IT-Manager wetten

Geht nicht? Gibt's nicht in der Cloud

10.02.2021 von Axel Schell
Axel Schell wettet, dass in fünf Jahren der Nutzungsgrad von Public-Cloud-Technologien der entscheidende differenzierende Faktor für Unternehmen in Bezug auf Innovationsgeschwindigkeit, IT-Stabilität und Mitarbeiterzufriedenheit sein wird.
Axel Schell ist CTO bei der Allianz Deutschland.
Foto: Allianz Deutschland

Es ist eine bisher größtenteils unbemerkte Revolution, die sich vor unseren Augen vollzieht. Hinsichtlich ihres Ausmaßes und ihrer Wirkung ist sie mit vorherigen indus­triellen Umwälzungen vergleichbar. Die Cloud-Revolution schreitet jedoch schneller voran, ­beschleunigt durch die zunehmende Vernetzung und Komplexität unserer Welt.

Diese Treiber machen es notwendig, in eine digitalisierte Welt überzugehen, denn nur dadurch können ­Unternehmen den steigenden Anforderungen begegnen. Antrieb und zugleich Ergebnis dieser Revolution ist der Einsatz von Public-Cloud-Technologien, die unseren privaten und beruflichen Alltag schon heute begleiten und zukünftig immer mehr prägen werden.

1956 investierte die Allianz als erstes euro­päisches Versicherungsunternehmen in einen Großrechner. 1992 eröffnete das Unternehmen ein Rechenzentrum in München, das damals "State of the Art" war. Seit einigen Jahren geht die Reise wie selbstverständlich in die Cloud. Nur so können wir die Erwartungen der Kunden erfüllen: selbsterklärend und hochverfügbar müssen Services sein. Das ist nur durch einen gezielten und umfassenden Cloud-Einsatz möglich. Vor diesem Hintergrund betreibt die Allianz schon seit einigen Jahren mit einem Public-Cloud Anbieter die Allianz Cloud.

Cloud-Einsatz noch zu gering

Betrachtet man die aktuelle Cloud-Nutzung, ergibt sich ein ganz anderes Bild: Während im Mittel zirka 75 Prozent der Unternehmen laut eigener Angabe Cloud-Technologien einsetzen, liegt externen Untersuchungen zufolge die Cloud-Nutzung nur im einstelligen Prozent-Bereich. Eine Differenz, die sich am ehesten mit den unterschiedlichen Durchdringungsgraden erklären lässt. Aktuellen Schätzungen interna­tionaler Marktforschungsinstitute zufolge wird 2025 knapp die Hälfte der weltweiten Daten in Public Clouds gespeichert sein.

Wer in fünf Jahren zu den Gewinnern zählen will, der muss sich jetzt zwischen Pflicht und Kür entscheiden: Anstatt vereinzelt Applikationen in Cloud-Container zu migrieren, lautet das Gebot der Stunde, eine umfassende Cloud-Landschaft zu implementieren, die mit dem Geschäftsmodell und den End-to-End-Arbeitsprozessen harmonisiert.

Zukünftige Marktführer werden diejenigen sein, die diese Kür meistern und sich mit­hilfe von Cloud-Lösungen in den Bereichen Innovationsgeschwindigkeit, IT-Stabilität und Mitarbeiterzufriedenheit vom Wettbewerb differenzieren. Meine These lautet daher: Wer nicht jetzt auf die Cloud setzt und schnell einen hohen Nutzungsgrad erreicht, der wird sich in fünf Jahren abgeschlagen im hinteren Teil des Wettbewerbs wiederfinden.

Cloud fördert Innovationen

Die Rolle der IT in Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Wurde sie früher als separierter Bereich voller Fachexperten betrachtet, die mit dem eigentlichen Geschäft nichts zu tun hatte, wandelte sich die Rolle zum Enabler, auf der der Geschäftserfolg heute maßgeblich beruht. Automatisierung, die exponen­tielle Zunahme an verfügbaren Daten und sinkende Kommunikationskosten verändern dabei die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen grundlegend. Die Geschwindigkeit, mit der sich bestehende Geschäftsmodelle auflösen und neue entstehen, ist atemberaubend.

