Ziel: Marktführer bei Handels-IT werden

"Feuerprobe für die IT"

12.10.2007 von Riem Sarsam
Der Konzernname Karstadt-Quelle ist Vergangenheit. Seit Juli heißt der Essener Handels- und Touristikkonzern Arcandor. An der IT gehen die Umwälzungen nicht spurlos vorüber. Der IT-Dienstleister Itellium wurde im Mai zu 74,9 Prozent an EDS verkauft. IT-Koordinator Steven James Stockdale nimmt Stellung.
Steven James Stockdale, IT-Koordinator, Arcandor AG.

Herr Stockdale, Arcandor hat die Mehrheit von Itellium an EDS veräußert. Warum hat man sich für diese Version des Verkaufs, auch Sharedeal genannt, entschieden?

Der Teilverkauf steht unter dem Eindruck der derzeitigen Veränderungen im Konzern. Hier hat sich in kurzer Zeit vieles verändert, wovon natürlich auch die IT betroffen ist. Die notwendige Einführung neuer IT-Strukturen war allein mit organischem Wachstum nicht möglich. Eine strategische Partnerschaft ist daher die konsequente und richtige Lösung. Gleichzeitig war dies die erste Feuerprobe für die Konzern-IT, ob sie sich in dem geforderten Tempo anpassen kann.

Befürchten Sie nicht den Verlust der Kontrolle und des Know-hows für die Konzern-IT?

Die Auslagerung von IT-Dienstleitungen ist keine Unbekannte - weder für den Konzern noch für mich. Wir stellen mit dem Sharedeal die Einbindung der operativen Einheiten der Arcandor AG in die EDS Itellium GmbH sicher. Kontrolle und Wahrung des Know-hows über die IT behalten wir durch eine leistungsfähige IT-Governance. Damit haben wir etwaigen Gefahren vorgebeugt.

Welche Konsequenzen hat das für die Organisation der Konzern-IT?

Das Managen der IT-Anforderungen und der IT-Architektur sowie die IT-Kostenstrukturen bleiben die Hauptaufgabe der operativen Einheiten der Arcandor AG. Dabei übernehme ich zentrale Aufgaben, die auch das internationale Geschäft beinhalten. Daneben wurde eine dezentrale IT-Governance etabliert, in der Peter Patzina für die Versandhandels-IT und Jörg Roesner für die IT im stationären Handel verantwortlich zeichnen. Für die neue IT-Organisation haben sich natürlich die Aufgaben verändert. Das Vendor-Management etwa spielt heute eine bedeutendere Rolle als früher. Alle operativen Aufgaben belassen wir bei der gemeinsamen Tochter EDS Itellium.

Die gemeinsam mit EDS gegründete Organisation "Centre of Retail Excellence" (CORE) soll Geschäfte am Drittmarkt machen. Bis 2010 wollen Sie Marktführer in Sachen Retail-IT sein - lehnen Sie sich damit nicht ein wenig weit aus dem Fenster?

Ich halte CORE für ein sehr tragfähiges Modell. Der Business-Plan ist unter verschiedenen Gesichtspunkten durchleuchtet und x-fach gerechnet - er ist realistisch. Die Expertise von global operierenden Firmen wie EDS und seinen Partnern wie Sun, SAP, Oracle und Microsoft auf der einen Seite und dem bereits heute in diesem Bereich führenden IT-Dienstleister auf der anderen Seite ist eine solide Basis für den Drittmarkt.

Glauben Sie wirklich, dass Handelsunternehmen ihre IT der Tochter eines Konkurrenten anvertrauen?

Natürlich überlegt sich jedes Handelsunternehmen sehr genau, welche Prozesse an einen Dienstleister übergeben werden. Ein gewisser Anteil der Branche ist sicher nicht für ein Unternehmen erreichbar, an dem Arcandor beteiligt ist. Rechnet man dies heraus, bleibt aber immer noch ein durchaus interessantes Marktpotenzial übrig. Dies rekrutiert allerdings nicht nur von reinen Handelsunternehmen, sondern bezieht auch die handelsnahe Industrie mit ein. Das Potenzial, auch diese zu bedienen, hat CORE. Es kommen bereits jetzt Anfragen von Handels- und Industrieunternehmen, die sich erkundigen, was sich hinter CORE verbirgt und welche Produkte und Dienstleistungen angeboten werden. Nochmals: Bei erfolgreicher Bündelung der Kompetenzen beider Unternehmen halte ich den ehrgeizigen Business-Case für realistisch.

Der Deal: EDS und Ittelium.

Was bewegt denn die Handelsunternehmen heutzutage in puncto IT?

Früher lag der Schwerpunkt im Handel auf möglichst individuellen datenbankbasierten Anwendungslösungen. Heute fordert der Markt wesentlich flexiblere Strukturen, mit denen wir Trends im Markt und geänderte Kundenbedürfnisse frühzeitig erkennen und entsprechend reagieren. Geschwindigkeit und Retail-Networking machen insbesondere auf internationaler Ebene den Wettbewerbsvorteil aus. Für die Erfüllung derartiger Anforderungen sind Standardlösungen in der Regel wesentlich besser geeignet als eigenentwickelte Monolithen. Untersuchungen der IT-Situation im deutschsprachigen Handel von PAC und Datamonitor zeigen, dass es da einen Nachholbedarf gibt. Der "Industrialisierungsgrad" im Handel liegt deutlich unter 40 Prozent, in anderen Branchen sind Werte von über 60 Prozent anzutreffen.

Core: Branchenwissen trifft IT-Expertise.

Glauben Sie, dass wir in den kommenden Jahren noch mehr solche Abkommen wie das zwischen Arcandor und EDS beobachten werden?

Meiner Einschätzung nach eindeutig: Ja. IT ist bekanntermaßen kein Selbstzweck, sondern rückt mehr und mehr mit dem Business zusammen. Professionelle ITRessourcen mit Industrie-Know-how sind aber ein knappes Gut. Wer über strategische IT-Partnerschaften verfügt, kann sich damit die Agilität verschaffen, die er braucht, um die Anforderungen zügig zu bedienen und wettbewerbsfähige Produkte anzubieten.