Medientage München

Das Internet verdrängt nicht das Fernsehen

22.10.2014
Das Fernsehen wird immer schlechter, meinen manche, die aufwuchsen, als es nur drei Programme gab. Doch die Experten bei den Medientagen München sehen das ganz anders: Die zunehmende Online-Konkurrenz führt zu mehr Qualität. Für Zeitungen bleibt Google aber ein Problem.

Das Fernsehen verschmilzt nach Ansicht des ARD-Vorsitzenden Lutz Marmor langsamer mit dem Internet als gedacht. "Die kurzfristige Entwicklung wird teilweise grob überschätzt", sagte der Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR) am Mittwoch zu Beginn der Medientage München. Für die TV-Sender bedeute das: "Nicht nur, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, sondern auch wer zu früh kommt. Denn das kostet dann auch enorm Geld."

Trotz vieler Internetkanäle und Video-Plattformen sei das Fernsehen weiter gewachsen, sagte Marmor beim neu geschaffenen Fernsehgipfel der Medientage. Dieser ersetzte die frühere "Elefantenrunde" mit Vertretern aller Mediengattungen. Moderator Klaas Heufer-Umlauf sorgte für frischen Wind und immer wieder für Lacher im Publikum.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von ProSiebenSat.1, Wolfgang Link, stimmte Marmor zu: "Die großen Shows werden immer noch zusammen geguckt. (..) Man verabredet sich noch zum Topmodel-Schauen." Live-Fernsehen werde wichtiger werden. "Die Menschen sehnen sich nach einer gewissen Gemeinsamkeit." Das Internet ermögliche aber viele Zusatzangebote, die das TV-Programm ergänzen: "Wir nutzen das als perfektes Pingpongspiel", sagte Link.

Viktor Worms, von 1988 bis 2001 ZDF-Unterhaltungschef, machte allerdings die starke Internetkonkurrenz für den Niedergang des einstigen Show-Flaggschiffs "Wetten, dass.?" verantwortlich: "Im Netz läuft so viel Skurriles und Verrücktes, das die Leute lieber gucken - damit hat "Wetten, dass.?" ein echtes Problem."

Die wachsende Konkurrenz durch Bewegtbilder im Internet sieht der Produzent Nico Hofmann als Ansporn: "Je mehr das Angebot wächst, desto dezidierter wählen die Zuschauer nach Qualität aus." Drehbücher online den Zuschauern zur Abstimmung zu stellen, bevor ein Film überhaupt gedreht werde, sei der falsche Weg. "Die größten Programmerfolge, die wir hatten, sind alle gegen heftigste Widerstände entstanden."

Dies mache auch die Magie des Mediums aus, meinte Gary Davey vom Bezahlsender Sky. Die Zuschauer wüssten nämlich selber nicht, was sie sehen wollen - "bis sie es sehen".

Bis Freitag diskutiert die deutsche Medienbranche in München über die Lage und Aussichten von Sendern, Online-Medien und Zeitungen. Die Medientage stehen unter dem Motto "Kein Spaziergang - Wege zur digitalen Selbstverständlichkeit".

Telekom-Chef Timotheus Höttges warnte vor wachsenden Monopolen von Internetriesen wie Apple und Amazon: "Internetmärkte sind globale "The-Winner-takes-it-all-Märkte. Und das ist eine Gefahr." Er ergänzte: "Die Internetgiganten häufen immense Vermögen an, und zwar außerhalb Europas. Sie lassen die Wirtschaft schrumpfen."

Höttges warf Apple und Amazon vor, den Transport der Inhalte in andere Systeme zu erschweren. Die europäischen Anbieter sollten sich gemeinsam dagegen stellen, forderte Höttges: "Offene Plattformen sind die Antwort auf die großen Internetmonopole, die entstanden sind." Um Google & Co. etwas entgegensetzen zu können, müsse auch das Kartellrecht überdacht werden.

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, dämpfte die Hoffnungen deutscher Verleger auf Lizenzzahlungen von Google: "Es lässt sich nur schwer aus dem Leistungsschutzgesetz ableiten, dass Google die Verlagsinhalte mehr zu nutzen hat und dafür Geld zahlen muss."

Google hatte jüngst das Bundeskartellamt ersucht, den Streit mit einigen deutschen Verlagen um das Leistungsschutzrecht abschließend zu klären. Dabei geht es um die Frage, ob Google seine Marktstellung missbraucht, wenn es Suchergebnisse aus bestimmten Verlagen nur verkürzt darstellt, die Geld von Google für die "Snippets" verlangen. Vom 23. Oktober an sollen von Angeboten wie bild.de oder waz.de bei Google-Suchanfragen nur noch Überschriften zu sehen sein.

Nach Ansicht der Chefredakteurin des "Münchner Merkur", Bettina Bäumlisberger, verschwinden aktuelle Nachrichten immer mehr aus der gedruckten Zeitung. "Ich werde im Printbereich sicher wegkommen vom Nachrichtenjournalismus", sagte Bäumlisberger. "Wir müssen eigentlich die Geschichte hinter der Nachricht erzählen. Dahin müssen wir kommen im Printjournalismus, wenn er Bestand haben soll." Die Nachricht gehöre dagegen ins Radio, Fernsehen und Internet. (dpa/rs)