Analysten-Kolumne

Converged Service Delivery: Die nächste Stufe der Konvergenz

23.08.2006 von Pascal Matzke und Thomas Mendel
Die Konvergenz von Sprache und Daten ist bisher keine Erfolgsgeschichte. Der Grund: Die Diskussion wurde überwiegend von den Herstellern mittels der von ihnen definierten Themen getrieben. Die meisten im Markt verfügbaren Lösungen sind aber hinsichtlich ihrer technischen Anpassbarkeit limitiert und sie spiegeln nicht unbedingt die Wünsche der Anwender wider. Konvergenz ist eben mehr als der Aufbau von isolierten IP-basierten Kommunikationslösungen.

Viele Führungskräfte in Unternehmen sind frustriert, weil interne IT-Organisationen nicht in der Lage sind, einen Gesamtüberblick über die IT- und Telekommunikationsfunktionalitäten zu geben. So äußerte ein Manager einer europäischen Krankenversicherung gegenüber Forrester Research: "Ich kann keinen umfassenden und konsolidierten Überblick über unsere IT- und Telekommunikations(ITK-)-Aufwendungen bekommen. Ich muss zu mehr als zehn unterschiedlichen Abteilungen gehen, um annähernd eine Ahnung zu haben. Das Bild ist dann aber immer noch unvollständig."

Unternehmen haben keinen Überblick

Insbesondere große Konzerne leiden unter heterogene Strukturen, lokalen Lösungen und Ad-hoc-Services. "Wir haben ernsthafte Probleme, wenn wir einen globalen Überblick über die IT- und Telekommunikationsservices erhalten wollen. Egal wohin ich schaue: In jedem Land und sogar in jeder Filiale werden die Dinge anders gehandhabt", so ein Produktions-Manager eines global aktiven Fertigungsunternehmen. Auch sind Servicequalität und Kosten kaum zu messen oder zu vergleichen.

Ein Verantwortlicher eines weltweiten Handelskonzern beschrieb seine Situation gegenüber Forrester Research wie folgt: "Ich habe keine Möglichkeit, vorhandene Services miteinander zu vergleichen. Die IT kann mir noch nicht einmal eine umfassende Beschreibung der Services geben, die sie mir anbietet." Das steht im Widerspruch zu den Zielen der geschäftlichen Management-Ebene. Diese versucht zunehmend, einen umfassenden Überblick über die IT- und Telekommunikationsservices zu erhalten, um prüfen zu können, wie diese Services das Geschäft beeinflussen. Das ist elementar, wenn Führungskräfte ihr Business veränderten Gegebenheiten anpassen wollen.

Anbieter hinken hinterher

Die Anbieterlandschaft ist genauso zersplittert wie die internen Technologieabteilungen. Daher finden Unternehmen keine echte Unterstützung bei dem Versuch, eine operative Vereinheitlichung und Kostentransparenz zu erzielen. Zudem mangelt es den Anbietern an weltweiter Reichweite. Wenn Unternehmen wachsen und sich globaler aufstellen, dann sehen sich die meisten Dienstleister außerstande, diesen Schritt mitzugehen. An abgelegenen Standorten umfassende Services zur Verfügung zu stellen, ist selbst für große Anbieter wie IBM, EDS, HP und CSC eine Herausforderung. Der CIO eines großen europäischen Herstellers beschrieb die Situation wie folgt: "So gerne ich mit meinem internationalem Outsourcer auch zusammenarbeite, so bin ich dennoch gezwungen, an manchen Standorten mit lokalen Subunternehmen zusammen zu arbeiten. Diese sind meist aber nicht in der Lage, die gewünschten Qualitätsstandards zu erfüllen."

Business-Scenario unterstreicht Dringlichkeit

Das integrierte und übergreifende Services immer wichtiger werden, zeigt das Beispiel eines global agierenden Finanzdienstleisters, der folgendes Szenario gegenüber Forrester Research offen gelegt hat: Das Unternehmen sieht sich der Herausforderung gegenüber, seinen Multichannel-Vertrieb und die Nutzung verschiedener Kommunikationsgeräte zusammen zu führen. Weltweit verstreute Vertriebsmitarbeiter nutzen PCs, PDAs und Handys. Unabhängig von ihrem Standort benötigen sie den Zugriff auf eine Sales Force Automation (SFA)-Anwendung und das Firmenintranet. Ein Teil dieser Funktionalitäten muss zudem Mitarbeitern auch über das Handy, Geschäftspartnern über das Extranet sowie für Kunden und Interessenten über das Internet zur Verfügung stehen.

Gleichzeitig benötigt das Management einen 360-Grad-Überblick über sämtliche Kundenkontakte aller Vertriebskanäle. Diese Informationen werden für die Entwicklung globaler Kampagnen und des Multichannel-Management benötigt. Die IT-Organisation muss daher den schnellen Zugriff auf alle komplexen Informationen gewährleisten. Daher erwartet das Unternehmen in der Zukunft auch einen Wechsel zu Echtzeitfunktionalitäten in der Zukunft. Einer der Verantwortlichen äußerte: "Unser Geschäft ist in den vergangenen Jahren globaler geworden. Wir können es uns daher nicht länger leisten, nur einen partiellen Blick auf das Geschäft oder unsere Kunden zu haben. Konsequenterweise benötigen wir eine Konsolidierung unserer Datenquellen. Außerdem sind global garantierte End-To-End-Servicegrade hinsichtlich aller Kommunikationskanäle und Applikationen erforderlich. Dies muss unter Businessgesichtspunkten erfolgen".

