Apps, die süchtig machen

Gaming-Prinzipien fürs Business

20.10.2016 von Florian Maier
Das Funktionsprinzip von Gaming-Apps lässt sich ganz hervorragend auf Business-Applikationen und -Prozesse übertragen. Warum das positive Auswirkungen auf Ihr Geschäft haben sollte? Wir verraten es Ihnen.

Stellen Sie sich vor, Sie würden jetzt gerade erfahren, dass Sie den ganzen Tag auf Ihr Smartphone verzichten müssen. Wie fühlt sich das an? Sie glauben, dass Sie süchtig nach Ihren Devices sind? Weil es vermutlich auch so ist. Denn wirklich erfolgreiche Apps - egal ob nun im Desktop-, Mobile- oder Gaming-Bereich - funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip: Sie sind darauf ausgelegt, bestimmte Neurotransmitter in unserem Gehirn auszuschütten, die uns glücklich machen, uns Konnektivität "fühlen" lassen - und dafür sorgen, dass wir zurückkommen, weil wir mehr wollen. Immer und immer wieder.

Business-Apps und der Hormonhaushalt

Was wäre, wenn man ein solches Konzept ganz bewusst dazu einsetzt, positive Verhaltensweisen am Arbeitsplatz zu fördern? Es ist ohne weiteres möglich, Business-Applikationen mit einem ähnlichen Design auszustatten, um diesen Effekt zu erhalten. Das gilt auch für Applikationen, die vermeintlich trockene Prozessen wie rechtliche Prüfungen oder die Durchsetzung von Versicherungsansprüchen erleichtern.

Um die Technologien schaffen zu können, die die Kommunikation und Kollaboration in Unternehmen effizienter machen, sollten wir uns jedoch zunächst einige Zusammenhänge und Dynamiken zwischen Neurowissenschaft, Psychologie und kognitivem Verhalten vergegenwärtigen. Es gibt vier verschiedene, positive Neurotransmitter, die unser Körper ausschüttet:

Dopamin

Das "Gutfühl"-Hormon sorgt dafür, dass Sie in Erwartung einer Belohnung motiviert bleiben: Technologie-Plattformen wie Facebook führen zur Produktion von Dopamin. Das tun sie, indem sie uns (und anderen) eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellen, die uns in Erwartungshaltung einer Belohnung bringt. Werden wir schließlich mit einem "Like", "Share" oder Kommentar "belohnt", führt dieses positive Erlebnis zu einem süchtig machenden "High", das uns immer wieder zu dieser Plattform zurückkehren lässt - in Erwartung weiterer, positiver Erlebnisse. Kurzum: Wir werden süchtig.

Unternehmensnetzwerke und andere kollaborative Applikationen bieten dieselben Möglichkeiten: Durch das Teilen von Inhalten erwarten wir Lob von unseren Kollegen oder Vorgesetzten, was zur Ausschüttung von Dopamin führt.

Oxytocin

Das "Liebes"-Hormon wird ausgeschüttet, wenn wir Vertrauen spüren, ein Kind bekommen, einen Orgasmus erleben oder auch wenn wir soziale Bindungserlebnisse erfahren - etwa gemeinsames Lachen.

Technologien, die auf Teambuilding und Collaboration ausgelegt sind, können ebenfalls zur Ausschüttung von Oxytocin führen. Business-Applikationen sollten zur gemeinsamen Erledigung von Aufgaben anregen und die Möglichkeit des positiven Feedbacks beinhalten. Sogar das Gefühl, wahrgenommen zu werden, lässt die Oxytocin-Produktion hochfahren.

Gruppenaktivitäten und Teambuilding-Maßnahmen gehören zu den bewährtesten Methoden, für die Ausschüttung von Oxytocin zu sorgen. Also realisieren Sie endlich den schon so lange geplanten Workshop außerhalb des Firmengeländes.

Sorgen Sie für Motivation unter Ihren Mitarbeitern - durch die gezielte "Provokation" von Hormonschüben.
Foto: Antonio Guillem - shutterstock.com

Serotonin

Das Wohlfühl-Hormon Serotonin wird produziert, wenn wir uns wichtig fühlen oder bestimmte Ziele erreicht haben. Genauso wie gute Ernährung, Schlaf und körperliche Betätigung sorgt auch die Reflexion über Erfolge in der Vergangenheit und die Empfindung von Dankbarkeit für die Ausschüttung von Serotonin.

Technologien wie Fitness-Tracker, die einen gesunden Lebensstil fördern, oder Milestone-Tracking-Apps, die erreichte Erfolge erfassen, sorgen für einen Serotonin-Boost.

Endorphin

Endorphine sorgen dafür, dass wir physisch bedingte Müdigkeitsanfälle, Stress und Energiemangel überstehen. Der schnellste Weg zu einem gesteigerten Endorphin-Level: Humor und Lachen. Business-Apps, die Spaß machen, können so für eine Ausschüttung von Endorphinen sorgen.

