Westfleisch und ThyssenKrupp Uhde

Deutschlands dienstälteste CIOs

18.10.2011 von Nicolas Zeitler
Olaf Röper und Joachim Badde sind Fußball-Fans und haben noch eines gemeinsam: Beide sind seit mehr als 20 Jahren IT-Chef in einem Unternehmen - fünfmal so lang wie der Durchschnitts-CIO.
Sowohl Olaf Röper (links) als auch Joachim Badde überschreiten die durchschnittliche Amtszeit von CIOs um 20 Jahre.
Foto: Martin Kroll

Auf die Leidenschaft kommt es an. Dieses Jahr hatte es Borussia-Dortmund-Fan Olaf Röper da leicht - der BVB wurde Meister. Doch Röper stand auch zu dem Verein, als der vor sieben Jahren durch eine finanzielle Krise dümpelte. Außer den Schwarz-Gelben hält Röper auch seinem Arbeitgeber seit Jahrzehnten die Treue: Er ist seit 1987 IT-Chef beim Anlagenbauer ThyssenKrupp Uhde, der zum ThyssenKrupp-Konzern gehört. 24 Jahre in demselben Unternehmen: Das ist alles andere als eine typische CIO-Karriere. "Mich fasziniert der Großanlagenbau. Seit ich bei Uhde bin, wollte ich nie etwas anderes machen", sagt Röper.

Zur Verweildauer von IT-Chefs kursieren verschiedene Zahlen. Gartner ermittelte einst vier Jahre und vier Monate, die jüngste Studie "State of the CIO" unserer Kollegen vom CIO-Magazin in den USA kam auf fünf Jahre und zwei Monate (wobei hier Teilnehmer aus etablierten Netzwerken den Durchschnitt erhöht haben könnten). Für uns hat die Personalberatung Egon Zehnder exklusiv Profile von 350 in Deutschland tätigen CIOs ausgewertet. Ergebnis: Der Durchschnitts-CIO hat seinen Posten seit 4,13 Jahren inne.

Jochen Deetjen, Personalberater bei Egon Zehnder International: "Je nachdem, worauf in einem Unternehmen gerade der Fokus liegt, benötigt es unterschiedliche Typen von CIOs."
Foto: Egon Zehnder International

Zwei Drittel der IT-Chefs sind seit weniger als fünf Jahren CIO im gleichen Unternehmen, fast ein Drittel bis zu zehn Jahre, nur vier Prozent länger. Für Zehnder-Berater Jochen Deetjen ähnelt der Wechselrhythmus bei IT-Chefs dem auf anderen Management-Positionen. "Dort beobachtet man typischerweise Wechsel in diesem Zeitraum", sagt er. Olaf Röper ist jedenfalls einer der CIOs, der die Funktion im gleichen Unternehmen am längsten innehat.

Aber einer übertrifft ihn noch um zwei Jahre: Leverkusen-Fan Joachim Badde hat den Ball als IT-Leiter bei der Westfleisch eG mit Sitz im westfälischen Münster seit 1985 nicht abgegeben. Kurz nachdem er 1979 zu dem Schlachtunternehmen kam, begann man dort, Anwendungen im Bereich "mittlere Datentechnik" aufzubauen. Badde verantwortete das Projekt für die Produktion, ein Kollege für den kaufmännischen Bereich. Anfang der 1980er-Jahre kam mit dem Einsatz von Siemens-Mainframes die erste große Neuerung. 1982/83 dann führte Westfleisch in der Finanzbuchhaltung SAP ein. "Zu der Zeit wurde klar, dass man eine IT-Abteilung aufbauen muss", sagt Badde. Mit drei Mitarbeitern ging es los, anfangs angegliedert an das Rechnungswesen. 1985 wurde Badde IT-Leiter. Einige Jahre später wurde IT strategisches Thema auf Vorstandsebene. "Seither berichte ich an den Vorstand", sagt Badde.

Ohne Trainerlizenz: Kompetenzen wie Personalführung haben die ersten CIOs in der Praxis erlernt.
Foto: Martin Kroll

Heute beschäftigt Badde die Frage, wie seine IT-Einheit das Geschäft von Westfleisch als Business Enabler am besten unterstützen kann. 1989 musste er der Firmenleitung noch erklären, warum er 35 000 Deutsche Mark für Compaq-386-Rechner brauchte.

Mainframes komplett ausgemustert

"So etwas galt damals als strategische IT-Investition", sagt Badde. Vermittlungsarbeit war auch nötig, um 1994 den Umstieg auf Client-Server-Technologie durchzusetzen. 1996 musterte Badde den Mainframe komplett aus.

