Top-Managerinnen

Die Chefinnen der Zukunft

16.12.2013 von Kristin Schmidt
Weiblich, ambitioniert, verzweifelt gesucht: Unternehmen beklagen den angeblichen Kandidatinnenmangel für Top-Jobs. Doch Netzwerke wie Generation CEO zeigen: Das Reservoir an bestens qualifizierten Frauen wird größer.

Der Anrufer klang resigniert. Er habe einen Posten in seinem Gremium zu besetzen und würde gern eine Frau einstellen, brummte der Aufsichtsratschef einer großen ausländischen Bank ins Telefon. "Aber ich finde einfach nicht die Richtige." Zwei prominente Damen habe er schon gefragt und sei abgeblitzt, Alternativen kenne er nicht. "Dann muss es doch wieder ein Mann machen."

Gespräche wie diese hat Personalberaterin Angela Hornberg oft geführt. "Viele Unternehmen bemühen sich nicht genug darum, gute Frauen zu finden", sagt sie.

Kurz gesucht, niemanden gefunden: Wollen Unternehmen hochrangige Posten mit Frauen besetzen, läuft das Prozedere allzu oft nach diesem Muster. Ein Grund: Egal, ob in der Automobil-, Pharma- oder Finanzbranche, ob für Führungspositionen im operativen Management oder im Aufsichtsrat - durch die Köpfe vieler Aufsichtsräte, Personalchefs und Headhunter geistern stets die gleichen Namen.

Aus dem Vollen schöpfen

Wer hätte nicht gern erprobte Fachkräfte wie die Ex-Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro, Opel-Marketingvorstand Tina Müller oder Multiaufsichtsrätin Ann-Kristin Achleitner in seinen Reihen - drei der etwa ein Dutzend Vorzeigefrauen der deutschen Wirtschaft, die jeder kennt und viele schätzen. Die aber nur wenige Anfragen akzeptieren - weshalb Top-Manager wie BMW-Produktionsvorstand Harald Krüger wahlweise "die schwach gefüllte Talentpipeline für technische Führungsfunktionen" beklagen oder sich "ein größeres Reservoir an Top-Frauen wünschen", wie Air-Berlin-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Körber.

Dabei könnten die Herren durchaus aus dem Vollen schöpfen. Steht doch eine neue Generation ambitionierter, gut ausgebildeter Frauen bereit, Verantwortung zu übernehmen. Britta Fünfstück etwa: Die 41-Jährige leitet bei Siemens den Bereich Klinische Produkte und ist die erste Managerin mit operativer Verantwortung direkt unterhalb des Vorstands. Personalberater Heiner Thorborg sagt ihr Vorstandsqualitäten nach - und nicht nur ihr. "Es gibt genügend Frauen, die Vorstandsposten übernehmen können, man muss sie nur suchen."

Der 69-Jährige tut es gezielt: 2007 gründete Thorborg das Frauennetzwerk Generation CEO, um "das Bewusstsein für das ungenutzte Führungspotenzial zu schärfen". Rund 20 Frauen nimmt er seitdem Jahr für Jahr in den exklusiven Zirkel auf, die Potenzial für einen Posten in Geschäftsführung oder Vorstand haben. Die mittlerweile mehr als 140 Frauen nutzen das Netzwerk, um sich über Erfahrungen im Job auszutauschen, Tipps für das erste Aufsichtsratsmandat oder die weitere Karriereplanung zu geben. "Neben intensiven beruflichen Kontakten sind wertvolle Freundschaften entstanden", sagt etwa Andrea Ebinger, bei der Otto Group für die Entwicklung des Einzelhandels verantwortlich und seit 2011 bei Generation CEO.

