Zulieferer geben Gas

Der Kampf ums Lenkrad

04.07.2005 von Klaus Manhart
Im MDAX gibt es keine Autohersteller, sondern nur zwei Zulieferer. Diese müssen der IT-Richtung ihrer Kunden folgen und zugleich die Herstellung von immer komplexeren Produkten im eigenen Haus steuern.

"Time to market" - die Zeitspanne zwischen dem Auftrag und der Auslieferung ist in der Automobilindustrie so geschäftskritisch wie in keiner anderen Branche. Die Effizienz der Supply-Chain ist dabei das entscheidende Kriterium. Dabei geben die Hersteller immer engere Vorgaben an die Zulieferer: "Die Verlagerung von Wertschöpfungsaktivitäten bildet sich zunehmend in den IT-Systemen der Zulieferer ab", sagt Andreas Schlosser, Leiter des Automotive-Bereichs bei Capgemini Deutschland. "Die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern wird mit Produkt-Lebenszyklus-Management und Collaborative Engineering verbessert."

Da in der Automobilindustrie Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Lieferungen üblich sind, müssen die produzierten Güter lückenlos abrufbar sein. Die IT-Systeme haben hierfür ständig verfügbar zu sein. Beim Nürnberger Zulieferer Leoni AG gehört die permanente Optimierung des IT-Umfeldes deshalb zum Kern der IT-Strategie. Störungen wie Systemausfälle oder Datenverluste könnten die Lieferfähigkeit gefährden, die Produktion bei den Kunden vorübergehend lahm legen und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen.

Um die hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, hat Leoni 2004 ein zweites, redundantes Rechenzentrum als Notfallrechenzentrum in Betrieb genommen. Das zentrale EDV-Rechenzentrum wurde bereits 2002 erneuert. Ein IT-Sicherheitsbeauftragter sorgt zudem auf der Grundlage einer konzernweit verbindlichen Sicherheitspolitik dafür, dass die Regelungen und Vorschriften eingehalten und die Sicherheitssysteme fortlaufend verbessert werden. Für den Capgemini-Analysten Schlosser verändert sich derzeit auch das Geschäftsmodell der Zulieferer: "Viele ehemalige Komponenten-Lieferanten entwickeln sich zu System-Lieferanten." Leoni liefert für die Automobilindustrie nicht nur Drähte und Kabel, sondern komplette Bordnetz-Systeme mit integrierter Elektronik. Die Ludwigsburger Beru AG, einer der führenden Anbieter von Glühkerzen für Dieselmotoren, engagiert sich neuerdings bei elektronischen Komplettlösungen für die Fahrzeugindustrie.

Komplexe Produkte erfordern komplexe IT

Auch diese Transformation im Business-Modell muss auf IT-Seite abgebildet werden. Mit der Folge, dass die Zulieferer vor neuen Herausforderungen stehen. "Es gibt ganz neue Prozesse im Unternehmen, die man bis dahin nicht gekannt hat", so Schlosser. "Dazu müssen entsprechende IT-Systeme eingeführt werden, die die IT-Landschaften immer heterogener machen."

Das Problem heterogener IT wird durch Akquisitionen, Zukäufe und Neugründungen in Osteuropa verschärft. Viele Zulieferer sind dadurch in den letzten Jahren gewachsen. Leoni hat allein in den Jahren 2002 und 2003 in der Ukraine, Polen, Rumänien, der Slovakei und China mehrere Werke für Draht-, Kabel- und Bordnetzsysteme in Betrieb genommen.

"Es gibt ein deutliches Bestreben, die heterogenen IT-Landschaften, die dadurch entstanden sind, zu harmonisieren", sagt Schlosser. Ganz auf einheitliche IT-Lösungen setzt Beru für seine internationalen Produktions- und Distributionsstandorte, darunter Deutschland, Frankreich, Irland, USA und Mexiko. "Wir sind zentral ausgerichtet", sagt Andre Rothfuß, ITLeiter bei Beru und IT-Gesamtverantwortlicher der Beru-Gruppe. "Alle wesentlichen IT-Services und -Applikationen werden für die Beru-Gruppe zentral zur Verfügung gestellt - und zwar möglichst weltweit."

Bei den deutschen Automobilzulieferern wird hierbei auf Standardsoftware wie SAP gesetzt. Bei SAP ERP, der wichtigsten Beru-Anwendung, vereinheitlichen beispielsweise Templates die Prozesse in den einzelnen Standorten. So gibt es nur eine SAP-Instanz für die ganze Beru-Welt.