Baddes Rückblick zeigt: Seine Aufgaben haben sich ständig weiterentwickelt, seine Rolle im Unternehmen hat sich verändert. Immer wieder war er mit Neuem konfrontiert - ein Grund, warum Badde dem Unternehmen bis heute treu geblieben ist. Neues auszuprobieren, sich weiterzuentwickeln ist nämlich einer der Hauptgründe für CIO-Wechsel. "Oft kommt es dazu, wenn ein Stelleninhaber mehr Verantwortung übernehmen will", sagt Jochen Deetjen von Egon Zehnder.

Der zweite Grund für Wechsel auf der CIO-Position liegt auf der Firmenseite. "Je nachdem, worauf in einem Unternehmen gerade der Fokus liegt, benötigt es unterschiedliche Typen von CIOs", sagt der Personalberater. Womöglich war der bisherige IT-Chef ein guter Prozess-Manager. Entschließt sich das Management aber zum Outsourcing im großen Stil, braucht es eher einen CIO, der Erfahrung im Vertrags-Management hat.

Das Sitzfleisch beträgt im Durchschnitt 4,13 Jahre.
Foto: IDG Business Media GmbH

Grund, nach einem neuen IT-Chef Ausschau zu halten, ist dann nicht, dass der Vorgänger schlechte Arbeit geleistet hat - nur passt ein anderer auf das Anforderungsprofil besser. "Es gilt immer, passgenaue Lösungen für neue Herausforderungen in einem Unternehmen zu finden", sagt Deetjen. Die Verweildauer für sich gesehen sage vor diesem Hintergrund jedenfalls nichts darüber aus, ob ein CIO gute Arbeit geleistet habe.

Gleichwohl: Wer wie Badde und Röper mehr als 20 Jahre auf einem Posten besteht, kann nicht alles falsch gemacht haben. Offenbar ist es beiden gelungen, mit Veränderungen in ihren Aufgaben Schritt zu halten.

Mehr als Erfahrung in verschiedenen Branchen zählt, welchen Typ CIO ein IT-Manager verkörpert.
Foto: Martin Kroll

Als Röper Ende der 70er zum Anlagenbauer Uhde kam, ging es ähnlich wie nach Baddes Einstieg bei Westfleisch darum, den IT-Einsatz überhaupt erst zu verankern. Die Verläufe von Rohrleitungssystemen entwarfen die Mitarbeiter damals noch am Zeichenbrett. Röper hatte Erfahrung mit CAD-Programmen und überzeugte die Mannschaft, IT-gestützt zu planen. Als Ingenieur habe er zwar dieselbe Sprache gesprochen wie die Planer. Trotzdem erzählt er rückblickend von einer "heißen Kiste". "Es war schon einige Arbeit, das zu verkaufen; Digital Natives gab es ja damals nicht."

Olaf Röper CIO, ThyssenKrupp Uhde GmbH:

"Ich darf nicht versuchen, eine Mentalität in die Welt zu tragen."

Vom User-Betreuer stieg er bei ThyssenKrupp Uhde über den Abteilungsleiter auf bis zum CIO der Business Area Plant Technology, einer von acht Business Areas der ThyssenKrupp AG. Diese Funktion hat er zusätzlich zum Posten des CIOs inne. Heute ist Olaf Röper auch für die IT-Strategie-Entwicklung im internationalen Umfeld zuständig. Wachstum weltweit hat sich das Unternehmen auf die Fahnen geschrieben, das Industrie- und Chemie-Anlagen plant und baut. Von 4500 Angestellten arbeiten mehr als die Hälfte im Ausland. Jeder zweite Auftrag kommt aus dem Nahen Osten und aus Afrika. "Bei Uhde geht die Sonne nicht unter", sagt der CIO. Auf Anlagenbaustellen sind mitunter 150 vernetzte PCs im Einsatz. "Unsere IT ist immer da, wo die Kunden sind", sagt Röper.

Auf dem Weg zu dieser internationalen Ausrichtung veränderte sich auch die Rolle von IT-Chef Röper. 1996 übernahm Krupp den 1921 gegründeten Anlagenbauer Uhde von der Hoechst AG. 1999 schloss sich Krupp mit Thyssen zur ThyssenKrupp AG zusammen. Für Röper brachte die Eingliederung von Uhde in den Konzern neue Chancen, wie er sagt: Geschäftsneutrale Dienste bezieht der Anlagenbauer heute von zentralen Dienstleistern des Konzerns. 1998 trennte sich Uhde zum Beispiel vom eigenen SAP-Betrieb.

Joachim Badde Leiter IT, Westfleisch eG:

"Die Einstellung gegenüber uns hat sich von ‚gut gelitten‘ zu ‚leicht positiv‘ entwickelt."

