Erfahrungen von CIOs

Deutsche CIOs werden im Ausland geschätzt

03.01.2018 von Sabine Thiemann  
Deutschsprachige CIOs werden auch im Ausland nachgefragt. Welche Erfahrungen machen sie? Und ist der Einsatz in nichtdeutschen Konzernen sinnvoll für die Karriere?
  • Geschätzt an deutschen Kollegen wird ihre fundierte Ausbildung und starke Prozessorientierung.
  • Deutsche CIOs in ausländischen Unternehmen tendieren dazu, die Herausforderung am Anfang zu unterschätzen.
  • CIO Dirk Altgassen rät: „Wer in einem internationalen Unternehmen arbeitet, muss eine hohe Bereitschaft zur Adaption mitbringen, selbstkritisch sein und permanent Feedback einholen.“
  • Ein Tipp der Auslandsprofis: Deutsche CIOs sollten sich ein kleines Netzwerk an CIO-Kollegen in ihrem jeweiligen Einsatzland aufbauen.
  • Wer als CIO im Ausland Karriere gemacht hat, gehört unbedingt auf den Radar anspruchsvoller Unternehmen.
CIOs aus Deutschland sind im Ausland gefragt.
Foto: OPOLJA - shutterstock.com

Immer häufiger greifen Unternehmen im Ausland auf deutschsprachige CIOs zurück. Ich würde es nicht als Megatrend bezeichnen, aber ihre zunehmende Zahl in jüngerer Zeit sticht ins Auge. Nur einige Beispiele: Michael Gorriz ist Group CIO der britischen Standard Chartered Bank in Singapur, der Schweizer Patrick Naef bekleidet diese Position bei der Fluglinie Emirates in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Michael Nilles ist CDO bei der Schindler Group in der Schweiz und Dirk Altgassen CIO bei Etex Information Technology in Belgien. Diese CIOs stehen pars pro toto einer neuen Wanderlust, die auch IT-Manager erfasst hat.

Fundierte Ausbildung und starke Prozessorientierung

Bei ihren ausländischen Arbeitgebern sorgen die deutschen CIOs für mehr Diversity, eine andere Perspektive und neue Impulse. Geschätzt an den deutschen Kollegen wird insbesondere ihre fundierte Ausbildung und starke Prozessorientierung. Sie sind in der Lage, Strukturen aufzubauen, wo vorher möglicherweise eher ein "kreativer" Umgang gepflegt wurde. Von den guten deutschen Ingenieurstugenden profitieren also die Firmen, die sich deutsche CIOs geangelt haben.

Wenn man mit CIOs spricht, die für nichtdeutsche Firmen tätig sind, wird aber auch klar: Die Auswanderer ihrerseits verfügen über eine steile Lernkurve. Sie profitieren von der ungewohnten Situation und der Kommunikation in fremder Sprache und im Rahmen einer anderen Kultur genauso wie das neue Unternehmen von ihren Fähigkeiten.

Herausforderung wird anfangs gern unterschätzt

Deutsche CIOs in ausländischen Unternehmen tendieren dazu, die Herausforderung am Anfang zu unterschätzen. Die Einstellung "wird schon werden" und "so anders kann das doch nicht sein" herrscht vor. Doch das erweist sich schnell als Irrtum. Wer mit zu viel Arroganz und Naivität den neuen Job angeht, wird rasch geerdet.

Es ist hart, 24/7 nur in Englisch oder einer anderen Fremdsprache zu kommunizieren, und ganz ohne deutschsprachige Kollegen auskommen zu müssen, mit denen man sich einmal so richtig aussprechen kann. Es entstehen leicht Missverständnisse, die andere Kommunikationsweise und Kultur muss man erst adaptieren ohne gleich zu Anfang zu viel Porzellan zu zerschlagen.

Erfahrungen von CIO Dirk Altgassen in Belgien

Selbst im nahen Belgien ist die Arbeitskultur unterschiedlich, berichtet Dirk Altgassen. Auf persönliche Beziehungen wird viel mehr Wert gelegt. Man muss bei Kollegen direkt nachhaken, nur über E-Mail zu kommunizieren reicht nicht, das persönliche Gespräch am Telefon oder vis a vis zählt.

Er rät: "Wer in einem internationalen Unternehmen arbeitet, muss eine hohe Bereitschaft zur Adaption mitbringen, selbstkritisch sein und permanent Feedback einholen. Auch Verhaltensweisen wie Sensibilität und Empathie helfen." Diese gerne auch Soft Skills genannten Eigenschaften betonen auch anderen CIOs im Ausland: Egogehabe ist kontraproduktiv, besser ist eine gute Portion Bescheidenheit.

