IT-Manager wetten

Der Quantensprung in der Logistik

09.03.2017 von Dr. Sebastian Saxe
Dr. Sebastian Saxe, CDO, CIO und Leiter Services bei der Hamburg Port Authority (HPA), wettet, dass in fünf Jahren die Kosten für Betrieb und Wartung komplexer technischer Infrastrukturen mit Hilfe von Sensortechnik und Predictive Maintenance signifikant zurückgegangen sein werden.
Dr. Sebastian Saxe, CDO, CIO und Leiter Services bei der Hamburg Port Authority (HPA) A. ö. R.

Die Digitalisierung wird in den bevorstehenden fünf Jahren für Umwälzungen in vielen Bereichen sorgen. Das gilt auch für die Logistik, den Betrieb und die Wartung von Verkehrsinfrastrukturen, die Verkehrsplanung auf Wasser, Schiene und Straße sowie den Tourismus. Zum Tragen kommen dabei die Potenziale von Virtual und Augmented Reality, Sensorik, des Internets der Dinge, von Smart Grids, In- und Outdoor-Navigation und Big Data. Innovationstreiber in diesen Bereichen sind Cluster wie der Hamburger Hafen, profitieren werden davon alle Akteure.

Double Capacity, Same Space

Der Hamburger Hafen muss digital werden - aus offensichtlichen Gründen: Seine verfügbare Fläche ist durch die politischen und geografischen Grenzen des Stadtstaats eng begrenzt, dennoch muss die Kapazität ausgebaut werden, um im Wettbewerb, vor allem mit Rotterdam und Antwerpen, mithalten zu können. Das

Motto: Double Capacity, Same Space. Der Weg dahin, niedergelegt im 2015 auf der Welthafen­konferenz IAPH öffentlich vorgestellten smart­-

PORT-Konzept, ist die digitale Transformation von Produktions- und Serviceprozessen, Verkehrs- und Warenströmen und Geschäftsmodellen.

Das Konzept steht auf zwei Säulen: Logistik und Energie. Bei der Umsetzung logistischer Funktionen geht es um die Vernetzung und zentrale Steuerung von Diensten und Funktionen unterschiedlicher Anbieter sowohl aus dem

öffentlichen wie auch dem privatwirtschaftlichen Bereich. Auch die Infrastruktur im Hafen - Brücken, Schleusen, Weichen, Straßenbaustellen und alle ihre Komponenten - werden zunehmend mit Sensoren ausgestattet, so dass sie

zen­tral überwacht und mit höherer Sicherheit und Effizienz betrieben werden können. Und im Energiebereich wird ein steigender Anteil der benötigten Energie emissionsfrei mit Windkraft und Solaranlagen produziert und den Verbrauchern im Hafen und darüber hinaus in einem Smart Grid zur Verfügung gestellt.

Bereits seit den 90er Jahren wird der Schiffsverkehr im Hafen zentral dargestellt und überwacht: Welches Schiff mit welcher Ladung ist auf welchem Weg wohin unterwegs? Noch ist das ein isoliertes Bild nur eines Verkehrsträgers. Aber eine für die Zukunft essenzielle Verkehrsleitzentrale, das Port Traffic Center (PTC), wird Echtzeitbilder von Schiene, Straße und Wasser liefern, so dass sich alle Verkehrsbewegungen im Hafen auch in ihren gegenseitigen Abhängigkeiten überwachen und steuern lassen.

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Jeder nicht gefahrene Kilometer ist ein ökonomisches und ökologisches Plus, jede eingesparte Minute Wartezeit bei der Abfertigung verkürzt die Time to Market. Das gilt nicht nur im Bereich von Häfen, sondern generell in der Transportlogistik: Jede Spedition, jedes Güterverkehrszentrum und jede Station in der Lieferkette profitiert von ihrer möglichst präzisen Planung und flexiblen Steuerung.

Digitale Verkehrsplanung

Beispiele sind Nadelöhre wie die Hamburger Kattwykbrücke, die immer nur entweder von einem Schiff, einem Zug oder von Straßenfahrzeugen passiert werden kann. Mit digitaler Verkehrslenkung werden hier LKW-Fahrer beizeiten - über Apps, auf LED-Leuchtschildern oder per Info-Layer auf ihren Navigationsgeräten - informiert, wann und wie lange die Klapp­brücke wegen Schiffsdurchfahrten gesperrt ist beziehungsweise sein wird. Auf dieser Basis lässt sich dann entscheiden, ob es sinnvoll ist, zu warten oder einen Umweg über eine andere Flussquerung zu nehmen.

Verkehrsbewegungen aller Art werden durch Satelliten- und Positionierungstechnik künftig effizienter, störungsärmer und schneller als je zuvor sein. Das ist von existenzieller Bedeutung, denn im Vordergrund aller Verkehrsplanungs-Aktivitäten steht die Frage, wie Waren - Container oder Stückgut - am schnellsten weitergeleitet und wie dabei die Übergänge zwischen Wasser, Schiene und Straße optimal gestaltet werden.

