Startups

Ein bisschen Show muss sein

12.03.2015 von Christiane Pütter
Show-Qualitäten bescheinigt Management-Berater Frederic Cuny der Start-Up-Szene. Dabei übersieht er nicht, dass sich die etablierten Unternehmen von den digitalen Hipsters etwas abgucken können.
Heute bester Freund, morgen schon Kollege: In schnell wachsenden Start-Ups ändern sich die Rollen der Gründerteammitglieder rasant.
Foto: Kzenon - Fotolia.com

Berlin? Da hält es Professor Thomas Schildhauer nicht mit akademischer Zurückhaltung: "So viel Energie und Enthusiasmus wie heute haben wir selten gesehen!", sagte der Direktor des Institute of Electronic Business (IEB) Ende Januar auf einer Veranstaltung des Euroforums in München. Es geht um die Start-Up-Szene der Hauptstadt.

Dass die Szene so floriert, führt Schildhauer nicht nur auf die vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten zurück, sondern auch auf die ausgereifte Szene in Kunst und Design. Vor allem aber profitieren Start-Up-Gründer von ihrer "generell positiven Selbsteinschätzung hinsichtlich der eigenen Kompetenzen" und natürlich von ihren Teams. Genau das ist ein Thema für Nora Heer.

Heer war mehrere Jahre lang Head of Human Resources bei Project A, einem Company Builder aus - natürlich - Berlin. Mit einem 80 Millionen Euro-Fonds und einem Netz aus rund 100 Experten im Rücken unterstützte Project A zuletzt 26 Start-ups in ihrer Entwicklung. Erst voriges Jahr gründete Heer selbst. Ihr junges Unternehmen Loopline Systems verkauft HR-Lösungen.

Die typischen Assoziationen zur "Digital Hipness" mit ihren jungen Jeans-und-T-Shirt-Trägern einerseits und der Begriff Führung andererseits - für Nora Heer kein Widerspruch. Im Gegenteil. "Start-Ups müssen oft in kurzer Zeit erfolgreich sein, um sich gegenüber anderen zu beweisen. Dies ist nur möglich, wenn es die jeweiligen Führungskräfte schaffen, ihre Mitarbeiter zu motivieren, und wenn alle konsequent am gleichen Strang ziehen", erklärt sie gegenüber cio.de.

"Da liegt der Widerspruch!"

Frederic Cuny aus der Geschäftsleitung vom Management-Berater Kienbaum sieht das differenzierter. Führung besteht für ihn aus zwei Komponenten, Management und Leadership. "Mit Management wird prozessorientiertes Führungsverhalten verbunden, mit Leadership die Fähigkeit, Leute für ein gemeinsames Unterfangen zu motivieren", erklärt Cuny. Und weiter: "Die erste Komponente der Führung ist innerhalb der Start-up Szene eher unerwünscht, in der Tat, die zweite Komponente wird eher überthematisiert. Da liegt der Widerspruch!"

Cuny beobachtet, dass die Start-up Szene den "Glamour-Effekt des Leaderships" kultiviert. So würden gerne "risikobereite, photogene junge Unternehmerinnen und Unternehmer gezeigt". Dass hier "ein bisschen Show dabei" ist, findet der Consultant verzeihlich, schließlich geht es auch darum, die junge Generation für das Unternehmertum zu begeistern.

Im Arbeitsalltag jedoch spiegelt sich dieser Glamour nicht unbedingt. "Ich kenne sehr erfolgreiche digitale Unternehmen, die sehr stringent von effizienzorientierten, weniger photogenen Managern auf- und ausgebaut wurden", schmunzelt Cuny.

Eine gute Führung setze eine ausgewogene Mischung aus Management- und Leadership-Qualitäten voraus - und zwar jeweils zu ihrer Zeit. Konkret: "Erfahrungsgemäß sind die reinen Leadership-Qualitäten in den frühen Phasen eines Start-Ups relevanter: Eine schnelle Entscheidungsfähigkeit, Kreativität, Risikobereitschaft und die Fähigkeit, Sinn zu schaffen, sind da von großer Bedeutung", sagt der Consultant.

