Bitkom-Studie

Deutschland in Sachen Blockchain nur Mittelmaß

27.05.2019 von Christiane Pütter
Deutsche Unternehmen sehen zwar die potenziellen Vorteile von Blockchain-Techniken, zögern aber mit dem Einsatz. Laut einer Bitkom-Erhebung fehlt es nicht nur an Wissen und Ressourcen, sondern auch an der unternehmerischen Risikobereitschaft.

Knapp jedes zweite deutsche Unternehmen (46 Prozent) ordnet den Standort Deutschland in Sachen Blockchain als "Nachzügler" ein. Weitere 40 Prozent sehen die Bundesrepublik im internationalen Vergleich im Mittelfeld, zehn Prozent halten den Standort bereits für "abgehängt". Das zeigt eine Befragung des Branchenverbands Bitkom unter mehr als 1.000 Firmen ab 50 Mitarbeitern. Die quantitative Erhebung hat der Verband um qualitative Gespräche mit 14 Experten ergänzt.

Deutsche Entscheider sehen viele potenzielle Anwendungsbereiche für die Blockchain, darunter die Verbesserung der Informationssicherheit.
Foto: Bitkom

Der Bitkom stützt sich in der Studie auf diese Definition: "Blockchain ist eine Technologie zur gesicherten Verarbeitung und Prüfung von Datentransaktionen auf Basis eines verteilten Peer-to-Peer-Netzwerks. Blockchain ist Teil der Distributed Ledger Technologie-Familie. Sie nutzt kryptographische Verfahren, Konsensalgorithmen und rückwärtsverlinkte Blöcke, um Transaktionen praktisch unveränderbar zu machen."

Der Studie zufolge nutzen aktuell nur zwei Prozent der deutschen Unternehmen überhaupt Blockchain-Technologien. Weitere sechs Prozent planen oder diskutieren den Einsatz. Wer sich für die Nutzung entscheidet, erwartet vor allem mehr Effizienz (87 Prozent der Nennungen) und mehr Sicherheit für unternehmensübergreifende Prozesse (80 Prozent). Die Nutzer entscheiden sich mehrheitlich (67 Prozent) für eine Permissioned beziehungsweise Private Blockchain.

Typische Einsatzgebiete sind Buchhaltung/Finanzen/Controlling (56 Prozent), Logistik/Lager/Versand (34 Prozent) und Marketing/Kundenservice/Vertrieb (26 Prozent). Unter der Zwanzig-Prozent-Marke bleiben Einkauf (19 Prozent), Produktion/Fertigung/Projektabwicklung (18 Prozent) sowie Personal/Human Resources (17 Prozent). Seltener sind die Einsatzgebiete Forschung/Entwicklung (sieben Prozent) und Rechtsabteilung/Vertragswesen (drei Prozent). Knapp jeder dritte Blockchain-Nutzer (32 Prozent) lässt sich bei diesem Thema von Externen beraten, weitere 49 Prozent wollen Beratung in Anspruch nehmen.

Als weitere potenzielle Anwendungsbereiche der Blockchain gilt beispielsweise das sichere Ausstellen von Zertifikaten.
Foto: Bitkom

Auf die Frage nach potenziellen Anwendungsbereichen für die Blockchain nennen die Befragten viele Themen. Sie reichen von der Verbesserung der Informationssicherheit und der Datenqualität über das Verwalten von Schlüsseln für Kryptowährungen und Token bis zur Verbriefung realer Güter und Finanztitel. Weiter geht es mit dem Ausstellen von Zertifikaten, der Abwicklung von Geschäften auf vermittlerfreien digitalen Marktplätzen und der Implementierung verteilter Programme bis zur Ausgabe von Gutscheinen oder dem Einsammeln von Finanzmitteln.

Sechs Herausforderungen

Fazit des Bitkom: "Blockchain gilt als Technologie mit enormem Potenzial, welches noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft wird." Damit ist die Studie bei den Herausforderungen angekommen. Die einzeln befragten Experten nennen folgende sechs Punkte: erstens die Einstellung (konkret: es fehlt an Mut und unternehmerischer Risikobereitschaft), zweitens das fehlende Verständnis für die Blockchain-Technologie, drittens die Unsicherheit (Stichworte sind Datenschutz und fehlende Rechtssprechung/Präzedenzfälle), viertens die Ressourcen (sowohl finanzieller als auch personeller Art), fünftens der Mangel an erfolgreichen Use Cases und sechstens die noch unausgereiften Technologie samt fehlender Standards.

