Sam Palmisano geht

Eine Frau führt künftig IBM

26.10.2011
Nach zehn Jahren an der Spitze von IBM räumt Sam Palmisano seinen Stuhl. Er hat "Big Blue" umgekrempelt. IBM führt künftig eine Frau - eine langjährige Weggefährtin.
Virginia Rometty löst zum Jahreswechsel Sam Palmisano ab.
Foto: IBM

Armonk (dpa) - Die 430.000 Mitarbeiter von IBM hören demnächst auf die Kommandos einer Frau: Virginia Rometty übernimmt zum Jahreswechsel den Chefposten vom legendären Sam Palmisano. Die 54-Jährige wird damit einen der erfolgreichsten Manager der USA beerben. Er hat in seinen zehn Jahren an der Spitze von "Big Blue" den Computerhersteller zu einem Dienstleistungsgiganten umgebaut, dem nicht einmal die Wirtschaftskrise viel anhaben konnte.

"Sam hat uns vor allem beigebracht, niemals damit aufzuhören, IBM neu zu erfinden", sagte Rometty am Dienstag am Firmensitz in Armonk im US-Bundesstaat New York. Palmisano war 2002 zum IBM-Chef aufgestiegen und drückte dem Unternehmen seinen Stempel auf: Er verkaufte nacheinander das angestammte Geschäft mit PCs, Druckern und Festplatten und steckte die Erlöse in den Zukauf von Softwarefirmen sowie in den Ausbau des Beratungs- und Servicegeschäfts.

Der Umbau war erfolgreich. Heute ist IBM ein Koloss mit einem Jahresumsatz von 100 Milliarden Dollar und einer Börsenbewertung von mehr als 250 Milliarden Dollar. Damit ist das Computerurgestein, das in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hat, mehr wert als Google oder Microsoft und wird unter den Technologiefirmen nur noch von Apple übertroffen.

IBM betreibt heute etwa die Rechenzentren für andere Firmen. Das ist wesentlich lukrativer, als einfache Hardware zu bauen. Von der alten IBM sind im Wesentlichen noch die leistungsstarken Firmenrechner übrig geblieben. "Es gibt keine größere Ehre im Geschäftsleben, als gefragt zu werden, ob man IBM führen möchte", sagte Rometty.

