Anwender-Strategie

Das bescheidene Ziel: Industrie-Benchmark werden

19.08.2009 von Jasmin  Eichler
Ende 2008 formulierte der Energieversorger sein Projektziel: Industrie-Benchmark für Prozess- sowie IT-Harmonisierung und IT-Kosteneffizienz werden. Wie es dabei vorging, schildert Beraterin Jasmin Eichler von Roland Berger.
Jasmin Eichler ist Beraterin im Kompetenzzentrum InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.

Dezentrale Organisationsstrukturen und heterogene Geschäftsprozesse führen oft zu IT-Kosten, die weit über dem Durchschnitt der jeweiligen Branche liegen. Gleichzeitig steigen Kosten- und Effizienzdruck auf die IT ständig. Aufgabe des CIOs ist es, diese gegenläufigen Entwicklungen zu vereinen: Er ist dafür verantwortlich, dass einerseits die IT den immer spezifischeren Anforderungen der jeweiligen Branche gerecht wird und gleichzeitig einen Beitrag zu Kostensenkungen leistet.

Dass das gelingen kann, zeigt ein europäischer Energieversorger: Wegen seines Ursprungs als Staatsbetrieb und des schnellen anorganischen Wachstums in den letzten Jahren waren Strukturen und Prozesse historisch gewachsen und stark dezentral. Das Unternehmen hatte mehr als fünf Ländergesellschaften und deckte die gesamte Wertschöpfungskette selbst ab: von der Erzeugung über den Handel, von der Verteilung über das Netz und den Vertrieb.

Die IT hatte, wie in der Energiebranche üblich, eine reine "Enabler-" und Support-Funktion. Daraus resultierte eine komplexe IT-Landschaft mit mehreren separaten Systemen für dieselbe Geschäftsfunktion. Die IT-Kosten lagen mit 3,5 bis 4 Prozent deutlich über dem Industriedurchschnitt von etwa zwei Prozent des Umsatzes.

Der Energieversorger initiierte Ende 2008 ein Projekt, um seine IT-Funktionen effizienter aufzustellen. Das formulierte Ziel war, Industrie-Benchmark für Prozess- sowie IT-Harmonisierung und IT-Kosteneffizienz zu werden. Dafür vereinheitlichte das Unternehmen die Prozesse zwischen den Geschäftseinheiten und Ländergesellschaften, eliminierte überlappende und redundante Systeme und schuf so Synergien.

Das Projekt bestand aus vier Abschnitten: Zunächst wurden die Geschäftsfunktionen entlang der Wertschöpfungskette erhoben und vereinheitlicht dargestellt. Das Resultat war - erstmals - Transparenz über die Prozesse in allen Einheiten. Danach wurden für jede Geschäftsfunktion die IT-Anwendungen mitsamt deren Kosten ermittelt. Daraus ergab sich eine vollständige Übersicht über die IT-Landschaft jeder Ländergesellschaft und die jeweiligen IT-Kostentreiber. Ein Vergleich von Prozess- und IT-Landschaften zwischen den Gesellschaften bot schließlich Hinweise auf Einsparpotenziale beziehungsweise Möglichkeiten, die komplexen Strukturen zu harmonisieren.

IT-Landschaft vereinfacht – IT-Strukturen optimiert

Die Resultate der ersten Phase wiesen zum Beispiel darauf hin, wie eine zentralisierte Maschinenwartung für alle Landesgesellschaften und die Zentralisierung des Einkaufsprozesses für Standardequipment aussehen könnte und wie diese konkret umgesetzt werden müsste. Was die IT betrifft, stellten sich drei Kategorien von Synergiepotenzialen heraus: Eine Vereinfachung der IT-Landschaft, eine stärkere pan-europäische Zusammenarbeit sowie optimierte IT-Strukturen.

Potenziale in der IT.

Die Analyse hatte gezeigt, dass die heterogene IT-Landschaft kaum integrierte Systeme über die Grenzen der Ländergesellschaften hinaus erlaubte. Beispielsweise hatte jede der fünf Ländergesellschaften eine eigene SAP ERP Version. Unter Berücksichtigung regulatorischer Anforderungen in einigen Ländern gelang es immerhin, die Zahl von fünf auf nur noch ein konzernweites ERP zu reduzieren. Zusätzlich waren allein in Deutschland sechs verschiede CRM-Lösungen im Einsatz. Durch die Optimierung sank diese Zahl auf zwei.

Auch im Bereich IT-Unterstützung zeigte die Untersuchung mehrere Verbesserungsmöglichkeiten. Unter anderem wurde der Wissensaustausch bei Großprojekten zum Beispiel im SAP-Umfeld zwischen den Ländergesellschaften ausgebaut.

Außerdem entstand ein konzernweites Kompetenzzentrum für SAP Customizing im Nearshoring-Bereich. Darüber hinaus wurde eine internationale IT-Projektmanagement-Plattform installiert, um die internationalen Kapazitäten besser koordinieren zu können.

Die internen IT-Strukturen wurden ebenfalls konzernweit harmonisiert. Um den Anforderungen in Zukunft optimal und möglichst effizient gerecht zu werden, begann das Unternehmen damit, auch die Fachbereichs-IT zu zentralisieren und eine zentrale IT-Leistungserstellung mit länderspezifischen Einheiten in Angriff zu nehmen.

Die Erfolgsfaktoren des IT-Projekts

Erfolgsfaktoren für Harmonisierungsprojekte.

Der wichtigste Faktor für den Erfolg war in dem beschriebenen Fall die enge Zusammenarbeit zwischen den Geschäftseinheiten und der IT. Geschäftsprozesse können nur in Abstimmung mit den betroffenen Fachbereichen geändert werden. Das Management unterstützte den Harmonisierungsprozess vorbehaltlos und schuf so die Voraussetzung für den Erfolg.

Entscheidend war außerdem eine klare und regelmäßige Kommunikation über die Projektziele und Stand ihrer Umsetzung während des gesamten Projekts. Dafür setzte das Unternehmen eine zentrale Prozess- und IT-Governance sowie eine Anforderungssteuerung für zukünftige Prozessänderungen und Systemanpassungen ein.

So blieb es nicht bei einmaligen Maßnahmen, sondern die umgesetzte Optimierung konnte auch langfristig und nachhaltig Wirkung entfalten. Dadurch stellte das Unternehmen langfristig sicher, dass der gesamte Konzern immer die effizienteste Lösung anwendet. Jeder einzelne Fachbereich definiert dabei seine Prozessanforderungen selbst. Diese werden dann zentral gebündelt, bewertet und eventuell im gesamten Unternehmen umgesetzt.

Die Analyse der Prozesse und IT-Landschaft ist eine Aufgabe, die mehrere Schritte erfordert. Workshops zur Abstimmung und Nachbesserung sind nötig, um bei der Analyse des Ist-Zustands ein abgestimmtes Ergebnis zu erhalten. Um den Projektfortschritt jederzeit überprüfen zu können, sind klar definierte Meilensteine nötig.

IT-Prozesse und IT-Systeme international vereinheitlicht

Dem Energieversorgungsunternehmen ist es so gelungen, Prozesse und IT-Systeme über Ländergrenzen hinweg zu vereinheitlichen. In weiteren Schritten soll nun die gesamte internationale Zusammenarbeit verbessert werden. Der erste Schritt war eine harmonisierte IT-Landschaft. Das zu Beginn definierte Ziel besteht unverändert fort – Industrie-Benchmark.

Jasmin Eichler ist Beraterin im Kompetenzzentrum InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.