Future of Work

Die häufigsten Fehler bei hybrider Arbeitsweise

20.04.2023 von Esther Shein
Hybride Belegschaften sind für viele Unternehmen immer noch Neuland. Produktiv und innovativ ist nur, wer diese häufigen Fehltritte vermeidet.
Um remote arbeitende und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro gleichermaßen in ein hybrides Arbeitsmodell zu integrieren, sollten CIOs deren unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigen.
Foto: Celia Ong - shutterstock.com

CIOs, die auf eine hybride Mischung aus Büro-, Remote- und Homeoffice-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern setzen, müssen neue Tools und Strategien implementieren, um erfolgreich zu sein. Sie sollten jedoch auch ihre Vorstellungen von hybrider Arbeit ändern.

Einem Gartner-Bericht zufolge wird hybride Arbeit oft in Bezug auf den Standort betrachtet. "Wenn sich Führungskräfte jedoch nur darauf konzentrieren, verpassen sie viel größere Vorteile, einschließlich flexibler Erfahrungen, bewusster Zusammenarbeit und auf Empathie basierendem Management ", warnt der Report. Die Einführung eines flexiblen Ansatzes, der den Menschen in den Mittelpunkt der Arbeit stellt, wird zu besserer Leistung der Belegschaft, geringerer Ermüdung und einer höherer Verbundenheit mit dem Arbeitgeber führen, so Gartner.

Entscheidungen nicht instinktiv treffen

"Auch wenn sich skeptische Führungskräfte in der heutigen Wirtschaftslage weniger Sorgen um Ermüdung und Bindung von Talenten machen, ist ihnen die Leistung dennoch wichtig", sagt Graham Waller, Vice President und Analyst bei Gartner. "Führungskräfte treffen Entscheidungen über die Zukunft der Arbeit heute allzu oft auf der Grundlage von Instinkten und Gefühlen. Das kann ein großer Fehler sein, denn die Art und Weise, wie wir früher gearbeitet haben, wird es nicht mehr geben."

Wenn es darum geht, hybride Belegschaften zu unterstützen und künftige Arbeitsweisen vorherzusehen, machen CIOs oft einige Fehler, bevor sie den optimalen Arbeitsplatz für ihre Unternehmen entwickelt haben. Hier sind die häufigsten Fettnäpfchen.

Die Rückkehr ins Büro wurde zu kurz gedacht

Remote Work hat im Jahr 2022 zu einer großen Zoom-Müdigkeit geführt, sagt Rebecca Wettemann, Leiterin des Tech-Analyseunternehmens Valoir Research. Diese sei durch Faktoren wie fehlendes Coaching von Managern in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Teams aus der Ferne verursacht worden. Hinzu kommen die Erschöpfung und das Burn-out, die damit einhergehen, jede Interaktion der Kolleginnen und Kollegen über einen Bildschirm kanalisieren zu müssen.

Doch als viele Mitarbeiter, mit der Erwartung ins Büro zurückgekehrt sind, die Vorteile des persönlichen Austauschs zu nutzen, wurden sie enttäuscht. Der Grund: die Unternehmen haben sich nicht genug auf ihre Rückkehr vorbereitet.

"Der größte technische Fehler war die Erwartung, dass Leute ins Büro zurückkommen, ohne dass eine ausgeklügelte Terminplanung für Wissensarbeiter vorhanden war. Viele mussten feststellen, dass niemand da war, den sie sehen mussten oder wollten", sagt Wettemann. In Zukunft sollten die Führungskräfte die Anwesenheit stärker überwachen und planen, damit Kollegen sich im Büro persönlich mit ihren Teams treffen können.