100 Jahre IBM
1890: Hollerith Tabulator & Sorter Box
Diese Maschine baute Herman Hollerith 1890 für das U.S. Census Bureau. Lochkarten setzten – je nach Lochmuster – elektrouhrenartig verschiedene Zähler in Bewegung. Die Lochkarte ist die Mutter der Computer von heute, Holleriths Firma die Nabelschnur von IBM.
1901: Hollerith Automatic
Eine von 20 automatischen Sortiermaschinen, wie sie 1901 von Hollerith wiederum ans Zensusbüro geliefert wurde. Die Lochkarten wurden automatisch in 12 verschiedene Taschen einsortiert.
1911: Das Geburtsjahr
Der Finanzmagnat Charles R. Flint betrieb die Fusion der International Time Recording Company, der Computing Scale Company und der Tabulating Machine Company zur Computing-Tabulating-Recording Company (CTR) - direkter Vorläufer von IBM.
1914: Das Firmenmotto
Der spätere langjährige Konzernchef Thomas J. Watson brachte 1914 das Firmencredo auf den Punkt: "Think". Das Schlagwort wurde den Mitarbeitern durch solche Schilder in Fabriken und Büros eingeimpft, ebenso den Kunden in Kalendern und Firmenbroschüren.
1924: International Business Machines
1924 wurde aus CRT "International Business Machines", kurz IBM. Die Globus-Form des Logos unterstrich den internationalen Anspruch des Unternehmens, die Sans-Sarif-Schrift seine Modernität.
1930er und 1940er Jahre
Vor dem Computerzeitalter produzierte IBM unter anderem Uhren, Uhrenzeiger, ...
1930er und 1940er Jahre
Feueralarm-Systeme, ...
1930er und 1940er Jahre
Mikrofone und vieles mehr.
1935: Die elektrische Schreibmaschine Model 01
1933 erwarb IBM Patente und Produktionsstätten der Electromatic Typewriters, Inc., in Rochester, New York. Zwei Jahre später brachte man die erste von einer Massenkundschaft in den USA gekaufte elektrische Schreibmaschine auf den Markt.
1947: Neues Logo
Simple Lettern in einer Schrift Namens "Beton Bold": Das neue Logo symbolisierte eine Umbruchphase, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch für IBM begann.
Das Ende der Lochkarte
Die klassischen Lochkarten hatten als Rechenmedien ausgedient. Diese Maschine aus der Zeit um 1950 setzte 650 Karten pro Minute um.
1950er: IBM 726 Tape reel
Umgerechnet 12.500 Lochkarten pro Minute entsprach die Verarbeitungsleistung der damals für Furore sorgenden Magnetbänder. Die Voraussetzungen für Lesen, Schreiben und Speichern von Informationen in einem waren gegeben, das Computerzeitalter eingeläutet.
1953: IBM 650
Als "Arbeitspferd der modernen Industrie" machte der IBM 650 ab 1953 Epoche. Der Magnettrommel-Rechner brachte ein ungekanntes Level an Zuverlässigkeit in die junge Ära der elektronischen Datenverarbeitung. Tauchte etwa ein Fehler beim Random Processing auf, konnte der 650er automatisch auf eine frühere Stufe zurückspringen und dort neu starten. IBM kündigte den Rechner als "wesentlichen Faktor an, der Geschäftswelt und Industrie mit den Prinzipien von Speicherprogrammen vertraut macht".
1953: IBM 701
Zwei Jahre nur soll die Entwicklung des 701ers vom Bleistift zur Produktion gedauert haben: der erste kommerziell erhältliche und für den Massenmarkt hergestellte IBM-Computer. Die Ursprünge der Technologie liegen in martialischen Gefilden: IBM-Chef Thomas Watson diente während des Korea-Krieges der US-Regierung seine Hilfe an. Man bat um einen Computer, der bei Flugzeugdesign, Atomforschung und Munitionsfertigung nützlich sein könnte. Der auf diesen Vorarbeiten basierende 701er war in der Lage, 16.000 Additions- und Subtraktionsaufgaben pro Sekunde lösen. Und er war der Auftakt für die legendäre 700er-Serie aus dem Hause IBM.
1961: Selectric-Schreibmaschine
Ebenso wie IBM selbst hat auch eine der legendärsten Schreibmaschinen aus diesem Hause in diesem Jahr einen runden Geburtstag: Am 31. Juli 1961 löste die IBM Selectric eine Sensation aus und startete eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Viele Jahre lang war sie die meistverbreitete Büroschreibmaschine und hat dieses Werkzeug verändert. Ihr einzigartiger Kugelkopf ermöglichte Schreibkräften ein schnelles "Fliegen" über die Tastatur. So konnte eine gut geschulte Schreibkraft 90 Wörter pro Minute tippen. Im Vergleich dazu waren mit einer traditionellen Schreibmaschine nur etwa 50 möglich. Der Kugelkopf bewegte sich über die komplette Seitenbreite. Das machte die Selectric zur ersten Schreibmaschine, die den Schreibwagenrücklauf abschaffte und somit die nötige Stellfläche auf den Schreibtischen reduzierte. Die Kugelköpfe waren mit unterschiedlichen Schriftarten, Kursivdrucken, wissenschaftlichen Formeln und in verschiedenen Sprachen erhältlich und konnten auf einfache Art und Weise gewechselt werden. Die Selectric war außerdem Vorläufer und Vorbild der frühen Computerterminals und hat den Weg für die Tastatur geebnet, das bis heute vorrangige Eingabegerät für die Interaktion mit Computern - entgegen Knöpfen oder Hebeln, die vorher nötig waren.
1964: System/360
System/360 verband 1964 die losen Enden der damaligen elektronischen Datenverarbeitung. Den Anwendern konnten systemfähige Rechner zu erschwinglichen Preisen angeboten werden. Insbesondere war in Unternehmen nun die Integration aller Anwendungen in ein einziges Management-Informationssystem möglich. Begrenzte Speicherkapazitäten waren nun kein unüberwindliches Hindernis mehr beim Computereinsatz. Zudem hob System/360 die bisher klare Grenze zwischen Forschungs- und Unternehmensrechnern auf.
1972: Langlebiges Logo
Geschwindigkeit und Dynamik sollte das 1972 von Paul Rand entworfene neue Firmenlogo ausdrücken. Langlebigkeit hat es in jeden Fall bewiesen. Seit fast 40 Jahren gab es im Design nur noch marginale Veränderungen.
1977: IBM's 3033
"The Big One" – so wurde kurz nach Amtsantritt von US-Präsident Jimmy Carter der neue 3033 von IBM etikettiert. Im Vergleich zur Vorgängergeneration konnte die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung nahezu verdoppelt werden. Dafür benötigte die Neuentwicklung aber auch nur halb so viel Platz. Der erste Kunde, Singer Company, führte auf Basis der 3033 bereits ein unternehmensweites Online-Reporting-System ein.
1981: IBM Personal Computer
1981 war es endlich soweit: Der erste als solcher bezeichnete Personal Computer von IBM für den Massenmarkt wurde vorgestellt. Vorläufer gab es viele, und der neue PC vereinte ihre jeweils wichtigsten Vorzüge.
1990: IBM PS/1
Etwa ein Jahrzehnt später galt der PS/1 als erneuter Durchbruch. Als benutzerfreundliches Gerät für die ganze Familie konzipiert, wurden nach damaligen Maßstäben neue Dimensionen in Bezahlbarkeit und Kompaktheit erreicht. Ein bisschen größer als ein Tablet-PC war das Ding allerdings. Was sich seither in der IT-Welt verändert hat, dürfte jeder CIO aus eigenem Erleben wissen.
Sam Palmisano geht noch nicht in den Ruhestand.
Foto: IBM

Sie hatte 1981 als Systemtechnikerin angefangen und sich bis zur weltweiten Verkaufsleiterin hochgearbeitet. Damit gehört sie zum Führungszirkel des Konzerns. "Ginni Rometty hat in den vergangenen zehn Jahren eine ganze Reihe von IBMs wichtigsten Geschäftszweigen geleitet", sagte Palmisano und lobte seine Nachfolgerin als "ideale Konzernchefin".

Sam Palmisano passt weiter auf IBM auf

Palmisano wird sich allerdings noch nicht komplett verabschieden, obwohl er das für IBM-Chefs typische Rentenalter von 60 Jahren erreicht hat. Er bleibt dem Konzern als Vorsitzender des Verwaltungsrats erhalten und ist in dieser Funktion der oberste Kontrolleur im Hause.