Wie wichtig solche Bündnisse sind, mussten zuletzt einige anfangs gefeierte Talente feststellen: Sie machten die Erfahrung, dass es unter Männern zwar en vogue ist, Frauen zu befördern. Es aber mit der Unterstützung schnell vorbei sein kann, sobald der Bonus für die Frauenfreundlichkeit eingeheimst ist. "Symbolisches Besetzungsmarketing als Freikaufaktionismus", nennt Managementautor Reinhard Sprenger diese Attitüde.

Einige Frauen aus Thorborgs Netzwerk haben gezeigt, wie man diese Falle umgeht: Hauke Stars, seit vier Jahren Mitglied, ist seit Dezember 2012 IT-Vorstand der Deutschen Börse. "Bei so vielen hochkarätigen Frauen dürften die Gespräche sehr ergiebig werden", sagt Ursula Soritsch-Renier, CIO beim Maschinenbauer Sulzer, die in diesem Jahr zu den 22 neuen Mitgliedern von Thorborgs Netzwerk zählt. Was sie und weitere Managerinnen auszeichnet, lesen Sie auf den nächsten Seiten.

Die Kämpferin

Überweisungen prüfen, Kreditanträge bearbeiten, für die Berufsschule lernen: Wer, wie Selina Piening, eine Banklehre antritt, hat gut zu tun. Eigentlich. Doch während ihre Arbeitskollegen von der Stadtsparkasse München am Wochenende zum Tegernsee rausfuhren oder ins Kino gingen, hieß es für die damals 18-Jährige am Samstag ab ins Einrichtungshaus zum Möbelverkaufen. Und sonntags bügeln - zehn Stunden, in einer Reinigung. "Ich wollte meiner Mutter nicht länger auf der Tasche liegen, ich wollte unabhängig sein", erklärt Piening im Rückblick ihr für einen Lehrling ungewöhnliches Arbeitspensum. Dafür opferte sie ihre Freizeit - jahrelang.

"Dieser ungeheure Durchhaltewillen zieht sich durch Selina Pienings gesamte Biografie", sagt Personalberater Heiner Thorborg über die Karriere der heute 39-Jährigen, die mittlerweile als Vertriebsdirektorin bei der Privatbank Edmond de Rothschild arbeitet.

Piening kam 1974 in München zur Welt. Doch ihre alleinerziehende Mutter, die als Gastarbeiterin nach Deutschland gekommen war und in der Produktion bei Siemens arbeitete, hatte keine Zeit, sich um ihr Baby zu kümmern, gab es zur Oma nach Istanbul. Dort wuchs das Mädchen auf. Großmutter und Enkelin halfen sich gegenseitig. Ihr Talent für Zahlen zeigt sich früh: Schon mit elf Jahren machte Piening die Steuererklärung der Oma. "Wenn man mit einem alten Menschen lebt", so Pienings lapidare Erklärung, "übernimmt man früh Verantwortung."

Bis heute verlässt Piening sich am liebsten auf sich selbst. Ihr ganzes Leben hat sie für diese Unabhängigkeit gearbeitet - auch weil sie von Kindheit an mit Frauen umgeben war, für die diese Haltung selbstverständlich ist. Ihre Großmutter kümmert sich größtenteils alleine um die Enkelin, Pienings Mutter arbeitet Vollzeit in Deutschland, bringt Selinas kleinen Bruder ohne Mann durch. War der Fernseher kaputt, baute Selinas Mutter ihn eigenhändig auseinander, nahm Teile mit zur Arbeit und lötete sie dort. "Für mich war es selbstverständlich, dass eine Frau alles kann", sagt Piening.

Als Selina 15 ist, stirbt ihre Oma. Sie zieht nach München zu ihrer Mutter - ein Neustart. Sie kennt niemanden, auch innerhalb der Familie nicht, spricht kein Deutsch - ist dennoch voller Euphorie und Tatendrang. "Ich hatte ja keine Ahnung, wie viele Präpositionen und unregelmäßige Verben es im Deutschen gibt." Und das ist gut so: Piening besucht eine Realschule, hat zweimal pro Woche nachmittags Deutschunterricht und liest unentwegt laut aus der Zeitung vor, um zu prüfen, ob es sich wie bei den Nachrichtensprechern anhört. In nur drei Jahren lernt sie die Sprache so gut, dass sie eine Lehre als Bankkauffrau beginnen kann.

