Anbieter-Hype schadet nur

Für Big Data fehlen noch die Skills

08.02.2012 von Werner Kurzlechner
Die Analysten von Freeform Dynamics fürchten, dass das Marketing-Geschrei um Big Data den Blick auf die Potenziale vernebelt. Ein Sonderlob gibt es für Oracle.
Stark genutzt werden klassische RDBMSs (Relational Database Management Systeme): der Ist-Zustand laut Studie von Freeform Dynamics.
Foto: Freeform Dynamics

Gestern war „Cloud Computing“, heute ist „Big Data“ das neue, angesagte und von Anbietern gepushte IT-Modewort. Die Analysten von Freeform Dynamics bedauern, dass wieder einmal ein schlagwortartiger Hype überdeckt, welche neuen oder auch älteren Tools Bedarf in den Firmen decken. Denn so wie ja tatsächlich Dienstleistungen ausgelagert werden, schlummert in den riesigen Datenströmen der Anwender fraglos Wissenspotenzial, das sich zu heben lohnt.

Analyst Colin Beveridge bringt das Ergebnis einer Studie von Freeform Dynamics unter 122 Firmen so auf den Punkt: „Big Data-Technologien haben ein Menge zu bieten, aber sie werden vorhandene moderne Datenbanken und Analytics-Infrastrukturen nicht ersetzen.“ Sodann warnt Beveridge aber vor dem Marketing-Nebel, in dem der geschäftliche Nutzen dieser Lösungen unterzugehen drohe: „Es wäre in jedem Fall allen mehr damit gedient, wenn die Anbieter das Hype-Geschrei herunterfahren und stärker kommunizieren würden, welche Typen von Big Data-Anwendungen sie im Angebot haben und welche Anwendungsfelder sie adressieren.“

Freeform Dynamics argwöhnt, dass auch vielen IT-Entscheidern noch nicht so wirklich klar geworden sei, was „Big Data“ genau heißen soll. Deshalb liefern die Analysten eine eigene Definition. „Big Data ist ein Überbegriff, der sich gemeinhin auf eine Schar fortgeschrittener Data Storage-, Access- und Analytics-Technologien bezieht“, heißt es in der Studie. Diese Technologien zielten darauf, riesige Datenmengen oder sich schnell verändernde Daten in einer Vielzahl von Szenarien zu verarbeiten. Mitbeinhaltet sind beispielsweise das Beobachten von Social Media-Diskussionen oder die Analyse von Log Files.

Sieht bei Big Data zwar Potenzial, kritisiert aber den Hype: Colin Beveridge, Principal Analyst bei Freeform Dynamics.
Foto: Freeform Dynamics

Das „Next Big Thing“ ist Big Data den Studienergebnissen zu Folge noch keineswegs, sehr wohl aber eine Klammer für viele Anwendungen mit Wachstumspotenzial. Nüchtern stellt Freeform Dynamics fest, dass derzeit noch mit weitem Abstand klassische Relational Database Management Systeme (RDBMSs) die Praxis in den Unternehmen bestimmen. 80 Prozent der Befragten nutzen RDBMSs intensiv. Alles andere scheint im Gros der Firmen derzeit noch ergänzenden Charakter zu haben. Zumal im Studiensample tendenziell die IT-Pioniere überrepräsentiert seien, wie die Analysten betonen.

Die neue Vielfalt: In drei Jahren werden viele neue Tools im Einsatz sein, erwarten die befragten IT-Entscheider aus dem Vereinigten Königreich.
Foto: Freeform Dynamics

Nichtsdestotrotz ist Bewegung im Markt. Befragt nach der mutmaßlichen Entwicklung in drei Jahren, gehen die Anwender von einem drastischen Bedeutungsverlust von Alt-Datenbanken und -File-Systemen aus. Die derzeitigen Standard-RDBMSs gewinnen nach Einschätzung der Firmen tendenziell weiter an Bedeutung. Flankiert werden sie indes von einer Reihe innovativer Tools, die allesamt massiv an Relevanz zulegen: High Performance RDBMS-Konfigurationen, Distributed Indexing & Search, In-Memory-Datenbanken, Distributed Data Analytics Engines, Scale-Out Storage Architectures, OLAP Multidimensional Database Systems.

Nach Einschätzung von Freeform Dynamics spiegelt es wider, dass Big Data-Technologien neue Probleme zu lösen vermögen, ohne dass bekannte Schwierigkeiten plötzlich verschwunden wären. „Das Volumen an Daten aller Art wächst, während der Durst der Business-User nach verwertbaren Informationen und Erkenntnissen immer heftiger wird“, so Analyst Beveridge.

Brachbares von IBM und EMC - Lob für Oracle

Größter Hemmschuh auf dem Weg in eine neue Ära der Datenanalyse ist offenbar an Mangel an Bewusstsein, Kenntnissen und Fähigkeiten auf Seiten der IT-Verantwortlichen. Wie die Studie zeigt, hält sich nur ein Bruchteil der Befragten für Experten auf dem Gebiet der neuartigen Datenbank-Technologien. „Es ist zu erwarten, dass das Wissensniveau steigen wird, je mehr die Unternehmen Lösungen mit Big Data-Geruch erforschen und pilotieren“, kommentiert Freeform Dynamics.

Dass CIOs inzwischen gebrannte Kinder in Sachen IT-Moden sind, drückt sich in der Studie sehr klar aus. Während nur rund 30 Prozent der Befragten von sich behaupten, „Big Data“ wirklich verstanden zu haben, betrachten 70 Prozent das Thema schon jetzt als überhyped. Weit positiver fallen die Reaktionen aus, wenn man die Fragestellung des Labels entkleidet. Eine klare Mehrheit geht nämlich stark davon aus, dass neue Storage-, Access- und Analytics-Tools die Lösung bisher zu komplizierter oder teurer Probleme ermöglichen und einen besseren Zugriff auf geschäftliche Schlüsselanforderungen erlauben.

Unterdessen sind die großen Anbieter gerade erst dabei, den Markt mit verlässlichen und innovativen Lösungen zu füllen. Wie Dale Vile, CEO von Freeform Dynamics, in einem Gastbeitrag für unsere britische Schwesterpublikation CIO.co.uk herausarbeitet, haben IBM und EMC mittlerweile brauchbare Open Source-Ergänzungen für ihre Lizenzprodukte im Angebot, die Sicherheits- und Verlässlichkeitsdefizite aus dem Apache Hadoop-Umfeld beheben.

Das größte Lob gibt es von Vile indes für Oracle, das sich mit dem unabhängigen Hadoop-Spezialisten Cloudera zusammengetan hat. Das Ergebnis Oracle Big Data Appliance integriere das Hadoop Distributed File System (HDFS) mit der Oracle NoSQL Database als klassischer RDBMS. Dies erlaube die Vorab-Analyse großer Datenmengen in einem ersten Schritt; dann könne als Ergebnis ein kompakter und strukturierter Datensatz ins Data Warehouse oder Business Intelligence-System eingespeist werden. „Diese Verbindung ergibt absolut Sinn“, so Vile.