Analysten-Kolumne

Eine Lanze für die Cebit

07.03.2007 von Thomas Lünendonk
Die Cebit kämpft mit Besucher- und Ausstellerschwund. Dennoch erscheint die Messe wichtiger denn je. Thomas Lünendonk bricht in seiner Kolumne eine Lanze für die Großveranstaltung.

In den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts galt die Cebit als geeignete Alternative. Hier waren alle wichtigen Hardware- und Software-Hersteller sowie die dazugehörigen Dienstleister an einem Platz versammelt - zwar auch als geballte Informationsfülle, aber doch auf einen Zeitraum und einen Ort eingegrenzt. Die zunehmenden Überschneidungen zwischen Business- und Consumer-Elektronik sowie das Ineinanderfließen von Telekommunikation, klassischer EDV und Internet-Technologie - Stichwort Konvergenz - führten jedoch das Angebot an die Grenzen der Konzeption einer einzigen Leitmesse für alle Themen. Obwohl die Cebit als der internationale Treffpunkt für "Büro- und Informationstechnik" galt, büßte sie bei Besuchern ebenso an Zugkraft ein wie bei Ausstellern. Rasches Wachstum geht nun einmal fast zwingend mit einer gewissen Unübersichtlichkeit einher.

Die Cebit stellt sich den Herausforderungen

Doch die Cebit steuert gegen und stellt sich den Herausforderungen. Bereits 2006 griff die Messegesellschaft die Anregungen von Besuchern und Ausstellern auf und schuf erste neue Strukturen. So sorgten thematische Schwerpunkte, beispielsweise Outsourcing oder Business Intelligence, die räumlich zusammengeführt wurden, für mehr Orientierung für die Besucher. Diese Konzeption wird sich fortsetzen. 2007 werden Themen wie SOA, Service-orientierte Architekturen, und CRM sowie weitere Schwerpunkte gebildet. Darüber hinaus wurden Branchenanbieter - soweit thematisch und organisatorisch möglich - ebenfalls räumlich konzentriert, damit es zu "Branchentreffs" für Entscheider in Sachen Geschäftsprozesse und IT kommt.

Kundenwünsche werden ernst genommen

Zusätzlich fragte die Messe nach Wünschen der Aussteller sowie ehemaliger und potentieller Aussteller, um eine weitere kundengerechte Optimierung des Angebots entwickeln zu können. Wenig überraschend forderten die befragten Anbieterunternehmen eine "zielgruppen- und branchenorientierte oder themenorientierte Strukturierung“ von Hallen. Auch der Wunsch, die Messe überwiegend dem Fachpublikum zu öffnen, wurde geäußert, damit "Profis“ und allgemeines Publikum sich nicht zu sehr auf die Füße treten. Von Bedeutung war auch noch die "Bereinigung des Messeangebotes um Randthemen“.

Bereits beim Faktor "Randthemen“ traten jedoch durchaus schon unterschiedliche Sichtweisen auf: Was der eine Aussteller für ein Randthema hält, ist für den anderen eine attraktive und sinnvolle Ergänzung seines Spektrums. Hier müssen Messen wie die Cebit immer wieder neu prüfen und justieren, wo sinnvolle Grenzen zu ziehen sind und wo Kompromisse sowohl den Ausstellern als auch den Besuchern dienen.

Kompromisse liegen in der Natur der Struktur

Auch das gewünschte Kriterium der Branchen-, Themen- oder Zielgruppenorientierung lässt sich von den Ausstellern selbst gar nicht so leicht umsetzen. Spezialunternehmen haben es da leichter als breit aufgestellte IT-Anbieter, die sich in mehreren Themen und Branchen bewegen. Wo wäre für diese breiter aufgestellten Anbieter der richtige Platz - in mehreren Hallen mit dem jeweils spezifischen Angebot oder in einer Halle mit einem richtigen und mehreren "fehlplatzierten" Themen? Diese Knoten sind nicht leicht aufzuschnüren - hier müssen von allen Seiten inhaltliche Kompromisse gemacht werden. Entscheidend bleibt jedoch, dass der Besucher rasch und zielsicher seine Ansprechpartner finden kann.

Raum für neue Trends und alle Entscheiderebenen

Eine weitere Konsequenz der Cebit ist, den neuen Trends in IT, Telekommunikation und Dienstleistung angemessen Raum zu geben. Die Tatsache, dass es heute nicht mehr vorrangig nur um Produkt- und Technologie-Innovationen, sondern auch um Struktur- und Geschäftsprozess-Innovationen geht, hat dazu geführt, dass die Messe ab 2008 einen weiteren Schwerpunkt unter dem Thema "Consulting und Services“ bieten wird. Hier sollen sich sowohl Beratungs- als auch IT-Service-Unternehmen mit ihrem Informationsangebot für Entscheider positionieren.

Diese "Querschnittsthematik“ wird besonders für Entscheider von Interesse sein, die sich als Nicht-IT-Experten über neue Möglichkeiten erfolgreicher Unternehmensführung mit IT informieren wollen. Mit diesem geplanten Schwerpunkt wendet sich die Cebit daher neben den Entscheidern aus IT-Organisation und Fachabteilung nachdrücklich auch an das Top-Management, um dem Anspruch einer Entscheidermesse für jede Hierarchiestufe weiterhin gerecht zu werden.

Diese thematische Erweiterung kann nur im Sinne von CIOs und IT-Fachabteilungen sein. Je mehr eine Messe die Verbindung von Strategie, Geschäftsprozessen und IT-Organisation abbildet, desto mehr Verständnis kann sie für Möglichkeiten und Chancen mit Innovation und neuer Technogie erzeugen.

Die Tatsache, dass das Top-Management getrennt auf Strategietagungen und IT-Experten auf Expertentagungen gehen, entspricht nicht mehr den ganzheitlichen Erfordernissen moderner Betriebsführung. Wenn es der Cebit hier gelingt, künftig wieder mehr die Brücke zwischen den verschiedenen "Entscheider-Ebenen" zu schlagen, wird das der Messe, vor allem aber den Unternehmen gut tun.

Eine Lanze für die CeBIT

Last but not least sei hier eine Lanze für die Cebit gebrochen: Viele Länder wären froh, eine internationale Leitmesse mit einer Themenvielfalt und einem Angebot wie die Cebit zu haben. Natürlich wird ein solcher "Gigant“ immer wieder von interessanten Themenmessen mit eindrucksvollen Zuwachsraten attackiert - wer jedoch die Vielfalt der IT und Telekommunikation sowie der dazugehörigen Dienstleistungen und die zunehmende Konvergenz an einem Platz erleben will, wird die Reise nach Hannover nach wie vor mit Gewinn antreten.

Thomas Lünendonk ist Eigentümer des Dienstleistungs- und Marktforschungsunternehmens Lünendonk.