Neuer Vertriebsweg

Ebay für Große

02.02.2004 von Lars Reppesgaard
Die Mutter aller Online-Auktionen etabliert sich als Vertriebskanal für Großfirmen. Als neuester Kunde bietet Quelle seine Waren bei Ebay an. Autohersteller Audi ist hingegen wieder ausgestiegen.

Mehr als 14 Millionen Menschen handeln mindestens einmal im Monat über Ebay Deutschland, ermittelte Nielsen Net-Ratings. Weltweit geht alle drei Minuten ein Auto über den virtuellen Tresen, alle zehn Minuten ein Navigationssystem, alle 30 Sekunden ein Laptop. Noch sind 95 Prozent der Auktionsanbieter Privatpersonen und kleine Unternehmen. Doch angesichts dieses Marktes beginnen auch Markenartikelhersteller und Großhändler sich für das digitale Auktionshaus als Absatzkanal zu interessieren. Zuletzt eröffnete die Quelle AG einen eigene Auktionsseite bei Ebay.de. Versteigert wird Saison- und Restware. Zwischen 300 und 400 Artikel sind gleichzeitig eingestellt, vor allem Kleidung, Schuhe, Elektrogeräte und Autozubehör.

"Es geht darum, als First Mover Erfahrungen zusammeln", erklärt Annette Noll-Decke, Leiterin Neue Medien bei Quelle. "Bei Ebay erreichen wir Zielgruppen, die bisher nicht zu den klassischen Versandhandelskunden gehörten." Zudem lassen sich hier auch geringe Bestände offerieren, für die es sich nicht lohnt, einen Katalog zu drucken. Vergangenes Jahr gingen bereits 14 Prozent der insgesamt umgesetzten vier Milliarden Euro auf das Konto von Bestellungen über die Website www.quelle.de. Selbstbewusst verkündet Gebhard Stammler, der für den Vertrieb zuständige Vorstand bei Quelle: "Wir wollen in einem Jahr der größte Powerseller bei Ebay sein."

Doch ohne Risiko ist der Einstieg nicht. Nach wie vor kommt es zu spektakulären Betrügereien auf der Plattform, Haftungsfragen sind dabei oft ungeklärt. Zudem ist nicht geregelt, ob sich deutsche Shopper auf das deutsche Datenschutzrecht berufen können oder ob die umstrittene, auf löchrigen US-Standards fußende Privacy Policy des Auktionshauses gilt. Zudem ist Ebay eineHandelswelt für sich, in der andere Spielregel als in der Offline-Welt gelten, was das Timing und die Verkaufszyklen von Produkten angeht. Wer hier falsch entscheidet, kannibalisiert sein Kerngeschäft und verärgert offline die Filialleiter oder andere wichtige Weiterverkäufer.

Neukunden gewinnen

IBM verkauft deshalb nur Laptops und Desktop-Rechner, die das Ende ihres Produktzyklus erreicht haben, oder Ware, die nach Insolvenzen oder anderen Zahlungsschwierigkeiten über die globale Finanzierungsgruppe des Unternehmens wieder eingezogen wurde. Etwa 50 Prozent der Produkte, die IBM über Ebay verkauft, gehen an Neukunden. Die Gewinnspannen übertreffen dieanderer Verkaufskanäle bei weitem, schließlich wird der Zwischenhandel auf diese Weise ausgeschlossen. In dem Elektronik-Shop-Angebot des Auktionshauses betreiben auch Dell, Sun Microsystems und Fujitsu eigene Shops. HP offeriert ebenfalls - vor allem retournierte Waren vom Drucker bis zum Server. "Wir sind überzeugt, dass Ebay mit seiner enormen Kundenbasis einen bedeutenden und bisher ungenutzten Markt für HP öffnet",betont Marius Haas, HPs Vice President E-Business.

Bei Ebay selbst hält man es für sinnvoll, derartige Programme nicht als von anderen Unternehmensprozessen losgelöste Testballons zu betrachten. Die Potsdamer Firma versucht derzeit, mit Messeauftritten und Fortbildungsveranstaltungen vor allem große Handelsunternehmen für Online-Auktionen zu interessieren. DieFirmen brauchen einen Ebay-Verantwortlichen und eine Strategie", rät Ebay-Unternehmenssprecher Joachim Guentert. Es nütze nichts, unzählige Artikel auf denAuktionsseiten einzustellen, wenn die Aktionen zum Beispiel nicht mit dem Kundendienst verzahnt sindund nicht klar ist, wer Rückfragen beantwortet oder den Versand abwickelt.

Aussteiger Audi

Die Audi AG hatte den Fehler gemacht, ohne feste Zuständigkeiten mit Ebay-Angeboten zu experimentieren. Im Juni 2002 begann der Autohersteller als eines derersten deutschen Unternehmen mit einem Projekt. Was schief ging, ist heute nicht mehr aufzuklären, denn Audi mauert. In Ingolstadt will offiziell niemand über das Projekt sprechen. Man habe lediglich interessierteGebrauchthändler koordiniert, heißt es. Doch ganz so unbeteiligt, wie Audi heute tut, war der Konzern nicht: Die Audi-Bank bot bei Bedarf auch Finanzierungsleistungen für die online auktionierten Autos. Und die Angebote waren mit der eigenen Jahreswagenbörseverlinkt. Warum das Projekt schließlich im Nirvana der Zuständigkeiten zwischen Marketing und Vertriebversandete, ist nicht mehr auszumachen.

Andere machen es besser: Ein fest definiertes Ebay-Projektteam betreut beispielsweise bei Hewlett-Packard die Angebote. Die Idee für das HP-Projekt stammt vom Beratungsunternehmen Accenture, das mit seinem Programm namens "Connection to Ebay" Konzerne unterstützt, ansonsten unverkäufliches Inventar über die Auktionsplattform loszuschlagen. Die Berater helfen beim Auktionsmarketing und haben Softwarewerkzeuge programmiert, mit denen sich die Vorgänge auf der Auktions-Site in das bestehende Netzwerk und in die Geschäftsabläufe einer Firma integrieren lassen.

Bei Quelle sind ebenfalls Kundenbetreuer eigens für die AuktionsDeals veranwortlich. Sie entscheiden, ob sie Produkte auf Ebay einstellen oder etwa alternativ eine Rabattaktion ins Leben rufen. Konträr laufende Angebote sind auf diese Weise ausgeschlossen.

Zusätzliche Beratung durch Auktions-Profis könnte Quelle aber beim "Category Management" gebrauchen. Denn einzuschätzen, wo was am besten platziert wird, erfordert Expertise. Allein die Kategorie Foto hat fast 300 Unterverzeichnisse, die geradezu einladen, Waren so falsch zu parken, dass sie kein Schnäppchenjäger findet.

Bewertungspunkte sammeln

Doch abgesehen von der Beratung bekam selbst ein so renommierter Handelsname wie Quelle keine Starthilfe von Ebay. "Wir behandeln alle gleich, ob Privatkunden, Kleingewerbler oder Großunternehmen. Auch Quelle musste bei null anfangen", erklärt Guentert. Das heißt, dass Deutschlands größtes Versandhaus ohne eineneinzigen der als Vertrauensbeweis geltenden Bewertungspunkte ins Auktionsgeschäft einstieg. Immerhin erhandelten sich die Essener innerhalb von nur zwei Monaten rund 850 positive Einschätzungen. Doch der Erfolg ist relativ: Deutschlands agilster Netzauktionator, das Unternehmen Foto Walser, hat schon 90 000 Punkte.