Hybrid-Work-Führungstypen
Dr. Michael Müller-Wünsch, Bereichsvorstand Technology, Otto Group
"Mich stört an diesen Führungsbildern, dass sie häufig den Eindruck vermitteln: alle Mitarbeiter*innen denken gleich und haben den gleichen Anspruch. Das stimmt nicht. In der Praxis ist es viel differenzierter. Manche brauchen eben eine engere Führung, andere wünschen sich mehr Freiheitsgrade. Es gibt nicht die gute oder die schlechte Führung. Das hängt häufig mit den unterschiedlichen Grundprofilen und -haltungen zusammen. Wir haben bei Otto intern viel über individuelle Neigungen und Profilstrukturen gesprochen, und welchen Respekt man diesen Mitarbeitenden entgegenbringen sollte. Generell sollten Arbeitskulturen heute so ausgestaltet werden, dass Mitarbeitende gern für ihren Arbeitgeber tätig sind. Und das über die gesamte Employee Journey hinweg."
Maria Zesch, Chief Executive Officer, Takkt Group
"Bei der Balance zwischen Präsenz und Home-Office sollte das ergebnisfokussierte Arbeiten klar im Vordergrund stehen. Denn die große Frage ist doch, wie binde ich Mitarbeiter an das Unternehmen, ohne sie wieder in die Präsenz zwingen zu müssen? Dafür sollten Führungskräfte auf Empowerment setzen. Dabei geht es in erster Linie darum, die Verbundenheit zum Unternehmen zu stärken. Das ist vor allem Beziehungsarbeit, die Führungskräfte gegenüber ihren Mitarbeitern leisten müssen. Es geht hier natürlich auch um den Purpose, also täglich die Begründung dafür zu liefern, warum und wofür jemand seinen Job überhaupt macht. Vor allem die junge Generation fordert das ja bereits massiv ein."
Dr. Elke Frank, Personalvorständin, Software AG
"Wenn man sich nicht täglich im Büro sieht, braucht der Vorgesetzte erst recht Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter. Das heißt vor allem, er muss seine liebgewonnenen Gewohnheiten 'loslassen', zum Beispiel das letzte Wort haben zu wollen, und immer die richtige Entscheidung parat zu haben. Es geht vielmehr darum, gemeinsam über die wichtigen Themen zu diskutieren und Entscheidungen auch mal zu revidieren. Wenn Sie wüssten, wie oft ich das in den vergangenen zwei Jahren bereits gemacht habe. Dieser eher kollaborative Führungsstil fällt vielen Entscheidern allerdings noch sehr schwer, denn es bedeutet nicht zuletzt auch Verzicht auf Macht."

Außerdem sollten sie einen datenbasierten Ansatz für die Zeitplanung verfolgen, der sicherstellt, dass hybride Arbeitsformen Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion unterstützen. Dazu zählt auch eine auf einzelne Arbeitsbereiche ausgerichtete Strategie für die Collaboration, statt einen Ansatz zu verfolgen, der für alle Arbeitsbereiche gleich ist, so Wettemann.

Kim Huffman, CIO der Reisekostenmanagement-Plattform TripActions, hat aus erster Hand erfahren, dass Mitarbeiter ohne einen Rahmen für die Rückkehr ins Büro nicht die Vorteile der persönlichen Erfahrung nutzen können. "Die Dinge werden chaotisch, wenn keine Struktur für die Rückkehr an den Arbeitsplatz vorhanden ist", sagt die Managerin. Sie fügt hinzu, dass das Fehlen eines formalen Konstrukts für die Rückkehr ins Büro eine "Lektion" gewesen ist: Seitdem habe sich das Unternehmen besser organisiert.

Remote schadet nicht der Produktivität

Auch die Produktivitätsfrage war ein heißes Eisen: Einerseits hatten Mitarbeiter, die ins Büro zurückkehrten, das Gefühl, nicht so produktiv zu sein. Andererseits hatten die Teamleiter den gleichen Eindruck bei Kollegen, die remote arbeiten. Huffman: "Das hat den Streit verschärft, was die Produktivität wirklich antreibt: Ist es die Arbeit im Büro oder die Arbeit zu Hause?" Ihr zufolge gibt es unterschiedliche Standpunkte, die in den Tech-Unternehmen gerade heiß diskutiert werden.

Da einige Mitarbeiter ins Büro zurückgekehrt sind, hält sich nach Ansicht von Huffman hartnäckig der Eindruck, dass diejenigen, die nicht zurückkehren, weniger produktiv sind. IT-Führungskräfte müssen diese Spannungen vorhersehen und ihnen zuvorkommen. Einerseits, damit Mitarbeiter produktiv bleiben können, wo immer sie auch sind, und andererseits, damit die Vertrauenskultur des Unternehmens nicht beeinträchtigt wird.

