Allerdings werden zukünftig Regularien, Datenschutz- und Compliance-Anforderungen die Auswahl von Cloud-Services und des damit einhergehenden Shoring-Modells viel stärker beeinflussen als technische und kommerzielle Aspekte. Nicht alles, was technisch geht, ist auch zulässig."

Consulting und Softwareentwicklung im Mittelpunkt

Von externen Experten kaufen Unternehmen erwartungsgemäß vor allem Beratungs- und Entwicklungsleistungen, beide Punkte nannte in der Studie mehr als die Hälfte der Befragten. Einfacher Grund: Consulting macht (meistens) nur durch Externe Sinn. Und in der Softwareentwicklung ist es zu teuer oder nicht zielführend, alle benötigten Kapazitäten dauerhaft selbst vorzuhalten.

Abgesehen von diesen beiden Punkten spiegelt die Art des Bedarfs an Externen recht gut die Antworten auf die Frage wieder, welche ITler Unternehmen gerne noch engagieren würden - wenn sie sie fänden. Auf den ersten vier Plätzen liegen Projektmanager, Security-, Netzwerk- und IT-Architektur-Spezialisten. Aber auch die meisten anderen Skills sind nachgefragt. Lediglich 19,2 Prozent der Befragten sagen, sie hätten keine Probleme, geeignete IT-Fachkräfte zu finden.

Zehn unentbehrliche IT-Skills
1. Kommunikation
Von vielen als "weicher " Faktor belächelt, sollte die Fähigkeit, mit anderen Menschen verbal zu interagieren, auch im "harten" IT-Geschäft nicht vernachlässigt werden. Die Welt im Datenzentrum verändert sich noch rascher als anderswo. Hier eine strukturierte Umgebung aufrechtzuerhalten erfordert Kommunikation - nicht nur mit dem Business, sondern auch innerhalb der IT-Organisation.
2. Service-Management
Viele Unternehmen beziehen bereits Teile ihrer IT-Services aus der Cloud. Diese Auslagerung verlangt von den IT-Verantwortlichen ein Umdenken in Sachen Service-Management. Sie müssen das komplexe Zusammenspiel von Kapazität und Nachfrage in einer nicht länger fest umrissenen Infrastruktur im Griff haben.
3. Unified Computing
Das "Unified Computing System" von Cisco, die "Blade System Matrix" von HP und die Cloud-Computing-Strategie von IBM stehen laut Rockwell Bonecutter, Data-Center-Experte bei Accenture, beispielhaft für einen Trend, der auch noch die kommenden Jahre kennzeichnen werde.
4. Projekt-Management
Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, werden die Unternehmen auch ihre verschobenen IT-Projekte in Angriff nehmen. Aber sie werden darauf achten, dass sich die Investitionen am Ende auch auszahlen. Deshalb sind die Fähigkeiten zur Business-Analyse und zum effizienten Projekt-Management gefragt.
5. Ressourcen-Management
In einen Zusammenhang mit dem Thema Green IT gehört die Beherrschung der Wechselwirkungen zwischen IT- und Facilities-Management. Keine Kapazitätsplanung kommt heute ohne eine Betrachtung des Energieverbrauchs und der Wärmeabstrahlung aus. IT-Teams brauchen also dringend jemanden, der diese Faktoren auf dem Schirm hat und in der Lage ist, dieselbe Sprache wie die Facilities-Experten zu sprechen, also einen "Ressourcen-Manager". Auch der Data-Center-Chef selbst darf diese Aspekte nicht aus den Augen verlieren.
6. Engineering
Die Leute, die heute am verweifeltsten gesucht werden, sind, so Pricewaterhouse-Coopers, Mechanik- und Elektro-Ingenieure, die sich mit modernem IT-Equipment auskennen. Heutige Rechenzentrumskonzepte, beispielsweise virtualisierte Server, unterscheiden sich auch hinsichtlich der Elektrik und Kühlsysteme fundamental von denen der vergangenen Jahre.
7. Netzwerk-Know-how
Wenn ein Rechenzentrum ohne Menschen vor Ort auskommt (die Stichworte heißen hier "lights out" und "remote"), dann nur, weil es über ein Netz gesteuert wird. Folgerichtig braucht ein IT-Manager moderner Prägung ein solides Wissen hinsichtlich Netzkonfigurationen, - hardware, und -schwachstellen. Zudem sollte er Mitarbeiter einstellen, die über solches Know-how verfügen.
8. Finanzanalyse
Gerade in einer Wirtschaftskrise wird von einem IT-Verantwortlichen wirtschaftliches Denken verlangt. Er muss beispielsweise in der Lage sein, die Applikationen nach ihrer Bedeutung für das Business zu priorisieren und auf dieser Basis zu entscheiden, welche Lösung einen eigenen Server benötigt und welche beispielsweise in die Cloud ausgelagert werden kann.
9. Green IT
Mögen manche auch die Augen verdrehen - kein Unternehmen kommt an dem Mandat für eine "nachhaltige" Technologie vorbei.
10. Virtualisierung
Die Basistechnik für eine moderne IT-Infrastruktur ist eine Trumpfkarte für den, der sich mit ihr auskennt. Die Unternehmen packen immer mehr IT-Komponenten in flexible, leicht zu wartende und günstig zu betreibende, sprich: virtualisierte Umgebungen.

