Analysten-Kolumne

Flexible IT-Architekturen: Erfolgsfaktor in dynamischen Märkten

01.03.2006 von Fritz Moser und Peter Backmann
Die hohe Geschwindigkeit, mit der sich die Märkte verändern, zwingt die Unternehmen, ihre Strukturen, ihre Prozesse und ihre Leistungen in immer kürzeren Abständen an die erwartete Markt- und Wettbewerbssituation anzupassen. Für Unternehmen, die schnell und kreativ agieren und reagieren können, ergeben sich große Chancen, ihre Wettbewerbsposition kontinuierlich zu verbessern. Doch vielfach erweisen sich starre IT-Architekturen und -Systeme als Barrieren für eine wirtschaftliche und zeitgerechte Realisierung von Innovationen oder neuen Prozessen: Die Flexibilität der IT wird zunehmend zum Erfolgsfaktor.

Die nachhaltigen Trends in den Märkten werden die Bedeutung einer flexiblen IT in Zukunft weiter verstärken.

Trend 1: Zunahme der Mergers and Acquisitions

Der Markt für Unternehmensübernahmen hat in Deutschland im Jahr 2005 wieder kräftig angezogen: Eine weiterhin steigende Tendenz für die Folgejahre wird prognostiziert. Erfolgsfaktor in der Umsetzung des Post Merger Prozesses ist die zügige Zusammenführung und Optimierung von Systemen, Prozessen und Datenbanken, um die angestrebten Synergien realisieren zu können. Geordnete Architekturen mit standardisierten Prozessen und Schnittstellen verbessern die time-to-market-Fähigkeit und reduzieren die Risiken des Mergers erheblich.

Trend 2: Neue Businessmodelle und innovative Produkte

Schlüssel zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen sind neue Business Modelle und innovative Produkte. Insbesondere in den Dienstleistungsbranchen wie zum Beispiel Banken, Versicherungen und Telekommunikation werden diese zu einem Großteil über IT-Komponenten definiert und können nur mit einer flexiblen und leistungsfähigen IT in einem adäquaten Zeitrahmen profitabel angeboten werden.

Trend 3: Wettbewerbsintensivierung

Der Wettbewerb um den Kunden wird immer intensiver: Eine der größten Herausforderungen für die Unternehmen liegt in der Identifizierung der Kundennachfrage sowie im Verständnis und der Prognose des Kundenverhaltens, um Bestandskundenpotenziale auszuschöpfen und Neukunden zu gewinnen. Die Voraussetzung zur Erzielung einer hohen Prognosequalität schafft ein zentrales Datawarehouse, in dem die Kundenstamm- und Transaktionsdaten near/realtime über alle Distributionskanäle vorliegen. Durch die systematische Nutzung aller Kunden- und Marktdaten können individuelle Produkt/Dienstleistungsbündel generiert werden, die den Nutzen für die Zielkunden optimieren, und die vielversprechendsten Vertriebsansätze abgeleitet werden.

Trend 4: Unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke

Die Vernetzung mit Zulieferern, Service-Dienstleistern und Kunden wird zunehmend wichtiger: Es entsteht ein komplexes Wertschöpfungsnetzwerk. Effizient und performant wird ein solches Netzwerk jedoch erst, wenn die Prozesse unternehmensübergreifend optimiert und so weit wie möglich automatisiert werden: Ohne standardisierte Prozesse und Schnittstellen können die Potentiale nicht voll ausgeschöpft werden, zudem begibt sich das Unternehmen in eine vermeidbare Abhängigkeit zu den Partnern, da ein Wechsel zu anderen Anbietern nur unter erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand möglich ist.