Der Schlüssel dazu ist eine Kultur der Verbundenheit, so Gartner. "IT-Führungskräfte und Mitarbeiter sind überwiegend der Meinung, dass die Kultur der Verbundenheit in erster Linie durch die täglichen Interaktionen bei der Arbeit und nicht durch die Anwesenheit im Büro bestimmt wird", so das Unternehmen. Demnach sind 58 Prozent der IT-Mitarbeiter der Überzeugung, dass sinnvolle Verbindungen auf den täglichen Interaktionen und nicht auf dem Standort beruhen.

Ungleiche Wettbewerbsbedingungen

Da hybride Meetings auf dem Vormarsch sind, mussten Organisationen ein empfindliches Gleichgewicht zwischen vor Ort und remote teilnehmenden Menschen wahren. Jamie Smith, CIO der University of Phoenix, hat beispielsweise festgestellt, dass hybride Meetings die Kluft zwischen denjenigen, die ins Büro kommen, und denjenigen, die aus der Ferne teilnehmen, "vertieft" haben. "Wir haben bemerkt, dass sich die Remote-Mitarbeiter weniger wert fühlten, weil sie nicht die Möglichkeit hatten, nach Phoenix zu kommen", sagt er.

Um dem entgegenzuwirken, halten Führungskräfte nun für jedes Meeting, an dem vor Ort teilgenommen werden kann, ein zweites, rein remote geführtes Meeting ab. Damit haben laut Smith alle das Gefühl, auf dem gleichen Niveau zu sein.

Die Universität nutzt Zoom, Slack und Microsoft Teams. Sie plant zudem, das Online-Whiteboard-Tool "Miro" intensiver zu nutzen. Es soll laut Smith das Gefühl vermitteln, im selben Raum zusammenzuarbeiten.

Sein IT-Team sei zudem immer auf der Suche nach Tools, die den Mitarbeitern der Universität helfen, asynchron und über verschiedene Zeitzonen zu arbeiten. "Wir müssen mit diesen Gegebenheiten leben, weil wir in diesen asynchronen Modus gezwungen wurden", sagt Smith.

Übersehen des Innovationsfaktors

Nicht nur die Erfahrung der Belegschaft kann durch schlecht konzipierte Hybrid-Strategien beeinträchtigt werden. Auch die Innovationsbemühungen geraten leicht ins Stocken, wenn die Zusammenarbeit ungleichmäßig verläuft.

Bess Healy, CIO des Finanzdienstleisters Synchrony, gibt an, dass sie und andere Führungskräfte des Unternehmens "schnell gelernt haben, dass hybride Innovationen ein anderes Maß an Moderation erfordern, um erfolgreich zu sein". Veranstaltungen, die zuvor einen ganzen Tag lang persönlich stattfanden, fühlten sich für per Video teilnehmende Teammitglieder sehr anstrengend an, räumt Healy ein. "Also haben wir sie auf mehrere Tage aufgeteilt. Und wenn wir an Veranstaltungen wie Hackathons teilnahmen, vermissten die Teammitglieder die Kameradschaft beim gemeinsamen Essen rund um die Uhr, also haben wir das mit Essensgutschriften nachgebildet, egal wo sie sind."

Alte Büros, neues Paradigma

Es ist wichtig, den Menschen Anreize zu geben, wieder in ein Büro zu kommen und zusammenzuarbeiten. Ein Ansatz, den einige Unternehmen verfolgen, besteht darin, die Büroräume anders zu gestalten als nur mit Reihen von Schreibtischen oder Kabinen.

"Eines unserer Büros ist neu, und wir versuchen, Räume zu schaffen, die Platz für Gespräche und Gruppentreffen bieten und nicht nur Schreibtische", sagt CIO Huffman. Führungskräfte sollten es sich vornehmen, die Büroaufteilung in diesem Jahr neu zu gestalten.

Langsames Experimentieren mit Zukunftstechnologien

Virtual Reality könnte die Zukunft der Arbeit beeinflussen und einige IT-Führungskräfte ziehen ihre Vorteile in Betracht. Die Oculus-Headsets von Meta wurden etwa versuchsweise an der University of Phoenix eingeführt, die sich für vollständiges Remote Work entschieden hat.

Für CIO Smith, der vor der Pandemie der Meinung war, dass die Zusammenarbeit von Angesicht zu Angesicht für die Kreativität besser ist, bedeutete dies eine große Umstellung. "Als dann alles auf Vollzeit-Fernarbeit umgestellt wurde, widersprach das meinen Grundüberzeugungen, so dass ich mich persönlich zurückhalten musste."

