Defizite beim HR-Risikomanagement

Firmen schlecht auf Entlassungen vorbereitet

11.11.2009 von Werner Kurzlechner
Risikomanagement ist mehr als nur die Abwehr von IT- und Compliance-Gefahren. Viele Unternehmen sind zum Beispiel nicht auf die mit der Krise drohenden Entlassungswellen vorbereitet. Mut macht, dass verbesserte Software bei immer komplexeren strategischen Aufgaben unterstützen kann.

Die aktuelle Wirtschaftskrise wirkt weiterhin bedrohlich: 55 Prozent der deutschen Unternehmen können nach eigenen Angaben betriebsbedingte Kündigungen unter den derzeitigen Umständen noch maximal ein halbes Jahr aufschieben, wie die Unternehmensberatung Kienbaum in einer aktuellen Studie darstellt. Für die betroffenen Arbeitnehmer ist das schlimm und in den Firmen könnte es für Chaos sorgen. "Die Wirtschaftskrise setzt die HR-Bereiche unter erheblichen Handlungsdruck", sagt Max Scholz, Restrukturierungsexperte bei Kienbaum. "Gerade mittelständische Unternehmen sind jedoch auf anstehenden Entlassungen schlecht vorbereitet." Rund 40 Prozent der Firmen scheinen laut Kienbaum für die bevorstehenden Einschnitte nicht gewappnet.

Was diese Personalentwicklung mit Risikomanagement und IT zu tun hat, erschließt sich nicht sofort. Und genau das verweist auf ein grundsätzliches Problem: Risikomanagement hat seit Beginn der Finanzkrise Konjunktur, hätten sich die Turbulenzen ja möglicherweise vermeiden lassen können. Aber weil Risiken nahezu überall lauern, stößt ein verengter Blick schnell ins Leere. Dabei wäre es ratsam, auch Randaspekte im Auge zu behalten.

Lediglich 50 Prozent der befragten Firmen haben laut Kienbaum überhaupt ein Risikomanagement für Personal-Veränderungsprozesse implementiert, etwa Steuerungssysteme, mit deren Hilfe schnell auf kurzfristige Personalanpassungen reagiert werden kann. Auch wenn eine Mehrheit der Unternehmen die finanziellen Auswirkungen von Änderungen im HR-Bereich kontrolliert und Stimmungsbildanalysen der Belegschaft erstellt, gäbe es in diesem Bereich Mängel. "In vielen Unternehmen fehlt eine aktuelle und konsistente Datenbasis, um ein funktionierendes Risikomanagement zu etablieren", sagt Kienbaum-Consultant Scholz.

Bewusstsein für Risikoprävention fehlt

Wahrscheinlich sind im Verlauf der Rezession noch weitere Lektionen zu lernen. Schon Anfang des Jahres ermittelte eine europaweite Studie der Economist Intelligence Unit ein mangelndes Bewusstsein für Risikoprävention. 61 Prozent der befragten Firmen hätten keine echte Strategie für das Risikomanagement und reagierten erst, wenn es zu spät sei, lautete der Befund. Immerhin zählen die Analysten von Lünendonk das Risikomanagement inzwischen zu den Wachstumssegmenten im Bereich der Business Intelligence-Software (BI), die eben keineswegs ein reines Finanzcontrolling-Instrument sei.

Eine Problemlage, die komplexer ist als angenommen, aber auch Lösungsinstrumente, die mehr Potenzial haben als gedacht. Ein CIO mag beispielsweise beim Begriff "Risikomanagement" zu erst an das Bannen von Gefahren im Bereich der IT-Sicherheit denken, ein CFO an die strenge Einhaltung von gesetzlichen Richtlinien wie Basel II. Beides gehört dazu, aber eben auch noch viel mehr. So hält die Studie der Economist Intelligence Unit eine integrierte Strategie für Risikomanagement, Compliance und Governance für eine viel versprechende Möglichkeit für Unternehmen, auf alle denkbaren Eventualitäten eingestellt zu sein.

Zur Unterstützung bietet der Software-Markt mittlerweile ausgefeiltere Lösungen an, als allgemein bekannt. Während BI-Lösungen in der Vergangenheit lediglich Analysen auf Basis alter Daten liefern konnten und somit rückwärtsgewandt waren, erlaubt derzeit verfügbares Business Process Management (BPM) die kontinuierliche Überwachung von Unternehmensabläufen mit Hilfe aktueller Kennzahlen sowie vorausschauende Datenanalyse. "Dadurch entstehen Frühwarnsysteme im Sinne von Risikomanagement", wie es Thomas Lipinski von der Hamburger Unternehmungsberatung Alternus formuliert.

Die Analysten aus dem Hause Gartner untermauern diese Entwicklung in ihrem "Magic Quadrant" für Operational Risk Management-Software am Beispiel der Finanzdienstleister. Magic-Quadranten stellen dar, wie bestimmte Anbieter sich nach von Gartner definierten Kriterien innerhalb eines Marktes positionieren.

Gartner sagt, ein Teil der Finanzdienstleister hätten ihre Philosophie zur Management-Kontrolle zugunsten eines breiteren Ansatzes ausgeweitet. Diese Tatsache würde durch eine Angebots-Offensive der Software-Anbieter unterstützt, sagt Gartner. Jedoch würden gleichzeitig insbesondere kleinere Firmen immer noch oft auf einen "Nur-soviel-wie-nötig"-Ansatz setzen. Dies sei gefährlich und zugleich eine vertane Chance, warnen die Analysten von Gartner. Mit der Diagnose von Kienbaum über das HR-Risikomanagement stimmt Gartner allgemein überein: Eine entscheidende Herausforderung für Fortschritte im Risikomanagement liegt in der Datenqualität und -integrität.