Drei Jahre kein Urlaub

Doch das ist ihr nicht genug. Piening absolviert ein Studium zur Finanzwirtin, arbeitet währenddessen als Anlageberaterin für vermögende Privatleute, steigt schließlich in den Vertrieb von Fonds ein. Erst bei DWS, dann bei Axa und heute bei der Privatbank Edmond de Rothschild. Seit 2011 ist sie dort mit dem Aufbau und der Leitung des Vertriebs in Deutschland betraut. Zwischen 2006 und 2009 sattelt sie neben dem Job ein zweites Studium drauf. Drei Jahre ackert sie jede freie Minute für den Abschluss als Finanzanalystin. Kein Urlaub, kaum ein entspanntes Wochenende.

Wozu das alles? Unterstützung vom damaligen Arbeitgeber gibt es nicht, die Qualifikation sei für ihren Job nicht nötig. Doch Piening will sich von der Konkurrenz abheben, freut sich auf das Fachgesimpel mit den Analysten. "Ich stelle mir immer vor, wie mein Ziel sehr konkret aussieht, und das treibt mich an", sagt Piening.

"Sie weiß, dass eine Herausforderung an ihre Grenzen geht, nimmt sie aber dennoch an", sagt Adam Lessing, Pienings Chef während ihrer Zeit bei der Axa. "Auch um zu sehen, ob ihre Grenzen nicht vielleicht doch noch etwas weiter liegen."

Im Gegenzug erwartet Piening hohen Einsatz auch von anderen. "Wer glaubt, alles auf dem Silbertablett serviert zu bekommen, ist selbst schuld", sagt die Deutsche mit den türkischen Wurzeln. Sie ist sich sicher, dass in Deutschland für Frauen und Migranten alles möglich ist - solange man genügend Ehrgeiz mitbringt.

Trotz dieser vermeintlichen Härte kommt Piening bei Kunden und Mitarbeitern gut an. "Sie ist keine Lehnstuhl-Chefin, die Befehle gibt, selbst aber um 17 Uhr nach Hause geht", sagt Lessing.

Ihre Disziplin wirkt niemals verbissen, ihre Bestimmtheit immer freundlich. Und ihr Styling fällt auf in der Welt der grauen Anzüge: hohe Absätze, perfekt manikürte Nägel, stets geschminkte Lippen.

"Selina Piening geht genau den richtigen Weg", sagt Personalberater Thorborg. "Sie ist selbstbewusst, charmant und authentisch." Auch deshalb sieht er die Vertriebsdirektorin noch nicht am Ende ihrer Karriere. Die Prognose des erfahrenen Headhunters: "Sie kann es in den Vorstand einer kleineren Privatbank schaffen."

Die Entscheiderin

Der Anruf des Headhunters kam am 8. Januar: Der Schweizer Maschinenbauer Sulzer suche eine Leiterin für seine IT, ob sie Interesse habe? Ursula Soritsch-Renier hatte. Einen Tag später telefoniert die 45-Jährige, damals für den Pharmakonzern Novartis von Boston aus tätig, ein erstes Mal mit dem Finanzvorstand von Sulzer, fliegt eine Woche später zum Vorstellungsgespräch in die Konzernzentrale ins beschauliche Winterthur. Bekommt noch am selben Tag ein Angebot, beschließt weitere 24 Stunden später anzunehmen, unterschreibt Ende Januar den Vertrag. Was bei anderen Monate dauert, erledigte die gebürtige Wienerin in drei Wochen. "Wenn ich ein interessantes Angebot bekomme", sagt sie, "schnappe ich zu."