CIO-Jahrbuch 2021
Foto: CIO.de

Diese und weitere spannende Wetten finden Sie im CIO-Jahrbuch 2021

CIO Jahrbuch 2021
Neue Prognosen zur Zukunft der IT
IDG Business Media GmbH 2021
Preis: 39,90 Euro
jetzt bestellen
PDF-Download: 34,99 Euro

Zwischen der Innovationskraft von Unternehmen und dem Nutzungsgrad von Cloud-Technologien besteht daher heute ein enger ­Zusammenhang. Zum einen ermöglicht die Flexibilität der Cloud kosteneffiziente und einfach zu skalierende Testmöglichkeiten, wodurch eigene Entwicklungen in schnelleren Iterationen und höherer Qualität zur Marktreife gebracht werden können.

Netzwerkeffekte helfen dabei, cloudbasierte Geschäftsmodelle zusammen mit externen Stakeholdern zügig zu entwickeln und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dies gelingt insbesondere, weil sich Unternehmen mit einem hohem Cloud-Nutzungsgrad besser auf die eigenen Kernkompetenzen konzentrieren können.

Zum anderen steigert die Nutzung von Cloud-Technologien die Innovationskraft der Unternehmen. Die Cloud-Anbieter stellen permanent neue Features und Services zur Verfügung, an denen ihre Kunden quasi automatisiert teil­haben können. Früher war es bei On-Premises-Lösungen oft aufwendig und nicht immer erfolgreich, die internen Stakeholder davon zu überzeugen, dass zusätzliche Innovationen in neue Technologien notwendig sind. Dies führte dazu, dass viele Unternehmen, die Cloud-Technologien wenig nutzen, heute finanziell nicht mehr in der Lage sind, mit den Innovationen des Markts mitzuhalten.

Da aus der Cloud bezogene Services flexibel skalierbar sind, sinkt heute das Risiko von Fehlinvestitionen. Die Allianz nutzt das "Innovations-Sharing" mit Machine Learning Toolsets und Technologien für Natural Language Processing (NLP), beispielsweise um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Dazu wird ein Tool zur automatisierten Transkription von Audio-Aufzeichnungen, Textkategorisierung und Stimmungsanalyse eingesetzt, mit dem freiwillig aufgesprochene Gesprächsbewertungen von Kunden unmittelbar evaluiert werden. Das ermöglicht direktes Feedback für unsere Mitarbeiter und ermöglicht uns, die Kundenzufriedenheit zu steigern, indem wir Services und Produkte immer kundenfreundlicher gestalten.

Tools aus dem Cloud-Baukasten

Der Cloud-Anbieter, mit dem die Allianz aktuell zusammenarbeitet, stellt jedes Jahr eine vierstellige Zahl an neuen Features und Services zur Verfügung. Wir können diesen Baukasten nutzen, um uns auf unser Kerngeschäft zu konzen­trieren: Kundenorientierte, digitale und einfache Services für Versicherungen zu entwerfen. In der Fokussierung auf Eigenentwicklungen für unternehmensspezifische Kernkompetenzen und auf die quasi-automatisierte Innovations-Partizipation am Markt sehen wir den großen Mehrwert eines hohen Nutzungsgrads von Cloud-Technologien.

Stabilität verankert in der Cloud

Seit der Coronakrise verstehen wir alle besser, was exponentielle Entwicklung wirklich bedeutet. Als Chief Technology Officer (CTO) verdeutlichte mir die Krise, dass der unterbrechungsfreie Wechsel von mehr als 26.000 Mitarbeitern der Allianz Deutschland in das Home Office nur deshalb möglich war, weil wir Cloud-Umgebungen schnell skalieren konnten. Es bedurfte beispielsweise nicht mehr monatelanger Bestell- und Installationsprozesse im klassischen Rechenzentrum.

