Massive Produktivitätsverluste

Gefahren durch Social Media nehmen zu

30.03.2012 von Andrea König
Google, Facebook oder TomTom machen es vor, was mit Anwenderdaten schon alles gemacht wird. Online-Experte Thomas Köhler warnt und gibt Ratschläge.

CIO: Sie haben ihr Buch "Die Internetfalle" komplett überarbeitet. Was hat diese Überarbeitung notwendig gemacht?

Thomas Köhler: Als die Erstauflage des Buches im Oktober 2010 erschien, war es seiner Zeit voraus. Erst nach und nach wuchs das Interesse für das Thema. Einige Prognosen, die ich im Buch abgegeben habe, sind heute bereits Wirklichkeit.

Zum Beispiel?

Ich hatte damals zum Beispiel gemutmaßt, dass die von Navigationsgeräten erhobenen Daten Begehrlichkeiten wecken könnten. Mittlerweile verkauft TomTom in den Niederlanden Navi-Daten an die Polizei, die so die Standorte ihrer Radarfallen optimiert. Ich denke, es ist eine Frage der Zeit, bis die Polizei einzelne Daten abfragt und die Strafzettel dann direkt zustellt.

Was hat sich in den vergangenen zwei Jahren noch verändert?

Google kombiniert ab März alle möglichen Daten eines Nutzers. Das kann für den Einzelnen brisante Folgen haben. Wenn dieser zum Beispiel bei Google nach den Begriffen "Depression" oder "Burnout" sucht, bekommen Kontakte aus seinem Google Plus-Netzwerk das bei ähnlichen Suchen angezeigt.

Welche Konsequenz ziehen Sie aus den Entwicklungen? Wie sollte man sich in sozialen Netzwerken verhalten?

Ich persönlich bin sehr kritisch und veröffentliche nur selektiv Informationen. Aber ich mache Ausnahmen. Geschäftsreisen kommuniziere ich zum Beispiel sehr offen über Xing, so haben sich schon spannende Kontakte und Treffen ergeben. Doch auch wenn das bei mir ein wirkungsvolles Vorgehen ist, kann ich es nicht jedem empfehlen.

Wem würden Sie denn abraten?

Ende März erscheint "Die Internetfalle" in einer völlig überarbeiteten Neuauflage (Verlag Frankfurter Allgemeine Buch, 19,90 Euro).
Foto: Köhler

Stellen Sie sich einmal vor, auffällig viele Mitarbeiter eines Unternehmens verkünden über soziale Netzwerke, dass sie sich an einem bestimmten Provinzflughafen befinden. Das sind öffentlich zugängliche Informationen für Wirtschaftsspione, die dann nur noch einzelne Puzzleteile zusammenfügen müssen. So lässt sich zum Beispiel schnell erahnen, dass etwa eine Übernahme eines lokalen Unternehmens bevorsteht.

Regelung für Surfen am Arbeitsplatz

Sollte die Konsequenz ein Social-Media-Verbot sein?

Auf keinen Fall. Jeder Mitarbeiter ist auch eine Privatperson, da bringt ein Verbot nichts. Damit erreicht man nur, dass die Angestellten die sozialen Netzwerke mit dem Smartphone unter der Schreibtischkante ansurfen oder eben nach Feierabend. Man muss den Mitarbeitern genau erklären, warum bestimmte Themen tabu sind, zum Beispiel weil Wettbewerber im Netz danach suchen.

Wie beeinflusst die Nutzung sozialer Netzwerke die Produktivität am Arbeitsplatz?

Für Deutschland gibt es hierzu noch keine validen Erhebungen, aber hinter vorgehaltener Hand wird von massiven Problemen und Produktivitätsverlusten gesprochen. Vor 15 Jahren lag der Ablenkungsfaktor mehr bei Nachrichtenseiten oder Ebay, heute sind es die sozialen Netzwerke. Ich denke, man muss sie genauso im Griff haben wie Raucherpausen oder den Kaffeeklatsch.

Welche Regelung empfehlen Sie?

Es sollte eine vernünftige Regelung sein, die die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigt. Arbeitgeber erwarten von ihren Angestellten schließlich auch, dass sie Arbeit mit nach Hause nehmen. Warum sollten Sie umgekehrt nicht am Arbeitsplatz privat surfen dürfen? Darüber hinaus wäre es doch absurd, wenn man seine Mitarbeiter mit Smartphones ausstattet und dann die Nutzung massiv einschränkt.

Gibt es Bereiche, für die andere Regeln gelten sollten?

In sicherheitsrelevanten Bereichen sollte die Nutzung sozialer Netzwerke und auch privater IT generell verboten sein. Mir ist der Fall eines Unternehmens bekannt, in dem ein Kranfahrer so damit beschäftigt war, über sein privates iPhone den Facebook-Status zu aktualisieren, dass er Ladung an falscher Stelle abgesetzt hat. Dadurch kam es beinahe zu einem Todesfall.

Erschreckende Entwicklungen in den USA

Wie werden sich die sozialen Netzwerke weiter entwickeln?

Schon heute gibt es einige erschreckende Entwicklungen. In den USA bewerten beispielsweise einige Banken die Kreditwürdigkeit von Kunden anhand der Facebook-Kontakte. Mit vielen mittellosen Künstlern im Freundeskreis könnten sich die Chancen auf einen Kredit verschlechtern. Ich denke, mit dem geplanten Börsengang von Facebook werden wir noch einige wenig nutzerfreundliche Maßnahmen erleben, wie sich Nutzerdaten zu Geld machen lassen.

Thomas R. Köhler ist Online-Experte und Geschäftsführer von CE21. 2010 ist "Die Internetfalle" in Erstauflage erschienen, 2011 sein Buch Social-Media-Management. Ende März erscheint Die Internetfalle in einer völlig überarbeiteten Neuauflage.