Ab einem gewissen Reifegrad zählten dann klassische Management-Fähigkeiten wie Organisationsführung - etwa Ressourcen, Strukturen, Prozesse und Schnittstellen - sowie Komplexitätsvereinfachung, Personalentwicklung und Anderes. Ab wann dieser Reifegrad erreicht ist, da will sich Cuny nicht festlegen. Das sei schwer zu beurteilen.

Führung in Start-Ups: drei Stimmen
Start-Up-Kultur
Ist von Start-Ups die Rede, fallen schnell Assoziationen wie jung, hip, kreativ. Auf den folgenden Seiten finden Sie Zitate aus drei Perspektiven: von einer Gründerin, einem Management-Consultant und einem Professor.
Gründerin Nora Heer
"Start-Ups müssen oft in kurzer Zeit erfolgreich sein, um sich gegenüber Anderen zu beweisen. Dies ist nur möglich, wenn es die jeweiligen Führungskräfte schaffen, ihre Mitarbeiter zu motivieren und alle konsequent am gleichen Strang ziehen", sagt Nora Heer, Gründerin des Start-Ups Loopline Systems.
Berater Frederic Cuny
Für Frederic Cuny aus der Geschäftsleitung vom Management-Berater Kienbaum besteht Führung aus zwei Komponenten, Management und Leadership. "Mit Management wird prozessorientierte Führungsverhalten verbunden, mit Leadership die Fähigkeit, Leute für ein gemeinsames Unterfangen zu motivieren", erklärt Cuny. "Die erste Komponente der Führung ist innerhalb der Start-up Szene eher unerwünscht, in der Tat, die zweite Komponente wird eher überthematisiert. Da liegt der Widerspruch!"
Professor Thomas Schildhauer
IEB-Direktor Schildhauer beobachtet: „Alle wollen die smarten jungen Leute!“ Von daher könnten sich etablierte Unternehmen bei den Start-Ups etwas abgucken.

Gründerin Heer koppelt den Reifegrad an eine gewisse Mitarbeiterzahl. Ab 50 oder 100 Mitarbeitern brauche ein Start-Up klare Strukturen, sagt sie. Abläufe sollten definiert und Kommunikationsregeln erstellt werden, damit Effektivität und Motivation erhalten bleiben.

Die Ansprüche der Generation Y

Die Szenekennerin unterstützt die These, wonach vor allem die Generation Y in Start-Ups zu finden ist. Um zu illustrieren, wie sich deren Ansprüche von denen der "Baby Boomer" unterscheiden, zieht Heer die "Multiple Generations @ Work"-Studie 2013 von Future Workplace heran. Demnach zeigen sich ältere Arbeitnehmer mit übers Jahr verteilten, festgelegten Mitarbeiter-Gesprächen zufrieden.

Nicht so die jüngeren. 80 Prozent der Generation-Y-Mitarbeiter verlangen laut der Studie kontinuierlich Feedback, 75 Prozent wünschen sich Mentoren. Über den Unterschied zum klassischen Unternehmen sagt Heer: "Sicher gibt es weniger Hierarchien, und Mitarbeiter finden hier viel Gestaltungsmöglichkeiten und Selbstbestimmung, um eigene Wege zu entdecken und schnell selbst Verantwortung zu übernehmen."

Da können sich die Etablierten durchaus etwas abgucken, findet Kienbaum-Manager Cuny: "Unternehmen sollten von Start-Ups lernen, dass man den Führungskräften und den Mitarbeitern die Möglichkeit geben kann, einen schnellen, sichtbaren Einfluss auf die Organisation, die Produkte und die Dienstleistungen auszuüben." So sieht es auch IEB-Direktor Schildhauer. Denn, so seine Erfahrung: "Alle wollen die smarten jungen Leute!"