Im April trat Soritsch-Renier ihren neuen Job als IT-Chefin an - ihr Posten ist eine Ebene unterhalb des Vorstands angesiedelt. Ihr zentrales Projekt: die konzernweite Vereinheitlichung der IT-Infrastruktur. Eine Mammutaufgabe - nicht zuletzt, weil ihr Posten sechs Monate unbesetzt war. Und Soritsch-Renier als dritter CIO innerhalb von drei Jahren auf einer Art Schleudersitz Platz zu nehmen scheint. Die Wienerin stört das nicht. Sie holt Informationen und Meinungen aus ihrem Team, dem Vorstand und den einzelnen Divisionen ein, wägt diese ab - und hatte zwei Wochen nach Dienstantritt eine klare Vorstellung von ihren Prioritäten.

"Diese Entscheidungsfreude ist für Frauen eher untypisch", sagt Generation-CEO-Gründer Thorborg. Und auch ihr neuer Vorgesetzter Klaus Stahlmann wusste schnell, dass Soritsch-Renier die Richtige für die schwierige Phase ist, in der das Unternehmen derzeit steckt. Der Maschinenbauer versucht durch den Abbau von Doppelstrukturen, Geld zu sparen - auch durch eine neue IT-Organisation. "Sie versteht es, ihre Mitarbeiter zu motivieren und auf die gemeinsamen Ziele auszurichten", sagt Sulzer-Chef Stahlmann. "Außerdem kann sie länderübergreifende Projekte erfolgreich führen."

Ihr Mann macht den Haushalt

Wichtig für einen Konzern wie Sulzer, der weltweit 170 Standorte betreibt - von Südkorea über Irland bis in die USA. "Mit verschiedenen Kulturen zusammenzuarbeiten macht mir große Freude", sagt Soritsch-Renier, die unter anderem im Elektronikkonzern Philips schon Führungsverantwortung auf globaler Ebene übernommen hatte. Die Schweiz ist das sechste Land, in dem sie lebt. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Niederländisch und Französisch. Ihr Sohn ist in Belgien geboren, ihr Mann Amerikaner. Der arbeitet als Künstler, hält seiner Frau zu Hause den Rücken frei: kauft ein, wäscht, kocht und kümmert sich um den achtjährigen Sohn. Diese moderne Rollenverteilung ermöglicht Soritsch-Renier das Leben, das sie sich wünscht: eine Führungsposition, ohne auf Familie zu verzichten.

Nicht nur zu Hause ist die IT-Expertin allein unter Männern. Auch in der Chefetage von Sulzer finden sich kaum andere Frauen. Während ihres Informatikstudiums war das nicht anders. Dort galt sie nicht nur als Frau, sondern auch als Studentin mit dem Zweitfach Philosophie als "bunter Vogel", sagt Soritsch-Renier. "Wie eine Außenseiterin habe ich mich aber nie gefühlt."

Vielleicht liegt das an ihrer Erziehung: Niemals hätten ihre Eltern gesagt, dass sie etwas nicht kann, nur weil sie ein Mädchen ist. "Außerdem bin ich immer mit meinem großen Bruder durch die Gegend gezogen."

Lediglich in den Anfangsjahren ihrer Karriere gab es eine Zeit der Sonderbehandlung, die mit ihrem Geschlecht zu tun hatte: Damals, Ende der Achtzigerjahre, arbeitete sie für ein Startup in Österreich und verantwortete ein EDV-Projekt in der Produktion, die rund um die Uhr lief. War Soritsch-Renier zwischen 22 und 6 Uhr in der Werkshalle unterwegs, wurde sie stets von einem Mann eskortiert. Der Grund: das damalige Nachtarbeitsverbot für Frauen.

Warum sie sich in gleich zwei Männerdomänen, der IT und dem Maschinenbau, durchgesetzt hat? Zum einen sind es ihre Resultate, die Soritsch-Renier die Anerkennung von Kollegen und Vorgesetzten einbringen. Doch auch ihr Auftreten dürfte die Männer beeindrucken. Die große, schlanke Frau wirkt souverän. Sie wählt ihre Worte sorgfältig, spricht langsam und betont, setzt an den richtigen Stellen Pausen. Keine Hektik, keine Unsicherheit.

