Viele Ideen -wenig Praxis

EMCs lange Reise ins gelobte Cloud-Land

07.02.2011 von Hartmut  Wiehr
Gleich mit 41 Ankündigungen ist EMC jetzt an die Öffentlichkeit getreten. Alle sollen zeigen, dass der Speicherhersteller bestens vorbereitet ist auf die nahende Ära von Virtualisierung und Cloud. Doch die zögerlichen Anwender könnten einen Strich durch die Rechnung machen.

Bisher hatte IBM den Rekord mit 37 Ankündigungen auf einen Streich gehalten: Speicher, Virtualisierung, Management usw. pp. Das hat EMC jetzt zumindest zahlenmäßig übertroffen. Gleich 41 mal wollte man zeigen, dass der Branchenführer bei Storage noch immer die Nase vorne hat.

Mit Rekord-Leistungen beim Motorradsport wollte EMC auf einem "Mega-Event" auf eigene Höchstleistungen aufmerksam machen.

CEO Joe Tucci höchstpersönlich gab den Ton vor, als EMC an drei "Mega-Events" den neuesten Anlauf in Sachen Virtualisierung und Cloud bekannt gab: Man wolle ein Produktfeuerwerk zünden, um den Kunden bei dem explosiven Datenwachstum zu helfen. Zeitgleich präsentierte man drei neue Höchstleistungen für das "Guiness Book of Records", die allerdings rein gar nichts mit IT zu tun hatten.

Es wurde sehr viel Geld dafür ausgegeben, dass ein Motorrad-Crack in Florida Dutzende von EMC-Speicherschränken übersprang oder dass man mehr Menschen in einen Mini Cooper zwängte als jemals zuvor. Offenbar hat man dieses Trara nötig, um sich gegen die erfolgreiche Konkurrenz von NetApp zu inszenieren, die letztes Jahr ein Plus von mehr als 40 Prozent bei dem Verkauf von NAS-Speichergeräten für virtualisierte Server-Umgebungen erzielen konnte.

Alles auf die Karte Storage gesetzt

Tucci sprach auch davon, dass EMC "alles auf eine Karte" setze – auf das ureigene Kerngeschäft Storage. Allerdings habe sich die Technologie massiv verändert und stelle jetzt die wesentliche Basis für Virtualisierung und Cloud Computing dar. Die Einsatzgebiete für Storage seien heute anders als noch vor ein paar Jahren (als EMC alles auf die Karte der großen Speicherschränke wie die Symmetrix gesetzt hatte), und auch die Geschäftsmodelle hätten sich geändert, vor allem granulare Abrechnungsmodelle für Cloud-Services seien gefragt.

Schon seit einiger Zeit hat EMC das Produktportfolio nach unten abgerundet, bis hin zu Consumer-Angeboten. Aktuell hat der Konzern angekündigt, sich mehr in Richtung "Unified Storage" zu bewegen, womit vor allem NAS-Geräte gemeint sind, die auch mittlere und kleinere Unternehmen ohne größere Spezialkenntnisse einsetzen können. Die neue Produktlinie VNX soll skalierbar angelegt sein und leichter zu verwalten. Sie fasst die bisherigen, äußerst unterschiedlichen Ansätze der Produktreihen Clariion und Celerra in einer einzigen zusammen. Sie ist vorrangig gegen NetApp positioniert.

EMC als Promoter von Virtualisierung und Cloud Computing

Doch die strategische Hauptkampflinie zielt eindeutig auf Virtualisierung und Cloud Computing ab. EMC spricht schon länger von der "Reise in die Cloud" (Journey to the Cloud), vor der die gesamte Industrie und auch die Mehrheit der Anwender stünde. In der ersten Phase dieser Reise geht es laut Tucci darum, die IT-Infrastruktur der Unternehmen zu virtualisieren. Gemeint sind damit Server-, Desktop- und Speichervirtualisierung, um die Vielzahl der IT-Gerätschaften zu konsolidieren, "flexibler" zu gestalten und "einfacher" zu managen.

EMC will die Unternehmen mit flexibler Infrastruktur für Virtualisierung und Cloud ausstatten und so zu neuen Rekorden beim Datenwachstum führen.

Danach stehe eine Phase an, in der Unternehmen auch ihre business-kritischen Applikationen in virtuelle Umgebungen einbauen (sollten). Hier sieht Tucci die Möglichkeiten für EMC, sich als Hosting- und Service-Anbieter für "Public" und "Private" Cloud-Umgebungen aufzustellen. Schon jetzt, so der CEO, habe die Anzahl der frisch installierten virtuellen Maschinen jene der neuen physikalischen Server übertroffen und werde weiter ansteigen. Diese Wende ("Cross Over") sei schon für 2009 belegt, was Tucci mit IDC-Zahlen untermauerte.

Ohne Virtualisierung und neue Service-Strukturen à la Cloud ist das immer rascher steigende Datenwachstum laut EMC nicht mehr zu bewältigen. Tucci verweist auf die sogenannten "Big Data", die in vielen gesellschaftlichen Bereichen von Healthcare-IT bis zu Video-Überwachung und "Smart Devices" wie neuen Handys oder den aktuellen Tablet-Generationen entstünden. Um sie zu bewältigen, seien neue IT-Infrastrukturen auf Virtualisierungs- und Cloud-Basis notwendig.

Warum EMC die Start-ups Isilon und Greenplum gekauft hat

Für den Analysten David Hill von der Mesabi Group ist diese Notwendigkeit tatsächlich gegeben, weil sehr viele halb- oder unstrukturierte Daten schon in den letzten Jahren entstanden seien. Dies sei nichts Neues. Neu sei aber, dass die bestehenden Infrastrukturen mit diesem Wachstum nicht mehr Schritt halten können. Genau deshalb, so Hill, habe EMC die beiden Start-ups Isilon und Greenplum gekauft.

Isilon beansprucht, sehr schnell wachsende Datenmengen durch eine einfach zu skalierende NAS-Infrastruktur bewältigen zu können. Greenplum sei geeignet, große Datenmengen effektiv zu durchforsten und zu analysieren – traditionelle Datenbanken und Data Warehouses wären angesichts der „Big Data" nicht mehr schnell genug, meint Hill.

Integration von Isilon und Greenplum unklar

Allerdings ließ EMC auf einem der "Mega Events" in London offen, wie Isilon und Greenplum konkret in das bestehende Portfolio integriert werden sollen.

Die Reise in die schöne neue Welt von Virtualisierung und Cloud scheint also noch etwas länger – und beschwerlicher – zu sein. Bis jetzt gibt es, und da steht EMC nicht einmal allein da, sehr viele Absichtserklärungen und Ankündigungen, was alles zu machen sei. Virtualisierung und Cloud sind sinnvolle Ideen, allein es fehlt an der konkreten Umsetzung.