Trend 5: Zusätzliche Compliance-Anforderungen

Für die Zukunft ist mit einer weiteren Verschärfung der Compliance-Anforderungen – über Sarbanes-Oxley Act und Basel II hinaus - zu rechnen, die sich vor allem auf die Steigerung der Transparenz von Prozessen, die Erhöhung der Datenqualität und die Datenkonsolidierung fokussieren. Flexibel und schnell anzupassende IT-Systeme, Prozesse und Datenbanken senken den Aufwand für die erforderlichen Anpassungen und versetzen das Unternehmen in die Lage, die finanziellen Mittel und personellen Ressourcen verstärkt in wertschöpfende Aktivitäten zu lenken.

Trend 6: Zunehmende IT-Wartungskosten limitieren die Investitionsfähigkeit

Aufgrund der Komplexität der gewachsenen IT-Landschaften steigt der Anteil der IT-Betriebs- und Wartungskosten am IT-Gesamtbudget seit Jahren kontinuierlich an: Mittlerweile liegen sie durchschnittlich bei 80 bis 90 Prozent des Budgets. Mit modernen Architekturen lässt sich dieser Kostenblock erheblich reduzieren, so dass das Unternehmen - bei konstantem Budget - wesentlich mehr Mittel in neue Projekte lenken kann, die tatsächliche Wettbewerbsvorteile generieren können.

Status Quo: Hoher Handlungsbedarf

Analysen und Projekterfahrungen zeigen, dass die bestehenden Systeme der Unternehmen den Herausforderungen des Marktes derzeit häufig noch nicht gerecht werden. Vielfach werden noch Legacysysteme verwendet, die bereits seit Jahrzehnten im Einsatz sind, und die sukzessive um neue Funktionen und Anwendungen erweitert wurden. Die Architekturen sind in der Regel an Produktlinien ausgerichtet und erlauben keinen konsistenten Kundengesamtblick.

Charakteristisch für die Systeme ist eine unüberschaubare Anzahl von point-to-point Verbindungen zwischen den Anwendungen, die Mehrfachabbildung gleicher Prozesse und Prozessbrüche, die keinen durchgängigen Workflow ermöglichen. Die hochkomplexen Strukturen können daher nur mit erheblichem Zeitaufwand und in der Regel nur eingeschränkt an neue Anforderungen angepasst werden.

Lösungsszenario: Geschäftsprozessoptimierung und service-orientierte Architekturen

Angesichts enormer Risiken und beschränkter Budgets kommt eine Komplett-Umstellung auf eine moderne Architekturplattform im Rahmen eines Big Bangs in der Regel nicht in Frage. Es empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen, durch das die Risiken beherrschbar werden, und das durch die Erzielung von Quick Wins im Zeitablauf weitere Mittel durch Einsparungen im Betrieb und in der Wartung generiert, die für das Projekt verwendet werden können.

Kernelement ist der Aufbau serviceorientierter Architekturen, die nach Geschäftsprozessoptimierung mit Enterprise Application Integration Werkzeugen umgesetzt werden. Die Grundidee: Funktionen werden gekapselt, aus den Legacysystemen herausgelöst und der gesamten IT als einheitliche Servicekomponente mit standardisierten Schnittstellen zur Verfügung gestellt.

Diese Architektur führt zur Vermeidung mehrfach vorhandener Prozesse, da die Module in unterschiedlichen Anwendungskontexten einsetzbar sind. Änderungen an einem Service müssen nur noch einmal zentral anstatt für jede Applikation einzeln durchgeführt werden. Die Services sind nur lose miteinander verbunden, so dass die Anwendungen durch den Austausch einzelner Services optimiert und erweitert werden können; neue Prozesse werden durch die Kombination von Services abgebildet. Durch die Wiederverwendbarkeit der Komponenten sowie die leichtere und schnellere Integration von Applikationen und die Austauschbarkeit von Services besteht ein hohes Potenzial, die Anpassungs- und Wartungskosten der IT erheblich zu reduzieren und Prozesse flexibel gestalten und optimieren zu können.

Dr. Fritz Moser ist Partner Senior Executive Manager Banking und Peter Backmann ist Principal Consultant Banking bei Steria Mummert Consulting.