"Sie hat klare Vorstellungen und kommuniziert diese auch", sagt Thorborg. "Sie schafft es sicher einmal in den Vorstand."

Die Dirigentin

Als Sandrine Piret-Gerard das Wartezimmer eines Arztes in der belgischen Provinz Wallonisch-Brabant betritt, ist es acht Uhr morgens. Es ist ihr erster Tag als Außendienstmitarbeiterin beim Pharmakonzern Novartis - und sie kommt zu spät: Vor ihr hatten nicht nur 20 Patienten, sondern auch fünf Vertreter der Konkurrenz im Aufenthaltsraum Platz genommen. Als sie an der Reihe ist, lässt der Arzt sie abblitzen. Er habe keine Zeit für noch einen Vertreter. Die Bilanz ihres Tages: Nur ein einziger Mediziner gewährt ihr einen Termin - für gerade mal sechs Minuten.

Neun Jahre später - im Juni 2013 - erzählt die mittlerweile 38-Jährige wieder von ihrem missglückten ersten Tag - den gut 100 Außendienstmitarbeitern ihres Teams, das sie heute als Vorstandsmitglied von Hexal leitet. "Ich wollte ihnen zeigen, dass ich ihre Probleme kenne", sagt Piret-Gerard. "Auch ich bin nicht perfekt." Versteht sie etwas nicht, fragt sie einfach nach. Grundsätzlich stellt sie nur Mitarbeiter ein, die besser sind als sie selbst.

"Meine Mitarbeiter sollen wissen, dass sie die Experten sind und ich nur die Dirigentin des Orchesters." Das schaffe Vertrauen, stärke das Verantwortungsbewusstsein und belebe den Teamgeist in der Belegschaft.

"Sie ist eine großartige Managerin", sagt Audrey Franchineau, die in Frankreich zwei Jahre für Piret-Gerard gearbeitet hat. Bis heute steht sie mit ihrer ehemaligen Chefin in Kontakt. Sie ruft zwei- bis dreimal im Jahr an, um sich Rat einzuholen. "Von ihr habe ich gelernt, meinem Team Rückmeldungen zu geben und mit deren Anmerkungen umzugehen."

Selbstzweifel ausräumen

Piret-Gerard hat es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen zu unterstützen. "Sie zweifeln zu häufig an sich selbst", sagt die Managerin. Sie spricht mit ihnen über deren mittelfristige Karriereplanung, hilft ihnen, ihre Entwicklung voranzutreiben. "Niemand kann darauf warten, dass der perfekte Job vom Himmel fällt", sagt Piret-Gerard.

Nach diesem Grundsatz hat auch sie ihre Karriere aufgebaut. Nach drei Jahren in der Beraterbranche ist ihr klar: Ein Richtungswechsel muss her. Der MBA der Elite-Schule Insead soll ihr dabei helfen. 2003 steigt sie beim Pharmakonzern Novartis ein, für dessen Tochter Hexal sie heute im Vorstand den Vertrieb von Medikamenten bei Fachärzten und Kliniken verantwortet.

Den Weg dahin hat sie stringent durchgeplant: Wendet sich direkt zu Beginn ihrer Zeit im Novartis-Konzern an einen Mentor, um mit seiner Hilfe ihre möglichen Karriereschritte zu definieren. Sechs Monate lang treffen sie sich regelmäßig, um die berufliche Zukunft der jungen Frau zu planen. Diese Zielstrebigkeit überzeugt den Manager, ein Jahr später gibt er ihr einen Job in seinem Team. Piret-Gerard wird zuständig für die strategische Planung in Europa. "Das war der Durchbruch", sagt die Wirtschaftsingenieurin. "Danach ging alles viel leichter."