Der quantitative Teil der Studie bestätigt diese Punkte. Außerdem sprechen die rund 1.000 Befragten von einem zu hohen Investitionsbedarf. Die Experten wiederum sagen, es gebe den "weit verbreiteten Irrtum, die Blockchain verbrauche per se enorm viel Energie". Das treffe zwar auf die Mining-Prozesse im Rahmen von einzelnen Krypto-Währungen zu, gelte aber nicht grundsätzlich für Blockchain-Lösungen im B2B-Umfeld.

Auch die Implementierung verteilter Programme zählt zu den potenziellen Anwendungsbereichen der Blockchain.
Foto: Bitkom

Angesichts dieser Unsicherheiten empfehlen die Blockchain-Experten den Unternehmen, Freiräume oder sogenannte Sandboxes zu schaffen, in denen neue Technologien erforscht werden können. Sie sehen nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch die Politik - insbesondere die Bildungspolitik - gefordert.

Einen Use Case präsentiert etwa die Deutsche Bahn AG. Sie plant eine Blockchain-basierte Plattform, die eine schnellere und tiefere Integration und Verrechnung zwischen verschiedenen Mobilitätsunternehmen ermöglichen soll. Unter dem Stichwort "Mobilty as a Service" (MaaS) verfolgt das Unternehmen zwei Ziele: erstens soll sich die Zahl von Kollaborationen zwischen öffentlichen und privaten Mobilitäts-Partnern, in denen sich Know-how, technologische Expertise und finanzielle Mittel ergänzen, vervielfachen. Zweitens müssten die Anbieter sehr eng kooperieren und ihre Services integrieren, um die hohe Komplexität des MaaS-Konzepts zu stemmen.

Blockchain-Wissen: PKI, Hash-Werte und Blöcke
PKI
Die PKI bietet durch Schlüsselpaare (öffentlicher und privater Schlüssel) eines jeden Teilnehmers die Möglichkeit, Daten oder Transaktionen zu ver- und entschlüsseln. Der öffentliche Schlüssel eines Teilnehmers (hier Empfänger), welcher dem gesamten Netzwerk bekannt ist, kann vom Sender zum Verschlüsseln von Daten beziehungsweise Transaktionen genutzt werden. Der private Schlüssel, welchen nur der Empfänger selbst kennt, ermöglicht es diesem, die Nachricht zu entschlüsseln und somit zu lesen. Dank der Einzigartigkeit des privaten Schlüssels ist auch die digitale Signatur eines Dokuments oder einer Transaktion möglich. Verschlüsselt eine Person mit ihrem privaten Schlüssel ein Dokument, so können Andere mittels des öffentlichen Schlüssels die Zugehörigkeit zu dieser Person verifizieren.
Hash-Werte
Um die Echtheit des Dokuments zu beglaubigen, kommen sogenannte Hash-Funktionen zum Einsatz. Diese können jede Transaktion in einen String bestimmter Länge – den Hash-Wert – verwandeln. Die Besonderheit dabei ist, dass die Funktionen nicht umkehrbar sind. Vom Hash-Wert allein kann nicht auf den Inhalt des Dokuments geschlossen werden. Ein unveränderter Inhalt hingegen generiert bei gleicher Hash-Funktion immer den gleichen Hash-Wert, sodass das Verfahren genutzt werden kann, unveränderte Daten zu verifizieren.
Blöcke
Nicht nur die Daten beziehungsweise Transaktionen an sich werden mittels Hash-Funktionen verschlüsselt, sondern auch eine Ansammlung derer, sogenannte Blöcke. Das Erstellen eines Blocks ist das Produkt des Konsensus-Algorithmus, bei welchem teilnehmende Netzwerkknoten, im Falle von Bitcoin spricht man dabei von Minern, versuchen, ein mathematisches Problem (Hash-Puzzel) am schnellsten zu lösen. Der Gewinner darf dann den Block erstellen und zur Validierung ins Netzwerk einspeisen. Durch das Einpflegen des Hash-Werts des vorherigen Blocks in den neuen Block und das anschließende Hashen, entsteht eine Verkettung der Blöcke über ihre Hashwerte. Dies gibt der Blockchain ihren Namen und schafft Sicherheit über die Unveränderlichkeit der gespeicherten Daten: Denn ändert sich der Inhalt nur eines einzigen vergangenen Blocks, so müssten sich alle Hash-Werte der darauffolgenden Blöcke ebenfalls ändern. Da diese Blockchain dann jedoch abweichend zu denen der anderen Netzwerkknoten wäre, flöge der Betrug auf.