Google versus Apple

Es gibt kein Rezept für Geschäftserfolg

22.08.2013 von Christoph Lixenfeld
Google und Apple sind beide erfolgreich, obwohl ihre Strategien extrem unterschiedlich sind. Genauso wie bei Ford und General Electric. Ein Systemvergleich.
Apple Store an der Alster: Riesenfläche in feinster Lage.

Managementliteratur und Zeitschriften sind übervoll mit Vorbildern. Mit Case Studies über Unternehmen, die den Lesern alle eines sagen wollen: 'Mach es wie diese und jene Firma, sieh dir ihre Entwicklungsstrategie und Führungskultur an, und du wirst genauso erfolgreich sein!' Im Idealfall gibt es dann noch 'Zehn goldene Regeln zu.....'. Besserer Führung. Mehr Verkaufserfolg. Mehr Nähe zum Kunden. Schnellerer Produktentwicklung. Zu was auch immer.

Nur stellt sich gerade mit Blick auf die IT-Industrie die Frage, ob das mit dem Auchsoerfolgreichsein funktioniert. Ob sich alle Mega-Unternehmen an die gleichen Regeln halten, ob es Erfolg nach Schema F gibt oder jemals gegeben hat.

Apple und Google gehören zu den erfolgreichsten und innovativsten Unternehmen der zurückliegenden Jahre, und da stellt sich natürlich auch die Frage: Was machen die anders als andere? Was haben beide gemeinsam, dass ihnen so einen riesigen Erfolg beschert? Antwort: Sehr wenig.

Apple ist perfektionistisch und introvertiert, steigt konsequent und schnell in neue Technologien ein. Die werden anschließend bis ins letzte Detail ausgearbeitet und mit enormem Werbeaufwand in den Markt gedrückt. Die Selbstdarstellung hat etwas sektenartiges, Vorstellungen neuer Produkte in den Apple-Stores inszeniert das Unternehmen als Mischung aus Popkonzert und heiliger Messe. Dazu passte der Guru-Kult um den verstorbenen Apple-Godfather Steve Jobs bestens.

Kunden sind für Google das Testlabor

Hardware, Software und Inhalte werden unter größtmöglicher Geheimhaltung entwickelt und perfekt aufeinander abgestimmt. Die Geheimhaltung betrifft zum Teil sogar die Mitarbeiter untereinander, was nur deshalb funktionieren kann, weil alle Prozesse extrem arbeitsteilig sind, die meisten Apple-Angestellten kennen nur jene Arbeitsschritte ganz genau, für die sie selbst zuständig sind.

Altmodisch? Wenig agil? Vielleicht, aber auch atemberaubend erfolgreich. Apple hat Barreserven von fast 140 Milliarden Dollar aufgehäuft, Geld, mit dem man zweimal sämtliche BMW-Aktien aufkaufen könnte - und dann immer noch ein paar Milliarden übrig hätte.

Google ist - was die Arbeitsweise betrifft - das genaue Gegenteil davon. Das Unternehmen veröffentlicht Produkte, die halb- oder viertelfertig sind beziehungsweise erst im Versuchsstadium stecken. Wenns nicht einschlägt oder am Ende doch nicht vernünftig funktioniert, egal, dann wird es eben einfach wieder vom Markt genommen. Google Talk, Google Health, Knol, Picnik, Google Buzz, Sidewiki und und und. Alle ein- und irgendwann einfach wieder abgeschaltet. Und selbst wenn die User richtig sauer darüber sind - wie im Fall des Google Reader - egal. Google benutzt die Kunden konsequent als Testlabor und Fokusgruppe.

DIE eine goldene Erfolgsregel gibt es nicht

Google hat gefühlte zehn Jahre vor allen anderen kapiert, wie das Internet tickt.
Foto: Google

Auch im Unternehmen entscheiden alle mit, ja die Mitarbeiter bekommen sogar Freiräume für eigene, selbstgewählte Projekte. Nach außen öffnet sich Google über das Betriebssystem Android und die dahinter stehende Entwickler-Community. Google hat nicht den Ehrgeiz, alles selbst zu machen, sucht sich eher wechselnde Partner. Erfolgreich ist auch diese Strategie, das Unternehmen ist vor allem extrem innovativ. Und natürlich auch extrem gut verdiendend, wobei Google insgesamt noch deutlich kleiner ist als Apple.

Das Roland Berger-Magazin think:act vergleicht die beiden Unternehmen in einem spannenden Artikel mit Ford und General Electric in deren Anfangsjahren. Ford war ähnlich strukturiert wie Apple (vor dem Tod von Steve Jobs): Extrem fokussiert auf eine Person an der Spitze, im Falle des Autoherstellers war das Henry Ford. Auch er vertraute in erster seinem eigenen Urteil und baute eine geschlossene, extrem durchgetaktete Organisation auf. Eigeninitiative oder Improvisation war nicht gefragt - sie hätte den perfektionalisierten Ablauf nur gestört.

Das Gegenteil davon verkörperte, ein paar Jahre früher als Ford, Thomas Alva Edison. Er setzte vor allem auf immer neue Patente und Erfindungen, die Organisation seines Firmenkonglomerats war chaotisch. Ähnlich wie die Google-Macher probierte er immer wieder neues aus, die Konzentration auf ein bestimmtes Produkt gab es nicht. Die von Edison 1892 gegründete General Electric Company (GE) ist bis heute ein Mischkonzern.

Die Geschichte ist vor allem Beleg dafür, dass es keine Patentrezepte gibt, nicht DIE goldene Regel, auf der Erfolge basieren. Google hat sich durch seine Suchmaschinen-Technologie eine einzigartige Marktposition verschafft, das Unternehmen hat die Mechanismen des Internets gefühlte zehn Jahre eher begriffen als andere. Und es hat verstanden, dass zu Ende entwickelte, abgeschlossene Programme und Services, die man dem Kunden anbietet wie ein Fabrikneues Auto, nicht zum Internet passen. Das Internet ist per se Versuch und Irrtum und nächster Versuch.

Und Apple? Hat begriffen, das Gadgets für Kids DIE Statussymbole des 21. Jahrhunderts sind. Das solche Geräte nicht teuer sein dürfen, sondern teuer sein müssen, um sich auch über den Preis die gewünschte Reputation zu verdienen. Und dass jeder, der sich mit seinen Produkten vom Immergleichen absetzen will, nicht nur hervorragende Produkte, sondern vor allem auch Inszenierung braucht, je größer, desto besser. Apple feiert sich permanent selbst. Und schließlich und endlich: Apple hat eher als andere kapiert, dass Technik einfach zu bedienen sein muss.

Wenn es eine Lehre für Unternehmen aus alldem gibt, dann die: Mach das, was du gut kannst und was du als richtig erkannt hast und kümmere dich nicht um den Rest.

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