Und ihr Weg scheint noch nicht zu Ende. "Ich könnte sie mir gut als Bereichsvorstand beim Mutterkonzern Novartis vorstellen", sagt Personalberater Thorborg.

Die Übersetzerin

Mit ein paar Mausklicks ist die Bestellung aufgegeben, doch dann fällt dem Käufer auf, dass das Paket lieber ins Büro statt nach Hause geschickt werden soll. Und sendet die neue Adresse per E-Mail an den Kundenservice: Ein alltäglicher Vorgang für ein Unternehmen wie Kalahari.com, möchte man meinen. Doch die Kunden von Südafrikas größtem Shoppingportal konnten bis vor Kurzem nicht erkennen, ob die Adressänderung wirklich registriert wurde, hakten telefonisch nach.

"Kein Zustand für unsere Kunden", sagt Kalahari-Chefin Caren Genthner-Kappesz. Und fordert von ihren Programmierern eine für die Kunden komfortable Lösung. Die Antwort: Das dauert vier bis fünf Monate. Viel zu lange für Genthner-Kappesz, auch mit Blick auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft. Im Gespräch mit den Programmierern stellt die Mathematikerin fest, dass diese an einer Lösung arbeiten, die die Adressänderung auch dem Kurierdienst automatisch übermittelt.

"Unnötig komplex", sagt die Kalahari-Chefin. Und entscheidet sich für eine einfachere Variante, die nach vier Wochen einsatzfähig ist. "Programmierer sprechen eine andere Sprache als Marketingabteilung und Kundendienst. Ich übernehme oft die Rolle der Übersetzerin", sagt die gebürtige Heilbronnerin Genthner-Kappesz, die seit Anfang 2013 an der Spitze von Kalahari steht.

"Caren verbindet zwei sehr unterschiedliche Fähigkeiten", sagt Stephan Zoll, Chef von Ebay Deutschland und ehemaliger Arbeitskollege von Genthner-Kappesz. "Sie denkt zum einen analytisch und kennt sich mit der Technik hinter den Portalen aus. Auf der anderen Seite ist sie kommunikativ, orientiert sich an den Kundenwünschen. Beides zusammen findet man selten."

Nach dem Studium arbeitet Genthner-Kappesz als Beraterin bei der Boston Consulting Group mit Schwerpunkt Telekommunikation und E-Commerce, gründet mit Bekannten eine Beratung für Unternehmen der New Economy, die nach sechs Monaten von einem US-Beratungsunternehmen gekauft wird. Genthner-Kappesz bleibt bis 2002 an Bord, wechselt dann zu Ebay, bleibt neun Jahre - zuletzt als Geschäftsführerin des übernommenen Schnäppchenportals Brands4Friends.

Bei den Ebay-Mitarbeiterbefragungen erhält sie stets Bestnoten. "Ihr Team hat sich bei ihr gut aufgehoben gefühlt", sagt Zoll. "Auch in Konfliktsituationen argumentiert sie sachlich. Sie packt mit an, ist eine Macherin."

Neben ihrem Job bei Kalahari.com ist Genthner-Kappesz an zwei Modefirmen beteiligt, unterstützt außerdem ihren Mann bei seinem Startup mylorry.de, einer Plattform, über die sich Transporte organisieren lassen. "Ich liebe es, ein eigenes Team zusammenzustellen und was Neues aufzubauen", sagt die 43-Jährige. "Ich kann mir sehr gut vorstellen, auch noch mal ein eigenes Unternehmen zu gründen."

Doch momentan ist Genthner-Kappesz mit ihrem Job in Südafrika, wo sie als Kind einige Jahre lebte und nun selbst zwei Töchter großzieht, sehr zufrieden. "Der Job muss mir Spaß machen", sagt sie. "Alles andere wäre Verschwendung von Zeit - die verbringe ich lieber mit meiner Familie."

(Quelle: Wirtschaftswoche)