CIOs im Ausland
Als Führungskraft ins Ausland
Die Bereitschaft, für die Karriere ins Ausland zu wechseln, ist in Deutschland weniger ausgeprägt als im weltweiten Durchschnitt. So gaben in einer Studie des Büro-Dienstleisters Regus nur 25 Prozent der deutschen Befragten an, sie wären heute eher wechselbereit als vor zehn Jahren - weltweit waren es 44 Prozent. Wie CIOs mit Heimweh umgehen, erfahren Sie auf den kommenden Seiten.
Matthias Moritz, Almirall
Für Almirall wechselte Matthias Moritz von Bayer Healthcare als Business Technology Corporate Director nach Barcelona.
Über sein Leben an der spanischen Mittelmeerküste sagt er:
"Vollkornbrot, Lakritz, Wurst, all das gibt es in der Metropole Barcelona natürlich. Was einem wirklich fehlt, ist in bestimmten Momenten der Besuch eines Freundes oder der Familie. Was einem definitiv hier nicht fehlt, ist ein Schneeschieber oder Handschuhe."
Sein Tipp an Ausreisewillige:
"Achtet auf bewusste Integration. Man muss nicht im deutschen Umfeld leben, es ist viel nützlicher, sich den Landesgegebenheiten anzupassen. Das wird in Deutschland auch erwartet, und ist in Spanien sicher nicht anders. Dazu gehört natürlich die Landessprache."
Gottfried Egger, Dräxlmaier
Der Österreicher Gottfried Egger arbeitet als CIO für den Automobilzulieferer Dräxlmaier im bayerischen Vilsbiburg.
Seine Erfahrung:
"Erstens: Man wird zu Beginn etwas belächelt und daher meistens unterschätzt. Zweitens: Diesen Überraschungsmoment, wenn es dann doch klappt, muss man unbedingt nützen, um auch ein paar grundlegende Veränderungen einzuleiten."
Weiter sagt er:
"Ich habe in meinen mehr als acht Jahren in Deutschland gelernt, dass man auch die letzte Meile zu seinem Ziel gehen muss und erst dann wirklich das Ziel erreicht hat. In Österreich ist man mit einer 95%-Lösung bereits mehr als zufrieden. Ich vermisse in Deutschland die Leichtigkeit, auch einmal Fünfe gerade sein zu lassen. Aus dem kulinarischen Aspekt fehlt mir natürlich ein richtiges Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat und einem steirischen Bier." Eggers Tipp: "Keine Angst, die CIOs im Ausland arbeiten auch nur mit Bits und Bytes."
Peter Meyerhans, Drees und Sommer
Der Schweizer Peter Meyerhans hat die CIO-Position bei Drees und Sommer in Stuttgart übernommen.
Er sagt:
"Ich vermisse erstens den einfachen, unkomplizierten und direkten Dialog, den ich von zu Hause gewohnt bin. Zweitens vermisse ich den tiefen Einkommenssteuersatz der Schweiz. Drittens Agrarprodukte aus der Nähe - ich wollte deutsche Äpfel kaufen, finde aber nur welche aus Neuseeland und Australien. Das mag auf dem Land anders sein, aber hier in der Stadt bekomme ich tatsächlich keine deutschen Äpfel! Und viertens vermisse ich die Schneeberge."
Sein Schlusswort an ausreisewillige CIOs lautet:
"Nur Mut, das klappt schon! Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit der gleichen Sympathie und Herzlichkeit aufgenommen werden, die ich in Deutschland erfahre."
Hans van Melick, GEA Group AG
Für die GEA Group AG in Düsseldorf arbeitet der Niederländer Hans van Melick als CIO.
Er sagt:
"What I miss most in doing Business is the more informal way of communication. The German habit of 'Sie und Du' and the rules of when one is allowed someone else 'zu Dutzen' makes communication unnecessary complex. From a personal perspective I am missing the proximity of the sea, as I was used to go there after just a short drive."
On the other side:
"I like a number of other German 'characteristics' such as their structured way of working and the lack of speed limitations on many highways." Wechselwilligen CIOs gibt er einige ganz handfeste Ratschläge mit - sie scheinen sich auch auf deutsche Konsumgewohnheiten zu beziehen.
My advise to other foreign CIOs:
"respect the local habits, make your commitments happen and learn to drink high volumes of beer."
Andreas König, Prosiebensat1
Der Österreicher Andreas König ist CIO bei Prosiebensat1 in München.
Seine Erfahrung:
"Bayern und Österreich liegen für mich nicht nur geographisch und kulinarisch sehr nahe beieinander - mein Heimweh hält sich also in Grenzen, seit wir in München leben. Obwohl das Kulturangebot in München zwar auch toll ist, muss ich aber schon sagen, dass mir die Wiener Staatsoper und der Musikverein doch ein wenig fehlen."
Und weiter:
"Ich kann CIO-Kollegen beim Jobantritt im Ausland nur empfehlen, sich schnell und offenherzig auf die lokale Kultur einzulassen - sowohl im Büro als auch privat. Die persönliche Note profitiert ja auch von der mitgebrachten "Exotik" - sogar wenn es nur "ein bisserl Falco" im Akzent sein sollte."
Cyrille Négaret, apetito catering