Tags für das Internet of Things

Noch ist das etwa im Hamburger Hafen ausgesprochen herausfordernd, weil zum Beispiel Container, die gelöscht, aber nicht sofort umgeladen werden, in den Terminals oft zwischengelagert, registriert und vor dem Weitertransport ausfindig gemacht werden müssen. Für einen Quantensprung in der gesamten Transportlogistik wird hier das Internet of Things sorgen: Mit Tags ausgestattete Container lassen sich erheblich schneller auffinden und weiterverladen.

Zur Beschleunigung des Containerumschlags wird mittelfristig auch das Konzept des Pre-Port Parking beitragen, dessen Prinzip nicht nur im Hafen und nicht nur in Hamburg, sondern in allen Bereichen mit hohem Transportaufkommen und begrenzter Verkehrsfläche an Bedeutung gewinnen wird. An autobahnnahen Güterverkehrszentren und Autohöfen außerhalb des Hafens werden Warteparkplätze eingerichtet, auf denen Fernlaster in getrennten Spuren für jedes Ziel-Terminal zusammengestellt werden und warten, bis es dort einen freien Slot für sie gibt.

Wenn etwa Abholer am Terminal ankommen, stehen ihre Container dort schon bereit. Das beschleunigt den Umschlag, minimiert den Güterverkehr im Hafen, reduziert den Bedarf an Verkehrsfläche und senkt die Schadstoffemissionen. Durch eine effiziente Terminal-übergreifende Abfertigungsplanung verkürzt es zudem die Gesamt-Standzeiten der Fernlaster und nützt so den Spediteuren und ihren Kunden.

Für die strategische Verkehrsplanung reicht es aber nicht aus, auf vorhandene Situationen zu reagieren. Vielmehr wird es für alle Teilnehmer an der Lieferkette immer wichtiger, künftige Szenarien abzubilden, und zwar mit Hilfe von Big Data und Simulationen. Das geschieht in Hamburg durch eine Reihe von Forschungsprojekten, die die HPA in Zusammenarbeit mit Hamburger Hochschulen und dem Hasso-Plattner-Institut betreibt. Dabei werden zum einen reale Bewegungsdaten ausgewertet, die von einer Vielzahl von Sensoren an allen Containern und Fahrzeugen geliefert werden. Zum anderen jedoch werden verschiedene, immer wieder neue Szenarien umfangreich simuliert, um herauszufinden, wie sich Schiffs-, Bahn- und Straßenverkehr optimal gestalten lassen, ökonomisch wie ökologisch.

Sensoren liefern Echtzeitdaten

Reibungsfreie Verkehrs- und Logistikplanung ermöglicht neue Geschäftsmodelle und bessere Prozessabläufe. Eine intelligente, dadurch zuverlässige und kostengünstig zu betreibende In­frastruktur schafft dafür die Grundlagen. Diese Infrastruktur wird künftig mit Sensoren ausgestattet sein, die Wartungs- und Betriebszustände in Echtzeit melden. Im Hamburger Hafen verfügen einige Weichenanlagen und flexibel verwendbare Baustellenbaken bereits über solche Intelligenz, so dass Maßnahmen zur Wartung und Reparatur am aktuellen Bedarf ausgerichtet werden können.

In Zukunft werden alle Infrastrukturelemente - Brücken, Schienen, Schleusen und Straßen - und ihre Komponenten über Sensornetzwerke von zentralen Leitständen aus überwacht werden können. Das ermöglicht ein Plus an Sicherheit, aber auch Kostenersparnisse durch "Predictive Maintenance": Betriebssicherheit ergibt sich nicht mehr aus einer planerischen Reserve, sondern aus präziser, aktueller Kenntnis, wie lange ein Bauteil noch sicher funktionieren kann; erst am Ende dieses Zeitraums wird es ausgetauscht. Zu den Voraussetzungen für erfolgreiche Predictive Maintenance zählt im Übrigen auch die Beherrschung von Big-Data-Technologien, um den Output der vielen Sensoren auswerten zu können.

Augmented Reality kommt

Im Hamburger Hafen werden die Kosten der Infrastrukturwartung im Hafen dadurch erheblich sinken, obwohl Straßen, Schienen und Brücken künftig aus immer mehr Komponenten bestehen. Funktionsstörungen durch technisches Versagen werden gleichzeitig so gut wie gar nicht mehr vorkommen.

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Neben der Sensortechnik gewinnen auch die Möglichkeiten der Augmented Reality an Bedeutung für die Infrastruktur-Maintenance: Mit Hilfe von 3D-Videos, die per Augmented-Reality-Brillen ins Realbild eingespiegelt werden, können eigene Kräfte Reparaturen schneller und kostengünstiger selbst vornehmen, als wenn sie auf hochspezialisierte, teure Mechaniker der Komponentenhersteller warten müssten - und das bei gleicher Sicherheit und Qualität der Arbeit.