Gamification
Gamification
Gamification umschreibt den Einsatz spielerischer Elemente im Arbeitsalltag. Es geht also nicht um Spielen.
Franziska Metzger, MaibornWolff
Franziska Metzger, IT-Consultant bei MaibornWolff: "Im Spiel nehmen die Teilnehmer Hierarchien weniger stark wahr als in einer klassischen Planungssession. Das Vorgehen eignet sich deswegen besonders gut, um Fachwissen unabhängig von der Position im Unternehmen einzubinden."
Gamification im Unternehmenseinsatz
Die Consultants von MaibornWolff entwickeln Prozess- und Planungsspiele, die den Prozess als Ganzes fassbar machen sollen.
Prozesse spielerisch darstellen
Das Prinzip der Visualisierung steht für die IT-Berater MaibornWolff im Mittelpunkt.
Daniel Meusburger, Accenture
"Vor der Einführung müssen Unternehmen definieren, welche Kennzahlen verbessert werden sollen", sagt Daniel Meusburger, Gamification-Spezialist bei Accenture. "Dann muss mit einem Fokus auf den Faktor Menschen analysiert werden, welche Spielelemente die Mitarbeiter motivieren und Verhaltensweisen fördern, von denen der Mitarbeiter sowie die Unternehmenskennzahlen positiv beeinflussen werden."
Brian Burke, Gartner
Gartner-Analyst Brian Burke, Autor des Buches "Gamify", geht davon aus, dass schon im kommenden Jahr 70 Prozent der 2.000 weltgrößten Unternehmen spielerische Anwendungen einsetzen werden.

Wenn Mitarbeiter-Motivation von alleine kommt

Da Sie jetzt die Zusammenhänge zwischen positiven Assoziationen und Suchtverhalten kennen, sollten Sie versuchen, bei ihren Mitarbeitern durch technologische Innovationen für die Ausschüttung von positiven Hormonen zu sorgen.

Machen Sie sich die Technologien zunutze, um Organisation und Community-Gedanken nach vorne zu bringen. So können Sie es schaffen, dass Ihre Mitarbeiter alle anstehenden Aufgaben des täglichen Business mit freudiger Erwartungshaltung angehen.

Mehr IT-Sicherheit durch Gamification
Belohnung erwünscht
Belohnen Sie Mitarbeiter, die sich an die Unternehmensvorgaben beziehungsweise Sicherheitsrichtlinien halten. Das wird diese wiederum anspornen, ihr Verhalten beizubehalten. Ein Beispiel für Gamification wäre in diesem Zusammenhang, dass Mitarbeiter digitale (oder physische) Plaketten, Pokale oder Auszeichnungen erhalten - etwa wenn Sie es schaffen, 100 E-Mails ohne Compliance-Verstoß zu verschicken.
Anreize schaffen
Wenn ein Angestellter in ihrem Unternehmen bereits eine beeindruckende Sammlung an digitalen Auszeichnungen erlangt hat, bieten Sie ihm die Möglichkeit, diese gegen "echte" Vorteile einzutauschen - zum Beispiel Geschenkgutscheine oder Sonderzulagen.
Offener Dialog
Durch den Einsatz von Gamification können Unternehmen einen neuen Umgang mit dem Thema Datenschutz fördern. Statt externe Spezialisten gähnend langweilige Vorträge über Compliance und Datenschutz halten zu lassen, könnte ein offener Dialog zwischen den Mitarbeitern entstehen, in dem diese sich - auf Basis ihrer Erfolge, Herausforderungen und Erfahrungen im Gamification-System - aus freien Stücken über Best Practices austauschen.
Bewusstseinsbildung
Cybersecurity-Trainings sind am effektivsten, wenn sie einmal pro Jahr abgehalten werden. Allerdings hält sich ein großer Teil der Unternehmen nicht an diesen Zyklus, in der Regel aus Zeit- und/oder Kostengründen. Durch den Einsatz von Gamification sind Mitarbeiter eher in der Lage, eigenes Fehlverhalten anzuerkennen, die Folgen ihres Handelns zu erkennen und ihr Verhalten auf lange Sicht zu ändern.
Engagement fördern
Sie sollten Ihre Angestellten dazu ermutigen, ihre Auszeichnungen am Arbeitsplatz zur Schau zu stellen. Außerdem sollten Sie ihren Führungskräften auftragen, gutes Verhalten dadurch zu belohnen, dass eine monatliche Bestenliste veröffentlicht wird (Mitbestimmung beachten!). Ranglisten und Auszeichnungen sorgen dafür, dass die Spielteilnehmer sofort ins Game hineingezogen werden. Davon abgesehen fördert ein solches Vorgehen die interne Kommunikation, wodurch wiederum das Engagement aller Mitarbeiter gestärkt wird.
Fachkräfte finden
Immer noch ringt die IT-Branche mit einem ausgeprägten Fachkräftemangel - insbesondere wenn es um das Thema IT-Sicherheit geht. Einige Organisationen - etwa die britische Cyber Security Challenge - haben es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Problem mit jährlichen Wettbewerben zu lösen. Bei diesen Veranstaltungen werden die Teilnehmer mit simulierten Bedrohungssituationen konfrontiert, die sie dann auf Grundlage ihrer Fähigkeiten meistern müssen. Die Gewinner bekommen in der Regel lukrative Job-Angebote von großen IT-Unternehmen oder Regierungsinstitutionen, die die Challenge mit Sponsorgeldern unterstützen.
Kontrolle ist besser
Natürlich kann der Einsatz von Gamification nur dann Früchte tragen, wenn die Mitarbeiter das Gelernte auch auf Szenarien in der echten Welt anwenden. Um das sicherzustellen, sollten Unternehmen unbedingt die Effektivität ihrer Gamification-Bemühungen an der Entwicklung des realen Risikopotentials messen. Zu diesem Zweck sollten Sie regelmäßige, interne Prüfungen durchführen, um herauszufinden welche Mitarbeiter trotz aller Bemühungen immer noch ein Sicherheitsrisiko darstellen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation cio.com.