Der Franzose Cyrille Négaret ist CIO bei apetito catering.
Er sagt:
"Am meisten vermisse ich natürlich meine Familie und Freunde. Allerdings ist es heute mit unseren modernen Kommunikationsmitteln leicht, auch auf Entfernung in Kontakt zu bleiben. Facebook nutzt heute sogar meine Mutter, um mit mir zu chatten."
Weiter sagt er:
"Auch das typisch französische Essen vermisse ich - zum Beispiel Cassoulet (Bohneneintopf mit Entenfett) oder Galettes (Buchweizenpfannkuchen). Aber im Betriebsrestaurant meines deutschen Arbeitgebers apetito catering, einem internationalen Caterer, finde ich natürlich andere ausgezeichnete Gerichte. Typisch deutsche Klassiker, wie Currywurst, Grünkohl oder Spargel esse ich sehr gerne."
Zwei Tipps hätte ich für CIOs, die im Ausland arbeiten:
Es gibt zahlreiche Vereine in Deutschland, die beispielsweise viel mit Frankreich zu tun haben. Dort können Sie Landsleute treffen und Kontakte pflegen. Vernetzung im Business ist ein weiterer Aspekt. Ich bin einer der Außenhandelsräte Frankreichs und stehe in engem Kontakt mit der französischen Botschaft in Berlin. Ziel unserer Organisation ist es, junge Franzosen beim Einstieg ins deutsche Berufsleben zu unterstützen.
Patrick Naef, Emirates Group
Ins ferne Dubai zog es den Schweizer Patrick Naef, er arbeitet als CIO der Emirates Group. Den Kulturwandel erlebt er so: "Was mir in Dubai fehlt, ist die Professionalität, die wir aus Deutschland oder der Schweiz her kennen. Wenn man einen Klempner oder Elektriker in Haus bestellt, um ein Problem zu lösen, dann ist man sich gewohnt, dass jemand kommt, der ausgebildet ist, weiß, wovon er redet und entsprechend vorbereitet und ausgerüstet ist."
Und weiter:
"Ruft man hier einen Handwerker, kommen gleich vier oder fünf Inder ins Haus. Einer ist der Supervisor, typischerweise der Einzige, der etwas Englisch spricht, einer ist der Fahrer und die anderen sind meist die eigentlichen Handwerker. Keiner scheint jedoch sein Handwerk wirklich zu verstehen, geschweige denn das Problem oder wie man es lösen könnte. Werkzeuge, Ersatzteile etc. habe sie schon gar keine dabei und es wird dann einfach improvisiert. Alte Elektrokabel werde kurz mit etwas Klebeband wieder zu "neuen Kabeln" verbunden, die dann wieder verwendet werden. Wasserrohre, die leck sind, werden notdürftig wieder zugepflastert und alles ähnelt jeweils mehr einem Gebastel als professioneller Arbeit. Genauigkeit ist nicht wichtig, stimmt das gebohrte Loch nicht, wird die Schraube trotzdem reingewürgt, auch wenn danach alle schief ist. Was zuhause mit einem gut ausgebildeten Handwerker eine Stunde dauert, dauert hier mit einem Tema von 5 Leuten einen ganzen Tag. Und wenn man vor dem Abendgebet nicht mit der Arbeit fertig wird, dann geht man einfach, lässt alles offen liegen und kommt am nächsten Tag (wenn man Glück hat) oder aber auch erst ein paar Tage später wieder um weiterzumachen. Diese Kultur treffe ich leider oft auch in meinem Job als CIO an und in dieser Kultur einen zuverlässigen und qualitative hochstehenden IT Service anbieten zu können, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, ist eine grosse Herausforderung und alles andere als einfach."
Er sagt:
"Was mir interessanterweise hier in Dubai fehlt, ist eine gute Schweizer Bratwurst. In Dubai bekommt man fast alles, sodass man nur auf weniges verzichten muss. Ein Waldspaziergang und die gute frische Waldluft geniesse ich jeweils, wenn ich mal wieder in der Schweiz bin. Die Familie vermisst die Verwandtschaft, unsere Tochter vor allem die Oma. Freunde? Ja, anfangs vermisst man die Freunde, aber mit den wirklichen Freunden bleibt man auch auf Distanz in kontakt. So trennt sich etwas die Spreu vom Weizen. Die wirklichen Freunden achten auch darauf, dass der Kontakt nicht abbricht und dass man sich jeweils sieht, wenn wir in der Schweiz auf Urlaub sind oder kommen uns auch in Dubai besuchen."
Naefs Schlusswort:
"An einem Ort wie Dubai, wo mehr als 80% der Bevölkerung zugewandert ist, baut man sich jedoch sehr schnell einen neuen Freundeskreis auf. Die Kontaktfreudigkeit in diesem Schmelztiegel von verschiedenen Kulturen, Nationalitäten und Religionen ist viel grösser als in Europa. Es sitzen ja die meisten “im gleichen Boot“, wurden aus ihrem sozialen Umfeld herausgenommen und müssen in Dubai diesbezüglich neu anfangen." Naefs Rat an ausreisewillige CIOs lautet: "Wichtigster Tipp: Seid tolerant zu anderen Kulturen, Religionen, Einstellungen und Auffassungen und lernt von ihnen. Nicht alles war in unserer Kultur und mit unseren Wertvorstellungen das Richtige ist, ist auch das Richtige in anderen Kulturen, weil dort die Wertvorstellungen oft anders sind."

