Nutzer insgesamt zufrieden mit ERP-Systemen

ERP-Zwerge machen das Rennen

24.11.2004 von Michael Kallus
Branchenspezialisten und ERP-Lösungen für kleine Unternehmen haben meist zufriedenere Nutzer als große ERP-Systeme. Bei den größeren Lösungen schneidet SAP am besten ab. Das sind Ergebnisse einer Studie des Software-Beraters Trovarit.

Unter den zehn ERP-Systemen mit den höchsten Zufriedenheitswerten platzieren sich ausnahmslos Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen. Das gilt sowohl für die Zufriedenheit mit dem angewandten System als auch für die allgemeine Zufriedenheit mit den Leistungen des Einführungspartners.

Kleine und klar fokussierte Systeme hätten zwei Vorteile gegenüber größeren Systemen, so Trovarit: Sie sind nicht so komplex und die Anforderungen ihrer Nutzer sind oft vergleichsweise bescheiden. Das allein erklärt nicht ihr gutes Abschneiden. Hinzu kommt noch laut Studie, dass die kleinen ERP-Lösungen technisch auf dem aktuellen Stand sind und häufig über eine gute Oberflächenergonomie und Benutzerführung verfügen.

Kundennähe – ein Vorteil kleinerer und spezialisierter Anbieter

Konzentriert man sich auf die Systeme, die vor allem in kleineren und mittleren Unternehmen eingesetzt werden, fällt laut Studie die gute Position von Branchenlösungen auf, zum Beispiel von SIVAS, ABS und Unipps (Maschinen-/Anlagenbau) oder b2wincarat (Kunststoffspritzguss) sowie von Systemen für kleinere Unternehmen wie WinLine, Steps business Solutions, Abas, SQL-Business oder Mitan.

Die Anbieter dieser Lösungen pflegen meist eine offene und intensive Kommunikation mit ihren Kunden, so Trovarit. Ein weiterer Vorteil: Systementwicklung und -Integration – also die Einführungsdienstleistungen – kommen aus einer Hand.

Letzteres gilt auch bei den Systemen, die sich vor allem im gehobenen Mittelstand finden und dort gut abschneiden, wie zum Beispiel Oxaion (ehem. Frida), Psipenta oder proAlpha.

Auffallend gut abgeschnitten, so Trovarit, hat SAP (R/3 bzw. mySAP.com). Der unter Berücksichtigung der komplexen Anforderungen gute Zufriedenheitsgrad zeige, dass SAP in den letzten Jahren vieles verbessert hat – auch bei der Systemhandhabung: Im Umfeld der großen Kunden und Installationen führt SAP nicht nur in der Anzahl der Installationen, sondern auch in Bezug auf die Zufriedenheit.

Zufriedenheit differenziert – aber im Allgemeinen hoch

Bei der Analyse der einzelnen Aspekte ergibt sich ein differenzierteres Bild. In den Bereichen "Stabilität und Störungsfreiheit" und der "Performance" hat sich in den letzten Jahren einiges getan, laut Trovarit macht es heute keinen Sinn mehr, bei diesen Punkten übermäßig Misstrauen walten zu lassen.

Die differenzierte Betrachtung der Zufriedenheitsaspekte zeigt darüber hinaus, dass die allgemeine Zufriedenheit mit dem ERP-System und -Anbieter zwar hoch ist, es im Detail jedoch wichtige Kritikpunkte gibt.

Deutlich wird das zum Beispiel bei der Zufriedenheit mit dem System. Der "Gesamteindruck" ist wesentlich besser als die Bewertung nahezu aller einzelnen Aspekte. Ähnlich verhält es sich bei der Bewertung des Einführungsprojekts. Hier zeigt sich eine typische Charakteristik von Infrastrukturprojekten, so Trovarit: Verantwortliche neigen im Nachhinein – auch aus Gründen des Selbstschutzes – dazu, die Sachlage etwas besser zu bewerten, als sie objektiv gesehen tatsächlich ist.

Trovarit hat darüber hinaus nachgefragt, wie beeinflussbar die 28 Zufriedenheitsaspekte sind. Die Ergebnisse hat die Studie zusammen mit der Zufriedenheit in einer Grafik eingearbeitet (bitte rechts klicken). Je mehr sich ein Aspekt vom Anwender bzw. dem Anbieter im Projekt verändern lässt, desto weiter links liegt er in der Grafik. Bei einem Aspekt mit einer kleinen Varianz kann man als Kunde davon ausgehen, dass er relativ fest vorgegeben ist.

Die untere Achse der Grafik zeigt die Beeinflussbarkeit: Bei einer Varianz von 1,0 bewegen sich die Bewertungen von zwei Dritteln aller Teilnehmer innerhalb eines Bereichs von +/- 1,0 Note um den genannten Mittelwert von 1,0.

Aus der Grafik ergibt sich eine Auflistung genau jener Punkte, auf die man im Rahmen der Projektierung besonders achten muss: Von "Formularen und Auswertungen", dem "Customizing" und der "Anpassung des Systems" sowie der daraus resultierenden "Release-Fähigkeit" – bis hin zu klassischen Projektkenngrößen wie der "Einhaltung von Kosten", dem "Zeitplan" und der "aufgewendeten Personalkapazität".

Zudem zeigt sich: Die Aspekte mit hoher Varianz und somit hoher Beeinflussbarkeit liegen mehrheitlich im Verantwortungsbereich der Anwender.

Die Zukunft bringt Partnerschaften für die ERP-Entwicklung

Laut Studie ist der deutsche ERP-Markt ein länderspezifischer Markt, der deutlich von regionalen Anbietern mitgeprägt wird. Insgesamt erhält die Branche ein "gut", mit einer leicht besseren Bewertung der Systeme (durchschnittlich 3.99) gegenüber der Leistung des Einführungspartners (durchschnittlich 3.90). Generell scheinen sich regionale und spezialisierte "Player" vor internationaler "Einheitswahre" zu platzieren.

Damit weist die Studie, so Trovarit, die These zurück, dass neben dem Weltmarktführer SAP zukünftig bestenfalls noch zwei bis drei ernstzunehmende ERP-Anbieter bestehen könnten. Der Grad der Kundenzufriedenheit zeigt, zumindest für den Markt des deutschen Mittelstandes, dass knapp zwei Dutzend kleinere Anbieter in den vordersten Rängen liegen. Das dürfte eine Antwort auf die viel diskutierte Frage nach der Überlebensfähigkeit kleinerer ERP-Anbieter sein.

Die Entwicklungskosten sind jedoch für viele "Kleine" in Zukunft kaum mehr tragbar. Trovarit rechnet daher damit, dass lokale und globale Anbieter verstärkt in Form von regionalen und branchenbezogenen Entwicklungspartnerschaften zusammenarbeiten werden.

Für die Studie "Anwenderzufriedenheit ERP/Business Software Deutschland 2004" hat Trovarit 1420 Unternehmen aus allen Branchen und verschiedenen Größen befragt. Der Schwerpunkt lag im Mittelstand des verarbeitenden Gewerbes. Dabei wurden 1.711 Installationen ausgewertet

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