Keine Lösungen von der Stange

Die geschäftsspezifischen IT-Services liegen dagegen in der Verantwortung der IT-Abteilung bei ThyssenKrupp Uhde. "Ich unterstütze gezielt unsere Geschäftsprozesse", sagt Röper. Das Spannende daran: Lösungen von der Stange gebe es nicht. Dazu seien die Aufträge zu unterschiedlich. Die Größe variiere von um die 75 Millionen bis zu 500 Millionen Euro, Kunden verlangten je nach Branche den Einsatz bestimmter CAD-Systeme, Steuergremien stimmten die Arbeit zwischen der IT in Deutschland und Engineering sowie Auftrags-Management etwa in Indien aufeinander ab. "Die IT ist bei uns der Integrator, der hilft, Prozesse, Tools und Menschen zu koordinieren", fasst Röper zusammen.

Um in diese Aufgaben hineinzuwachsen, war es für ihn wichtig, das Geschäft seines Unternehmens zu verstehen. Das lernte Röper unter anderem, während er in der Baracke auf einer Anlagenbaustelle in Saudi-Arabien schwitzte. Vor Ort zu sehen, wie Arbeiten geplant und unterstützt werden müssen, habe seinen Blick geschärft dafür, was im Vorfeld von IT-Seite alles zu organisieren sei, sagt er. Joachim Badde sagt, ein Erfolgsgeheimnis, um sein Unternehmen als CIO bestmöglich zu unterstützen, sei, "rauszugehen und sehr gut zuzuhören". Für Personalberater Jochen Deetjen kommt es auf "die Leidenschaft, eine Brücke zwischen IT und Business schlagen zu wollen", an.

Dagegen bedürfe es nicht einer bestimmten Ausbildung, um später als CIO den gemeinsamen Nenner für Anforderungen von beiden Seiten zu finden. "Es gibt keine idealtypische Ausbildung", sagt Deetjen. Acht von zehn IT-Chefs haben laut der Zehnder-Auswertung einen Master-Abschluss, acht Prozent einen MBA. Jeder vierte CIO trägt einen Doktortitel. Unter den 350 ausgewerteten CIO-Profilen fanden sich fast 40 Prozent Absolventen der Betriebs- oder Volkswirtschaftslehre, 22 Prozent Wirtschaftsinformatiker oder Informatiker und ebenso viele Naturwissenschaftler. Gut ein Viertel hat einen ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund.

Die Unternehmensdaten der Thyssen Krupp Uhde GmbH.
Foto: IDG Business Media GmbH

Ausbildung und Studium sind allenfalls die halbe Miete, um einmal "Chief Information Officer" auf die eigene Visitenkarte zu drucken. Joachim Badde hat nach dem Abitur die Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann abgeschlossen. Olaf Röper hat Maschinenbau studiert und zum Dr.-Ing. promoviert.

Change-Management als Schlüsselkompetenz

Im Berufsleben eigneten sich beide dann Fähigkeiten an, die für ihre Arbeit als IT-Verantwortliche unerlässlich sind. Röper zählt dazu vor allem die Erfahrung im Change-Management. "Unsere Kunden verlangen Flexibilität, das bedeutet Change jeden Tag", sagt er. Auf seiner Position sei es außerdem wichtig, offen für fremde Kulturen zu sein. "Ich darf nicht versuchen, eine Mentalität in die Welt zu tragen", sagt er.

Die Unternehmensdaten der Westfleisch eG.
Foto: IDG Business Media GmbH

Auch Jochen Deetjen von Egon Zehnder betont, dass man Ausbildung und Kompetenzen getrennt betrachten müsse. "Die Ausbildung formt die geistige CPU", sagt der Personalberater. Die erforderlichen Management-Kompetenzen dagegen entwickle man erst später. Das zeigt sich ebenso an Baddes Laufbahn. 1989 begann Westfleisch, DV-Kaufleute und Fachinformatiker auszubilden. Fähige Mitarbeiter einzustellen und Nachwuchs auszubilden wurde in der IT zum strategischen Thema - mit dem IT-Leiter an der Spitze. Der sagt: "In das Thema Personalführung bin ich hineingewachsen." Auch wie man Verantwortung für ein Unternehmen mitträgt, brachte Badde nicht aus der Ausbildung mit. 1992 erhielt der IT-Chef Prokura. "Dadurch habe ich mich immer auch als Verantwortlichen für das Unternehmen gesehen", sagt er.

