Social Networks

Ein erneuter Abgesang auf Xing

08.05.2013 von Jürgen Vielmeier
Jahrelang war die Rollenverteilung im Prinzip klar: Xing der Adressspeicher, Facebook das Eventportal. Ein nachlassendes Interesse an Social Networks könnte vor allem Xing schaden. Ein Abgesang, wieder einmal.
Oft totgesagt, doch noch immer online: Xing
Foto: Xing

Vor kurzem fragte ich im Kreis meiner Follower auf Twitter, wer von ihnen eigentlich noch Xing benutze. Tenor der Antworten: "Schon lange nicht mehr", "Zu viele Business-Kasper im Anzug" oder auch "Verwende ich nur noch als Adressspeicher".

Vor allem letztere Aussage ließ mich aufhorchen. Was ist Xing eigentlich noch mehr für mich als ein bloßer Adressspeicher? Und ist die größte Gefahr für die Hamburger jetzt nicht, dass der Spaß an Facebook nachlässt und man das weltgrößte Social Network nur noch als Adressspeicher, Nachrichtentool und Geburtstagskalender benutzt?

Ich betrachte Xing mittlerweile mit gemischten Gefühlen. Bis zu meinem Geburtstag im März hatte ich das Kontaktnetzwerk in diesem Jahr überhaupt noch nicht angesteuert und ich ärgerte mich trotz der Freude über einige Geburtstagsgrüße, dass ich Xing erst aufrufen musste, um sie zu lesen. Das deutsche Social Network macht einem den Besuch nicht gerade schmackhaft. Angemeldet zu bleiben, funktioniert nur im Prinzip. Anders als bei Facebook muss man sich bei jedem Besuch immer wieder einloggen. Der Posteingang und die Anfrage neuer Kontakte sind nur auf den ersten Blick schön designt; funktional gesehen sind sie ein Graus. Einfach durch alle Kontaktanfragen durchgehen und jeweils mit einem Klick abnicken, geht nicht. Xing fordert von mir das Öffnen eines Nachrichtenfensters, um einen Kontakt zu bestätigen. Die Reaktionszeit beträgt Sekunden, der ganze Bestätigungsprozess damit Minuten. Als Nutzer ärgert man sich.

Und dann sind es die kleinen Dinge, die mir bei Xing wiederum besonders gut gefallen: Wer als letztes mein Profil besucht hat, ist für mich weiterhin eine Killerfunktion. Vielleicht ist ein potenzieller Auftraggeber dabei, vielleicht ein alter Schulfreund, der mal vorbei geschaut hat. Meine Lieblingsfunktion der neuen Xing-iPad-App: der Geburtstagskalender. Man mag mir Voyeurismus vorwerfen, aber gerade die Tatsache, dass hier eine Vielzahl meiner Kontakte mit Geburtsdatum und -jahr aufgelistet wird, lässt mich wiederkommen. So alt ist derjenige also. Interessant.

Facebook ist vielfach das bessere Xing

Es stimmt: Xing macht mir als Adress- und Kontaktspeicher für meine beruflichen Kontakte in Deutschland am meisten Spaß. Wer arbeitet wo, ist wie alt, hat welche Postion gewechselt - all das lese ich hier immer noch lieber als beim seelenlosen Konkurrenten Linkedin. Vielen Nutzern dürfte es ähnlich gehen: Allen Unkenrufen ob der mangelnden Auslandsexpansion zum Trotz geht es Xing gut. Umsatz und Gewinn sind stabil, und noch immer steigt die Zahl der Nutzer in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Unternehmen wird es nicht gerne hören, dass ich mich herzlich wenig um die Foren, die Jobsuche, die organisierten Business-Stammtische und die meisten neuen Funktionen aus den Xing Beta Labs schere. Ich benutze Xing als Kontaktnetzwerk und als kaum etwas anderes.

Zuletzt allerdings beschlich mich das Gefühl, als würde Facebook zu meinem neuen Kontaktspeicher werden. Mehr und mehr Bekannte aus meinem Berufsleben fügen mich lieber hier hinzu als auf Xing oder LinkedIn. Das Schreiben von Nachrichten und Hinzufügen neuer Kontakte geht hier deutlich leichter von der Hand. Geburtstage werden auch hier angezeigt. Veranstaltungen sind meist auch solche, zu denen ich wirklich gehen würde. Hier kann ich Kontakter, die mich nerven, mit einem ruhigeren Gewissen einfach mundtot machen. Man kommt sowieso nicht umhin, Facebook hin und wieder zu besuchen, erfährt also auch, was die Bekannten täglich beschäftigt.

