Zeitdruck, keine Kontrolle

Fehltage wegen Burnout häufen sich

19.06.2012 von Andrea König
15-mal so hoch wie noch 2004 ist heute die Zahl der Krankheitstage wegen Burnout. Das zeigt eine umfangreiche Auswertung der Bundespsychotherapeutenkammer.
Stress und Erschöpfung zählen zu den Symptomen, von denen viele Burnout-Patienten ihrem Arzt berichten.
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Die Zahl der Fehltage von Angestellten aufgrund von Burnout ist seit 2004 um fast 1.400 Prozent gestiegen. So lautet eines der zentralen Ergebnisse der Studie "Arbeitsunfähigkeit und psychische Erkrankungen 2012" der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). "Die Menschen fühlen sich in ihrem Leben und bei ihrer Arbeit immer häufiger überfordert", kommentiert BPtK-Präsident Rainer Richter die Ergebnisse. "Die psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft werden erheblich unterschätzt. Seelisch überlastete Personen erhalten zu spät Beratung sowie Hilfe und psychisch Kranke zu spät eine Behandlung."

Aktuell werden 12,5 Prozent aller betrieblichen Fehltage durch psychische Erkrankungen verursacht. Der Anteil der Fehltage an allen Krankschreibungen hat sich seit dem Jahr 2000 etwa verdoppelt. Nach jüngsten Berechnungen der Bundesregierung entstehen den Unternehmen jährlich durch psychische Krankheiten Produktionsausfälle von 26 Milliarden Euro, heißt es in der BPtK-Studie.

Zunahme auch bedingt durch mehr Diagnostik

Im Jahr 2004 fehlten 100 Versicherte 0,6 Tage aufgrund von Burnout, im Jahr 2011 waren es schon neun Tage - daraus ergibt sich die genannte Steigerung um 1400 Prozent. Von diesen Ergebnissen sollte man jedoch nicht ableiten, dass sich allein der Gesundheitszustand der Angestellten stark verschlechtert hat. Nach wie vor gibt es keine klare Definition für Burnout, die Barmer GEK etwa nennt das Syndrom einen Sammelbegriff für alle Formen psychischer Erschöpfungszustände. Der Bundesverband deutscher Betriebskrankenkassen erläuterte die Zunahme in einem Report aus dem Jahr 2010 so: Die Zunahme liegt auch an verstärkter Diagnostik und Dokumentation durch die behandelnden Ärzte. Neuere Erkrankungen wie das Burnout-Syndrom würden dabei in den Vordergrund rücken.

Der Anteil von Burnout-Fällen an allen Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen ist in der Statistik der Bundespsychotherapeutenkammer noch gering. Im vergangenen Jahr waren 100 Versicherte insgesamt rund 200 Tage aufgrund seelischer Leiden arbeitsunfähig. Burnout-Ausfälle machen damit nur 4,5 Prozent der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen aus.

Viele Arbeitnehmer berichten ihrem behandelnden Arzt von Symptomen wie Erschöpfung und Stress. Bei 85 Prozent der Krankschreibungen wegen Burnout diagnostizierte der Arzt zusätzlich eine psychische Erkrankung wie eine Depression oder Angststörung oder eine körperliche Erkrankung wie zum Beispiel Rückenschmerzen. Nur 15 Prozent der Burnout-Krankschreibungen erfolgten ohne eine weitere Diagnose, so die Ergebnisse der BPtK-Studie. Doch auch dann könnte Burnout ein Hinweis auf eine entstehende psychische oder auch körperliche Erkrankung sein, heißt es in der Studienauswertung.

Psychotherapeuten: Burnout-Prävention dringend notwendig

Die BPtK-Studie nennt Zeitdruck und zu geringe Kontrolle über die Arbeitsabläufe als Risikofaktoren für psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz. "Krankmachend ist, wenn gefährdete oder erkrankte Arbeitnehmer keinen Weg zur Veränderung finden", sagt BPtK-Präsident Richter. Wer sich überfordert fühle, gebe sich häufig selbst die Schuld und denke, dass mit der eigenen Leistungsfähigkeit etwas nicht stimmt. Angebote zum Zeit- und Stressmanagement würden in solchen Situationen nicht ausreichen, findet er. Betroffene Angestellte bräuchten eine professionelle Beratung und Unterstützung. Der BPtK-Präsident appelliert, nicht erst bei Krankheit zu handeln: "Wir brauchen dringend eine Präventionsstrategie, die insbesondere den psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft gerecht wird", so Richter.

Doch psychische Erkrankungen haben ihre Ursachen nicht nur in der Arbeitswelt. Arbeitslose Menschen leiden bei Weitem häufiger an psychischen Erkrankungen als Erwerbstätige: Sie sind drei- bis viermal so häufig psychisch krank, so die Auswertung der BPtK. Bei einer stationären Behandlung aufgrund psychischer Erkrankungen sind es sogar sechsmal so viele Tage. Arbeitslosen Männern verordnen Ärzte außerdem fast dreimal so häufig Antidepressiva wie Erwerbstätigen.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat die Studie unter dem Titel "Arbeitsunfähigkeit und psychische Erkrankungen 2012" veröffentlicht. Basis der Auswertung sind alle in den Gesundheitsreporten publizierten Statistiken der großen gesetzlichen Krankenkassen. Die BPtK hat ihren Sitz in Berlin und ist die Arbeitsgemeinschaft der Landeskammern der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.