Inzwischen hat Smith festgestellt, dass Remote Work die Zusammenarbeit der IT-Abteilung nicht beeinträchtigt hat. Seine Teams seien in der Lage gewesen, produktiv zu bleiben und komplexe neue Produkte auf den Markt zu bringen. Auch habe er durch das ortsungebundene Arbeiten einen besseren Zugang zu technischen Talenten außerhalb der Region Phoenix.

Zudem stellte Smith seinen ersten Tontechniker ein, der den Großteil der Konferenztechnik der Universität überarbeitete. Die Oculus-Headsets werden von einigen Teams in ihren täglichen Stand-up-Design-Sitzungen getestet, um herauszufinden, ob sie die Arbeit der Teams verbessern können. Es gehe darum, herauszufinden, ob "die Tools im Weg sind oder ob sie helfen", erläutert Smith.

Kein Einsatz der IT für das Büro der Zukunft

Neben dem Überdenken des Büros und einer soliden Return-to-Office-Strategie sollten IT-Führungskräfte in Technologien investieren, die auf ein besseres hybrides Arbeitserlebnis zugeschnitten sind. Beim Audioelektronikunternehmen Shure hätten die Führungskräfte "viel Zeit damit verbracht, den Mitarbeitern zuzuhören, als es um hybride Arbeitsformen ging", berichtet Robin Hamerlinck Lane, Senior Vice President und CIO. Daraufhin wurde ein Plan namens "WorkPlace Now" entwickelt, der auf den gewonnenen Erkenntnissen basiert.

Den Mitarbeitern steht es frei, sich für ein hybrides Arbeitsmodell zu entscheiden. Laut Hamerlinck Lane haben die Verantwortlichen Initiativen für die Belegschaft umgesetzt. Sie hätten etwa verschiedene Tools zur Verfügung stellten, damit sich Mitarbeiter an die Situation anpassen können.

"Wir haben zum Beispiel in unseren weltweiten Büros flexible Sitzgelegenheiten eingeführt, so dass Hybrid-Mitarbeiter immer noch einen Platz zum Arbeiten haben, wenn sie das Büro betreten. Mit der iOffice-App können die Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze im Voraus oder bei ihrer Ankunft reservieren", sagt die Managerin.

Die IT-Abteilung hat ein Ticketsystem entwickelt, mit dem Mitarbeiter ein Remote-Kit anfordern können. Dieses enthält Tools, mit denen sie auch außerhalb des Büros effektiv arbeiten und dennoch mit anderen in Verbindung bleiben können. Dieses Jahr wird die IT-Abteilung zudem Microsoft Teams in weiteren Konferenzräumen einführen. "Wir sind besonders daran interessiert, Kameraansichten und Panels zu nutzen, die unsere Meeting-Erfahrungen zwischen externen und internen Mitarbeitern angleichen", sagt Hamerlinck Lane.

Low-Code und No-Code wird unterschätzt

Eine von mehreren IT-Initiativen für Shure im Jahr 2023 ist laut Hamerlinck Lane, Citizen Development mit Low-Code und No-Code zu priorisieren. Zudem wird eine Plattform auf AWS aufgebaut, um die Entwicklungsteams des Unternehmens bei der Migration von Software in die Cloud und beider Entwicklung von IoT-Produkten zu unterstützen.

Shure investiert auch in Microsoft 365. "Unser gesamtes Programm ist auf die Bereitstellung von Daten und Endbenutzer-Tools ausgelegt, um den Usern die Möglichkeit zu geben, selbst zu entscheiden," so Hamerlinck Lane.

Lesley Salmon, Senior Vice President und Global CIO von Kellogg's, stimmt dem zu: "Da die Nachfrage nach Apps weiter steigt, wird die Entwicklung durch Citizen Developer zur Norm, um Menschen zu helfen, effizienter zu arbeiten. Auch der Konzern werde bald mit Microsofts Low-Code Power Platform beginnen.

"Wir werden unsere Organisation in die Lage versetzen und ermutigen, ihre eigenen Apps zu entwickeln, indem wir einen Community-Ansatz zum Lernen und Unterstützen aufbauen", sagt sie. Und was wäre besser geeignet, die Zukunft der Arbeit zu fördern, als Mitarbeiter zu befähigen, ihre Arbeitsabläufe selbst zu verbessern? (ajf/jd)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.