Beispiel Rumänien

Deutschland verliert für IT-Fachkräfte aus Osteuropa an Attraktivität

06.12.2019 von Werner Bruckner
Fast unbemerkt vollzieht sich ein markanter Wandel: Aus den Nachbarländern kommen die IT-Fachkräfte nicht mehr ganz so gerne nach Deutschland. Dafür vergeben aber Unternehmen immer mehr Nearshore-Aufträge dorthin. Das Beispiel Rumänien zeigt, dass sich Verantwortliche aus der DACH-Region dort qualifizierte SAP- und IT-Ressourcen sichern können. Ein Vorort-Bericht.

Laut der Rumänischen Nationalbank legten die Exporte der IT-Dienstleistungen in 2018 um rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Damit verdoppelten sich die Ausfuhren des IT-Sektors innerhalb von nur fünf Jahren. Solche Zahlen lassen sich nur dank der staatlichen Unterstützung und vor allem der ausgezeichneten IT-Fachkräfte erzielen, die zunehmend im eigenen Land Karriere machen. So punkten rumänische Programmierer nicht nur mit ihren guten, fachlichen Fähigkeiten, sondern auch mit versierten Fremdsprachenkenntnissen, der starken Motivation und beeindruckenden Kreativität sowie der Begeisterung für neueste technologische Entwicklungen.

Deutsche IT-Firmen müssen künftig damit rechnen, dass immer weniger Computerexperten aus Osteuropa nach Deutschland kommen, wie das Beispiel Rumänien zeigt.
Foto: Augustin Lazaroiu - shutterstock.com

Unternehmen, die ihre IT-Fachkräfte bisher in Rumänien angeworben haben, müssen angesichts solcher starken Exporte mit schwierigen Rekrutierungsverhältnissen rechnen. Denn solche Zahlen zeigen, dass Informatiker ihr Glück nicht mehr nur in Mittel- und Westeuropa suchen, sondern zunehmend im eigenen Land finden. Bogdan Florea, Vizepräsident des rumänischen Arbeitgeberverbands der Software- und Dienstleistungsindustrie (ANIS), und selbst erfolgreicher Unternehmer in Bukarest resümiert: "Zwar bieten die großen, multinationalen Konzerne im Ausland unseren IT-Spezialisten Top-Arbeitsbedingungen und spannende technologische Themenfelder an.

Doch nach einigen Berufsjahren packt etliche unserer Informatiker das Heimweh und sie stellen in manchen großen Konzernen fest, dass deren komplexe Organisationskultur doch nicht ganz ihrer Arbeitsweise entspricht. Sie wechseln dann zu kleineren, innovativen SAP- oder IT-Dienstleistern in Rumänien mit flachen Hierarchien, bei denen sich der direkte und nachvollziehbare Beitrag zum Erfolg transparent zeigt."

Förderprogramme und attraktive Steuern

Noch vor einiger Zeit standen solche internationalen Konzerne auf der Wunschliste vieler rumänischen IT-Fachkräfte ganz oben. Ein Arbeitsvertrag mit einem bekannten Unternehmen in Wien, München oder Zürich war heißbegehrt. Doch nach Jahren lehrreicher Erfahrungen im Westen traten etliche dieser IT-Pioniere den Rückweg nach Hause an. Im Gepäck hatten sie Management- und Technologie-Know-how sowie wertvolle Geschäftskontakte, die sie nutzten, um selbst erfolgreiche Unternehmen aufzubauen.

Auch die Regierung schuf zwischenzeitlich mit recht überzeugenden Förderprogrammen, attraktiven Steuergesetzgebungen und Infrastrukturmaßnahmen eine solide Basis für die heimische IT-Industrie. So beträgt etwa die Unternehmens-Flat-Steuer auf Gewinne zehn, die Dividendensteuern fünf Prozent und die Lohnsteuer für angestellte IT-Softwarespezialisten Null Prozent. Arbeitgeber zahlen darüber hinaus bis auf die Arbeitslosenversicherung von 2,5 Prozent keine weiteren Sozialabgaben.

Kein Wunder, dass sich auch IT- und MINT-Absolventen der Hochschulen heutzutage bewusst dafür entscheiden, in Rumänien zu bleiben. Sie arbeiten dann bei einem der ca. 20.000 IT-Unternehmen mit 20 bis 1.500 Beschäftigten. "Wir bevorzugen einheimische IT-Dienstleister als Arbeitgeber, die direkt für weltweit bekannte Unternehmen arbeiten, weil sich uns so spannendere Aufgaben und technologische Herausforderungen stellen.

Außerdem wirkt sich solch anspruchsvolle Arbeit sehr positiv auf die Kariere aus. Und nicht zuletzt bekommen diese IT-Mitarbeiter einen attraktiven Lohn", sagt stellvertretend für viele seiner jungen IT-Kollegen Robert Popa, der mit seinen 23 Jahren im Sommer die Fakultät für Informatik in Brasov, deutsch: Kronstadt, abgeschlossen und die letzten zwei Jahre seines Studiums schon halbtags bei einem IT-Unternehmen gearbeitet hat.

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Dienstleister managen ihre Kunden und IT-Fachkräfte

Für welchen rumänischen IT-Dienstleister sich ein Informatiker entscheidet, hängt sehr stark von der Persönlichkeit des Inhabers, dem Management und der gelebten Kultur im Unternehmen ab. Für die Entscheidung spielt außerdem auch der Ort des zukünftigen Arbeitsplatzes eine große Rolle. Denn in Rumänien pflegen Familienmitglieder traditionell nach wie vor enge Verbindungen. Sie feiern nicht nur zusammen, sondern stehen für einander ein, unterstützen sich im Alltag und helfen sich bei Bedarf auch finanziell. Ähnliches gilt in lockerer Form für Verwandten- und Freundeskreise.

Elena Unciuleanu, die ihr Informatikstudium vor geraumer Zeit an der Universität Ovidius in Constanta am Schwarzen Meer abgeschlossen hat und seit einigen Jahren Controlling- und Reportingsysteme für große Banken entwickelt, schätzt den heimischen IT-Arbeitsmarkt wie folgt ein: "Viele IT-Fachkräfte in Rumänien freuen sich - angesichts des generell guten Arbeitsmarktes - im eigenen Land bleiben zu können. Sie betrachten die rumänischen IT-Unternehmen vor Ort als eine Art Vermittler zwischen ihrer eigenen Denk- und Lebensweise und den Anforderungen, welche beispielsweise die deutsche Mentalität und Arbeitsweise mit sich bringen. So gesehen managen diese IT-Dienstleister die Beziehung zwischen ihren IT-Arbeitnehmern und ihren Kunden aus dem Ausland."

Wegen der Dynamik der letzten Jahre haben nur wenige Marktforscher und Berater den Überblick über das tatsächliche Leistungsspektrum der jeweiligen rumänischen IT-Dienstleister. Verantwortliche aus der DACH-Region, die auf qualifizierte SAP- und IT-Ressourcen aus Rumänien setzen, tun also gut daran, sich für ihre IT-Aufgaben und -Themen mit Unterstützung von spezialisierten Unternehmensberatungen die besten Dienstleister direkt vor Ort auszusuchen.

Neben den technischen Anforderungen gehört zu den wichtigsten Erfolgskriterien, dass der IT-Dienstleister zum speziellen IT-Know-how sowie dem branchentypischen Background des Unternehmens und seiner Firmenkultur passt. Alles Weitere managt dann der rumänische Partner in eigener Verantwortung - fachlich professionell und kostengünstig.