Auf die Frage, warum er nie das Unternehmen gewechselt habe, verweist Joachim Badde auf die flachen Hierarchien bei Westfleisch und den großen Freiraum in seiner Arbeit. Er sagt aber auch: "Grundsätzlich hätte ich mir vorstellen können, in jeder Branche in der Industrie zu arbeiten." Entscheidend sei, dass der CIO die IT an Geschäftsprozessen ausrichtet. Die Westfleisch-IT unterstützt Abläufe von der Schlachtung über die Zerlegung bis zur Wurst. In solche speziellen Prozesse könne man sich allerdings in jeder Branche einarbeiten, meint Badde.

Langzeit-CIOs: Wetten, dass kein IT-Chef in Deutschand länger auf seinem Posten ist als Joachim Badde (26 Jahre) und Olaf Röper (24 Jahre)? Oder kennen Sie einen? Nicolas.Zeitler@cio.de

In der Erhebung von Egon Zehnder haben 43,8 Prozent der IT-Chefs in verschiedenen Branchen gearbeitet. Betrachtet man die, die von außen auf eine CIO-Position eingestellt wurden, ist der Anteil der multisektoral erfahrenen IT-Chefs mit 50,9 Prozent etwas höher. Ob Expertise in mehreren Wirtschaftszweigen ein Pfund ist, mit dem ein CIO-Anwärter wuchern kann, lässt sich Deetjen zufolge nicht grundsätzlich sagen. Abhängig sei das unter anderem davon, ob die IT Teil des Kerngeschäfts ist - wie in der Finanz- oder Telekommunikationsbranche. So sei etwa bei Banken "ein fachfremder IT-Manager in der Regel weder mit den sehr spezifischen Kernbankensystemen vertraut, noch kennt er die fachlichen Besonderheiten der anfallenden Bankgeschäftsprozesse", sagt Deetjen.

Statt auf multisektorale Erfahrung per se komme es auch in anderen Branchen eher darauf an, welchen Typ CIO ein Unternehmen suche. Werde vom neuen IT-Chef verlangt, die IT effizienter aufzustellen, seien zum Beispiel Kandidaten geeignet, die Ähnliches auch schon in Unternehmen anderer Branchen geleistet haben. Suche der Vorstand dagegen einen IT-Chef, der mit Innovationen glänzt, seien eher Bewerber geeignet, die etwas vom Geschäft in der Branche verstehen.

Und in jedem Fall komme es darauf an, dass der CIO darlegen könne, welchen Wertbeitrag seine IT liefert. Joachim Badde sagt, noch immer werde IT vor allem als Cost Center gesehen. Klappe etwas nicht, sei schnell die IT schuld. "Allerdings hat sich die Einstellung gegenüber uns von ‚gut gelitten‘ zu ‚leicht positiv‘ entwickelt", beobachtet er. Der Vorstand lasse ihm viele Freiheiten. "Wir dürfen strategische Festlegungen treffen, denen die Geschäftsleitung dann in vielen Fällen folgt."

Hypes in Ruhe analysieren

Olaf Röper sieht die IT von ThyssenKrupp Uhde heute in einer Rolle als Business Enabler, der weiterhin vor allem Dienstleister sei - "wenn auch ein sehr intelligenter". Auch ein Dienstleister könne allerdings nicht auf jegliche Forderungen von Anwendern oder auf neue Marktangebote sofort eingehen. Schritte hin zu "Consumerization" oder "Bring your own Device" etwa habe er bisher nicht unternommen. "Bei vielen Hypes sollte man erst einmal ruhig analysieren und abwarten", sagt er. "Very Early Adopter bin ich noch nie gewesen."

Wer seit 24 Jahren IT-Chef ist, kann wohl getrost so gelassen sein. Auch in der zurzeit heiß diskutierten Frage, welchen Stand der IT-Chef künftig im Unternehmen haben wird. Die Laufbahnen von Röper und Badde zeichnen nach, wie sich der IT-Verantwortliche vom Spezialisten für die Technik zum Unterstützer von Geschäftsprozessen entwickelt hat. Mittlerweile werden Stimmen laut, die die Bedeutung des CIOs, wie wir ihn heute kennen, schwinden sehen. So wettet in unserem gerade erschienenen "CIO-Jahrbuch 2012 - 38 Prognosen zur Zukunft der IT" Peter Lempp von Capgemini, "dass dieRolle des CIOs in zehn Jahren obsolet ist". Alte Hasen wie Joachim Badde und Olaf Röper ficht das nicht an - nicht nur, weil beide nur noch weniger als zehn Jahre vom Ruhestand trennen.

Mehr zur Stellung des IT-Chefs im Unternehmen und zu seinen Aufgaben lesen Sie unter www.cio.de/topics/rolle-des-cio,843864