Der riesige Bedarf an elektrischer Energie in Infrastruktur-Clustern macht es in Zukunft essenziell, eine zentrale Übersicht zu schaffen, um ökonomische und ökologische Sparpotenziale zu identifizieren. Digitale Technologie sorgt auch hier dafür, dass Energieverbräuche durch Verbrauchsplanung und intelligente Zwischenspeicherlösungen gesenkt werden und der ökologische Footprint erheblich günstiger ausfällt. So können auf Konsumentenseite Verbräuche prognostiziert und Einsparmöglichkeiten identifiziert werden.

Im Hamburger Hafen werden etwa am Con­tainer-Terminal Altenwerder im Rahmen eines Forschungsprojekts Batterien von Container-Transportfahrzeugen mit Ökostrom-Spitzen aufgeladen; der CO2-Ausstoß pro derart abgefertigten Container hat sich damit bereits halbiert. Und, ein weiteres Beispiel, bei der Hafenbahn werden die telematischen Systeme digitalisiert mit dem Ziel, über das Zentralsystem "Transport Rail Basic" zeitkritische Rangierfahrten in Zeitfenster zu verschieben, in denen ein Stromüberschuss zur Verfügung steht, und so die Energie-kosten erheblich zu senken.

Ein umfassendes Hafen- und Stadterlebnis für Touristen und Einwohner, eine "Seatropolis" in Anlehnung an die "Aerotropolis" in Amsterdam-Schiphol: Das ist die Vision für den Hamburger Hafen. Und sie beruht im Weitere Wetten finden Sie im CIO-Jahrbuch 2017. Jahrbuch 2017 - Neue Prognosen zur Zukunft der IT IDG Business Media GmbH 2016, 223 Seiten, 39,90 Euro PDF-Download 34,99 Euro“ zum CIO-ShopWesentlichen auf digitalen Techniken. Erste Schritte zu ihrer Umsetzung wird man schon sehr bald sehen,

etwa ein unterbrechungsfreies, leistungsfähiges Funknetz im Hafen- und Citybereich, zum Beispiel ein WLAN - die Abschaffung der Störerhaftung macht das möglich -, sichere und transparente bargeldlose Online-Zahlmöglichkeiten per Smartphone oder schlüsselloses Ein- und Aus-Checken im Hotel.

Touristen digital begleiten

Aber das touristische Erlebnis an Destinationen weltweit wird in naher Zukunft darüber hinausgehen. Smartphone, Smartwatch oder Smartglasses werden Touristen navigieren, die sich ungeführt am Urlaubsort und in der Umgebung bewegen möchten, ob zu Fuß, mit Bus und Bahn oder mit Leihfahrzeugen. Das Szenario für Hamburg: Sobald ein Schiff sich dem Hafen nähert, wird den Reisenden automatisch eine -

natürlich vielsprachige - Hamburg-App zum Download über bordeigene App Stores angeboten. Ziele und Zwischenziele lassen sich so bereits eingeben, bevor die Fahrt beginnt. Besuchern ohne Ortskenntnis stellt die App anhand persönlicher Vorlieben - Kultur, Natur, Shopping, Wellness etc. - eine Route zusammen und nimmt dabei sogar Rücksicht auf das Wetter.

Denkbar auch dieser Service für vorsichtige Naturen: Sie führen einen Peilsender mit sich, der ständig ihre Position meldet. Drohen sie zum Beispiel die Abreise per Flugzeug, Schiff oder Bahn oder sonst einen gebuchten Termin an Bord zu verpassen, erhalten sie einen Alarm oder werden auf Wunsch sogar von dort abgeholt, wo sie sich gerade befinden.

Indoor-Navigation mit Beacons

Die Navigationsfunktionen werden sich im Übrigen nicht mehr lange auf die übliche Satellitenortung beschränken: Indoor-Navigation auf der Basis von Beacons mit Near Field Communication (NFC), die mit immer mehr handelsüblichen mobilen Endgeräten funktioniert, leitet Reisende auch innerhalb von Gebäuden, zum Beispiel in Shopping-Malls, exakt ans Ziel. Diese Technik dürfte sich - außer als komfortabler Service für Touristen - auch als Umsatztreiber für den Einzelhandel erweisen.

In Consumer-Märkten wie dem Tourismus lässt sich zwar nicht vorhersagen, welche Techniken zuerst zum massenhaften Einsatz kommen. Breitere Planungsgrundlagen gibt es in Logistik, Verkehrsplanung und Energie-Management. In allen Anwendungsbereichen digitaler Technik gilt jedoch: Ihr Potenzial ist derart groß und offensichtlich, dass die Transformation unausweichlich ist. Aber auch die technischen, organisatorischen und rechtlichen Herausforderungen sind so groß, dass man immer wieder mit Verzögerungen in Digitalisierungsprojekten rechnen muss.

Ich freue mich auf Ihr Feedback!

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