Insgesamt zeige die Studie, "dass der mit Outsourcing einhergehende Innovationsschub und die Flexibilität, die kurzfristig verfügbare Arbeitskräfte bringen, für Unternehmen heute unverzichtbar sind", analysiert Ulfert Rotermund, Geschäftsführer Allgeier Experts Services. Was aber auch sichtbar werde: "Die Vielfalt der Projekte erhöht die Anforderungen an externe Dienstleister zur Deckung der unterschiedlichen Bedarfe und stellt gerade IT- und Personaldienstleister vor immer größere Herausforderungen."

Die Zukunft: Cloud und Offshoring gewinnen

Wagen wir auf Basis der Studienergebnisse eine Zukunftsprognose, lässt sich zunächst vorhersagen, dass Outsourcing in nächsten fünf Jahren weiter deutlich zunehmen dürfte. Ferner wird Offshoring immer beliebter werden und über alle Themen hinweg wachsen. Besonders groß sollte der Anstieg bei Finance/Accounting und im Bereich Application Maintenance ausfallen. Hier wollen jeweils fünfzig Prozent mehr Unternehmen als heute Dienstleister aus fernen Ländern in Anspruch nehmen.

Betrachten wir dabei die Beliebtheit der unterschiedlichen Bereiche, dann fällt auf, dass sich die Präferenzen nicht allzu sehr verändern. Infrastruktur bleibt auch in Zukunft ein beliebtes Outsourcing-Thema, in fünf Jahren allerdings sollen Anwendungsentwicklung und -betrieb ebenso oft ausgelagert werden - glauben die Teilnehmer der Studie.

Die Antwort auf die Frage nach zukünftigen Strategien ist vielschichtiger. Full-IT-Outsourcing praktizieren heute lediglich 13,2 Prozent der Befragten, in fünf Jahren wollen sogar nur 11,9 Prozent diesen Weg gehen. Dieser Trend ist insofern bemerkenswert, als diese Art des Outsourcings - wie gesagt - ihre Nutzer bisher am glücklichsten macht.

Der Beliebtheitsgrad von Teil-Outsourcing bleibt ähnlich wie heute, allerdings wird innerhalb dieser Kategorie selektives ("in einigen Teilen") Auslagern zunehmen und umfangreicheres ("zu großen Teilen") abnehmen.

Ziele dürfen nicht im Wolkenkuckucksheim verschwinden

Auch deshalb bleibe die reibungslose Abstimmung mit externen Dienstleistern ein wichtiges Erfolgskriterium - egal ob klassisches oder Cloud-Outsourcing, sagt Thomas Karg, Geschäftsführer des Münchener Benchmarking- und Beratungsunternehmens Maturity. "Gerade das komplexe Zusammenspiel mit mehreren Best-of-Breed-Lieferanten macht es erforderlich, dass Unternehmen ihr Sourcing professionalisieren, um alle vertraglichen Leistungen abstimmen, beauftragen und kontrollieren zu können. Auch in der Cloud stellt die Retained-Organisation sicher, dass die Ziele des Auftraggebers nicht im Wolkenkuckucksheim verschwinden."

Insgesamt setzen alle Befragten große Hoffnungen auf Cloud-Sourcing, auf das Beziehen von IT-Services aus dem Netz. Heute nehmen 22,3 Prozent der Unternehmen solche Dienste in Anspruch, in fünf Jahren werden es nach eigener Einschätzung 39,9 Prozent sein.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass diese Hoffnungen berechtigt sind. Dazu Jörg Thamm, Head of IT-Strategy and Target Operating Model bei der Managementberatung Horváth & Partners: "Der Sourcing-Markt ist erwachsen geworden. Dies bedeutet, dass die Sourcing-Möglichkeiten heute deutlich differenzierter, kleinteiliger und einfacher zu integrieren sind. Die größten Herausforderungen für den Auftraggeber dabei: den optimalen Sourcing-Mix aus vielen hochspezialisierten Anbietern und Angeboten finden und nach erfolgtem Outsourcing das erfolgreiche Zusammenspiel zwischen interner IT und dem externem Umfeld orchestrieren."

Die Studie "Sourcing 2017" können Sie als PDF-Download beziehen.

Informationen zur Studie

Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner

Studienpartner

Platin-Partner: Allgeier Experts SE, DXC Technology, Microsoft Deutschland GmbH

Gold-Partner: Ardour Consulting Group GmbH, Horváth & Partner GmbH

Silber-Partner: Capgemini Outsourcing Services GmbH, Maturity GmbH, Microfin Unternehmensberatung GmbH, Pironet Datacenter AG & Co. KG

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-C-H-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich

Gesamtstichprobe: 729 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Methode: Online-Umfrage (CAWI)