Deutsche CIOs im Ausland scheinen dieses Fingerspitzengefühl mitzubringen. Das mag auch mit der deutschen Geschichte und der neuen Offenheit gegenüber anderen in unserem Land zu tun haben. IT-Führungskräfte unterscheiden sich in diesem Aspekt auch von Kollegen angelsächsischer Provenienz, die forscher auftreten und viel stärker dazu sozialisiert sind, ihre Spielregeln und Verhaltensmuster durchzusetzen. Auch eine Erfahrung von Managern mit Auslandserfahrung: Deutsche sind inzwischen, nicht nur in der IT, in sehr vielen Ländern höchst willkommen.

Vollständig vorbereiten kann man sich nicht

So divergieren also häufig die Vorstellungen, die sich die CIOs vor ihrem Wechsel ins Ausland machten, mit der Realität. Vollständig vorbereiten kann man sich aber nicht, auch das ist eine Erfahrung aus der Praxis. Was den IT-Führungskräften zugute kommt: Zumindest inhaltlich spricht man innerhalb der Abteilung eine einheitliche Sprache. Über fachliche Fragen lässt sich also gut miteinander kommunizieren. Die Gefahr von Missverständnissen ist hier geringer.

Aber auch im Fachlichen lauern Fallstricke. Die Zusammenarbeit beispielsweise mit indischen Mitarbeitern, die in Unternehmen auf der ganzen Welt eingesetzt werden, gilt oft als kompliziert. Sie bedürfen einer ganz besonderen Aufmerksamkeit.

Tipp: kleines CIO-Netzwerk aufbauen

Ein Tipp der Auslandsprofis: Deutsche CIOs sollten sich ein kleines Netzwerk an CIO-Kollegen in ihrem jeweiligen Einsatzland aufbauen. Diese seien am Kontakt mit den Deutschen interessiert und könnten gute Hinweise liefern, wie man alltägliche Klippen meistert. Dirk Altgassen beispielsweise hat sich in Belgien derart gut integriert, dass er für den nationalen Preis "CIO des Jahres 2017" vorgeschlagen wurde.

Zwei CIO-Typen: Abenteurerer und Heimkehrer

Hilft ein Job als CIO im Ausland auch für später in Deutschland? Für internationale Unternehmen arbeiten im Prinzip zwei Typen von CIOs:

Ausland ist ein Karrierebeschleuniger

Ist das Auslandsengagement dabei ein Karrierebeschleuniger? Ich finde ja, es ist ein höchst spannender Schritt. Sich in einem internationalen Konzern zu bewähren, ist sicherlich noch einmal anspruchsvoller als für ein deutschsprachiges Unternehmen einen Auslandseinsatz zu absolvieren. Als Deutscher in der weiten Welt ohne Netz und doppelte Absicherung zu reüssieren, das verdient Respekt.

Man kann deutschen Unternehmen also nur raten, die auf der Suche nach einem veritablen CIO sind, ihren Suchhorizont um jene gestandenen IT-Führungskräfte zu erweitern, denen es gelungen ist, sich an eine fremde Umgebung anzupassen und sich dabei persönlich durchzusetzen. Wer als CIO im Ausland Karriere gemacht hat, gehört also unbedingt auf den Radar und den externen Talentpool anspruchsvoller Unternehmen.