Kontaktaufnahme am liebsten über Facebook

Als Nutzer geht man immer den Weg des geringsten Widerstands. Mein Wunsch als Endnutzer ist deswegen mittlerweile, täglich so wenige Social Networks wie möglich ansteuern zu müssen. Bei mir hat sich hier klar Facebook als Favorit herauskristallisiert, weil es das einzige Netzwerk ist, auf dem ich wirklich alle meine wichtigsten nationalen und internationalen Kontakte zusammen habe. Und weil mir der Aufenthalt dort zuletzt noch am meisten Spaß gemacht hat. Ich merke allerdings, wie die Lust an der Selbstdarstellung langsam schwindet. Täglich etwas über sich erzählen oder darüber zu lesen, was die Bekannten gerade Ach-so-Spannendes machen, wird mir zunehmend langweilig. Dort bleiben werde ich natürlich trotzdem, denn ein besseres internationales Kontaktnetzwerk kenne ich nicht. Vergangenes Wochenende meldete ich mich etwa bei einer Bekannten aus Lissabon, weil ich in einigen Wochen dorthin reisen will. Mit Xing, Twitter oder Google+ wäre die Kontaktaufnahme nicht möglich oder nicht praktikabel gewesen, mit LinkedIn zu förmlich, die E-Mail-Adresse hatte ich verlegt. Facebook erschien mir dafür ideal.

Interesse an Social Networks nimmt ab

Was Xing schlimmstenfalls blüht: Dass die Nutzer Social Networks nur noch passiv nutzen. Und wenn sowohl Facebook als auch Xing einen Adressspeicher und einen Geburtstagskalender haben, dann spricht mehr dafür, Facebook in dieser Angelegenheit zu nutzen. Dass Xing sich wieder auf den DACH-Raum konzentriert und die Auslandsexpansion aufgegeben hat, wurde schon vor Jahren kritisiert. Für das Unternehmen war die Rückbesinnung dennoch kein Problem, solange Social Networks für die Nutzer spannend waren. Diese Zeit allerdings scheint vorbei zu sein.

Gleich mehrere Statistiken der vergangenen Monate berichten über ein Nachlassen der Nutzerzufriedenheit, ein Rückgang der Nutzerzahlen in einigen Märkten und auch ein allgemein nachlassendes Interesse der Nutzer zwischen 18 und 29 an Facebook. Das bedeutet nicht etwa, dass alle zu Google+ wechseln würden. Laut einer Bestandsaufnahme des "San Francisco Chronicle" würden junge Menschen lieber "intimere" Tools wie Snapchat nutzen. Die großen Social Networks: schlicht nicht mehr interessant. Passend dazu sieht Kollege Martin Weigert an Facebooks neuem Newsfeed nicht einmal mehr eine Evolution, sondern nur ein bloßes Redesign. Zu wenig, um die Nutzer noch zu begeistern?

Wenn Facebook zu einem besseren Adressspeicher verkäme, bräuchte man Xing dafür nicht mehr. Und dann wiederum mutet es seltsam an, sich auf Facebook beim Personalchef eines Unternehmens nach einem Job zu erkundigen. Hier wäre Xing nach wie vor der seriösere Weg. Abgesänge hat man sich bei Xing schon oft anhören müssen. Dafür schlägt man sich nach wie vor erstaunlich gut. Diesmal aber ist es so weit. Wieder einmal. Müsste eigentlich.

Zähne zeigen
Dieses Foto wäre perfekt, wenn der Herr Zähne zeigen würde. Denn, so Bewerbungsexpertin Svenja Hofert: "Gute Fotos zeigen Zähne. Diese sind auch im Miniaturformat sichtbar."
Ungünstiger Hintergrund
Hier stimmt gar nichts. Das Foto wirkt zu verspielt und ist sehr unprofessionell. Offenbar liegt die Dame zu Hause auf dem Bett, was vor allem am Hintergrund zu erkennen ist. Wer sein Bild zu Hause macht, sollte darauf achten, dass der Hintergrund neutral ist. Svenja Hofert rät: "Tapeten gehören ins Wohnzimmer, nicht zu Xing. Hintergründe sind neutral, ohne Muster und am besten hell."
Dunkel auf Hell
Apropos Hintergrund: Der sollte also hell sein. Am besten zieht man dazu etwas Dunkles an mit möglichst wenig Muster. Im abgebildeten Foto ist das schon ganz gut. Der Herr sollte jetzt nur noch direkt in die Kamera blicken, dann wäre es perfekt.
Werbeberater
Kleiden Sie sich branchengerecht, wie der Werbeberater auf diesem Foto! Werber sehen nun einmal anders aus als Banker und sollten das auch zeigen.
Ganzkörper-Foto
Ganzkörper-Fotos sind absolut tabu. Ins Internet mit seinen Miniaturbildern gehören nur Porträts vom Gesicht.
Private Fotos
Private Fotos gehören ins Fotoalbum: Xing ist ein Netzwerk für Business-Kontakte.
Fußporträt
Bleiben Sie erkennbar! Nasen- oder Fußporträts sind etwas für StudiVZ oder andere Fun-Plattformen, haben aber im Business-Internet nichts verloren.

Dieser Artikel ist zuerst auf netzwertig.com erschienen. (Quelle: Wirtschaftswoche)