Converged Service Delivery erfüllt die Geschäftsanforderungen

Nach Jahren unerfüllter Herstellerversprechen können inzwischen Monitoring- und Management-Werkzeuge sowie Prozesse integrierte, auf Geschäftsfaktoren basierende Reports erstellen. Zunehmend wachsen IT und Telekommunikationsservices auch zusammen und ermöglichen eine umfassende Prozessperspektive. Ein globales End-to-end-Management rückt in greifbare Nähe. Zudem wird aufgrund der Standardisierung die Auswahl der Services nach dem Plug-and-play-Ansatz möglich. Dieses neue Modell nennt Forrester Research Converged Service Delivery. Darunter ist folgendes zu verstehen:

Converged Service Delivery ist die globale Bereitstellung von IT- und Telekommunikationsservices über schlüssige sowie transparente Mechanismen, die dabei helfen, darunter liegende Ressourcen End-To-End zu verwalten und dies unabhängig vom Ort.

Aufgrund der Converged Service Delivery werden Dienste ungeachtet der Lokation und der Zeitzone nutzbar. Dies wird auch unabhängig von der Art der Kommunikation - ob Daten, Sprache oder Video - möglich sein. Zudem werden die Services als standardisierte Komponenten oder Bausteine eingesetzt, was zu einer wachsenden Unabhängigkeit von den Providern führt. IT-Abteilungen werden als Service-Broker auf diese Komponenten zugreifen, diese nutzen und intern zur Verfügung stellen. Die Dienste werden zudem über Service Level Agreements mit dem Geschäftserfolg verbunden. Außerdem werden Servicekosten und Preise aufgrund von Benchmarking und globalem Wettbewerb transparenter.

Erhebliche Veränderungen für Nutzer, IT-Abteilungen und Dienstleister

Aufgrund der Converged Service Delivery werden Endnutzer in der Lage sein, neue Transparenz- und Effizienzlevel zu erreichen. Durch eine Servicesstandardisierung und die Nutzung von Komponenten werden mehrfachnutzbare Servicepakete die Norm. Damit können Unternehmen Angebote besser miteinander vergleichen. Zudem können zukünftig Services nahtlos End-To-End zur Verfügung gestellt werden - vom Datencenter über das Netzwerk zum internen oder externen Nutzer. Unternehmen erhalten durch Converged Service Delivery erstmals die Möglichkeit, Dienste global auf einem einheitlichen Level zur Verfügung zu stellen.

Diese für die Unternehmen positiven Aspekte haben aber für die IT-Abteilungen und Dienstleister weniger erfreuliche Auswirkungen. Die Preise werden schnell sinken, weil Anbieter gezwungen sein werden, Skaleneffekte und weltweite Kostenunterschiede an ihre Kunden weiterzugeben. Zudem wird es einen sehr harten globalen Wettbewerb geben, wenn Dienstleister und IT-Abteilungen sich einer größeren Zahl potentieller Wettbewerber mit immer vergleichbareren Angeboten gegenüber sehen. Jene, die Converged Service Delivery nicht schnell adaptieren können, werden sich daher schnell ihrem Ende gegenüber sehen. IT-Abteilungen werden outgesourced, Dienstleister werden geschluckt und nur die fittesten werden überleben. Bereits jetzt gehen Unternehmen dazu über, ihr Portfolio an externen Service-Partnern zu konsolidieren.

Veränderungen werden eintreten - die Frage ist nur wann

Business-Manager sollten sich der Möglichkeit bewusst werden, dass sie neue Technologien und Standards zur Erreichung konkreter Geschäftsziele einsetzen können. Auch für Dienstleister bietet die Entwicklung eine große Chance. Sie haben die Möglichkeit, sich in einem zunehmend einheitlichen und vergleichbaren Markt zu positionieren. Dies ist aber nur mit strategischen Partnerschaften mit anderen Technologieanbietern oder internen Service-Brokern möglich. So können sie dem richtigen Service auch den richtigen Kunden anbieten.

IT-Abteilungen müssen allerdings aufpassen, dass sie nicht die großen Verlierer werden: Sie sollten sich vergegenwärtigen, dass sie Converged Service Delivery adaptieren müssen oder das ansonsten ihre Zeit abgelaufen ist. Sie werden sich zukünftig nicht mehr hinter dem Mangel an Standards oder Technologien verstecken können. Alle Parteien müssen sich klar machen, dass der Trend irreversibel zur Converged Service Delivery gehen wird, wenn Unternehmen ihre kulturellen Hürden und das zwischen IT-Abteilung und Geschäftsbereich herrschende Misstrauen überwinden.

Dr. Thomas Mendel ist Vice President und Research Director und Pascal Matzke Principal Analyst bei Forrester Research.