Neben der ständigen Wartung der eigenen Umgebung bleibt Cloud-Nutzern auch eine Vielzahl an weiteren Tätigkeiten erspart. Es müssen beispielsweise keine Hardware, Betriebs­systeme oder Datenbanken mehr ausgetauscht und erweitert werden. Bei der Allianz waren es 39.253 Magnetbandkassetten in 1.309 Kartons, die Anfang der 1990er-Jahre von vielen kleinen lokalen Rechenzentren in ein zentrales Data Center in Unterföhring umgezogen wurden.

Um Fehler und Defekte zu vermeiden, nutzt das Unternehmen heute immer mehr Cloud-Services, die die IT-Stabilität fördern. Für Wartungstätigkeiten wird beispielsweise ein automatisiertes System für Patches von Container-Anwendungen verwendet, das durch den Cloud-Anbieter inte­griert und betrieben wird, wodurch sich der interne Betriebsaufwand für das Patching um 25 Prozent reduziert.

Automatisierte Prozesse

Doch was genau macht die Cloud so stabil? Die Architektur wirkt durch Automations-, Redundanz- und Resilienz-Mechanismen stabilisierend. Die Automatisierung von Prozessen, die durch Cloud-Technologien ermöglicht wird, erhöht die Leistung und reduziert den "Human Error". Die redundante und physisch unabhängige Datensicherung, zentral und regional verteilt, verbessert die Datensicherheit und das Business Continuity Management im Krisenfall.

Weitere Resilienz-Mechanismen wie beispielsweise das "Zero Downtime Deployment" unterstützen die Widerstandsfähigkeit bei Ausfällen. All das muss mit dem Einsatz der Cloud nicht eigens nachgebaut werden, sondern ist bereits inhärent enthalten. Selbst wenn trotz alledem ein Fehler auftritt, sinkt die Dauer der Fehlerbehebung mit entsprechendem Monitoring um den Faktor zehn.

Elastizität bringt Vorteile

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der stabilisierend auf das Business wirkt, ist die Elastizität von Cloud-Technologien, mit der sich Kapazitäten flexibel und bedarfsorientiert anpassen lassen. In der Versicherungsbranche erreicht die Kundenfrequenz in der Kfz-Wechselsaison jährlich einen Höhepunkt. Zahlreiche Kunden fordern vor dem Stichtag eine Tarifberechnung an.

Bereits Monate im Voraus wurden lange Zeit bei der Allianz Vorbereitungen in Form von Prognoseberichten, ­Infrastruktur-Orders und Lasttests getroffen und während der Wechselsaison täglich von verschiedenen Fachbereichen begleitet. Mit der automatischen Skalierung von Ressourcen reduziert sich der enorme Kosten- und Zeitaufwand. Heute können wir flexibel und automatisch auf die realen Anforderungen reagieren.

Zudem verbessert sich die Systemstabilität durch automatisierte Analysen zur Kapazitätsauslastung, sodass bei dynamischen Anforderungen weder ungenutzte Ressourcen vorgehalten werden noch ein Ressourcenmangel zu einer Überbelastung führt. Damit konnten wir letztes Jahr über neun Millionen Zugriffe auf unsere Online-Tarifberechnungen zur Spitzenzeit der Kfz-Wechselsaison fehlerfrei bewältigen. Mit steigenden Service-Anforderungen der Kunden wird auch die IT-Stabilität wichtiger.

Ein Kunde erwartet heute, dass die Unternehmenssysteme dieselbe Performanz wie andere Dienstleistungen bieten. Die störungsfreie Erreichbarkeit rund um die Uhr wird vorausgesetzt. Mit Cloud-Technologien ist dies deutlich besser zu meistern, denn der direkte Vergleich zu On-Premises-­Lösungen zeigt, dass bei Cloud-Systemen die Anzahl der IT-Ausfälle nicht nur um den Faktor 20 gesenkt werden kann, sondern auch die Systemverfügbarkeit deutlich eher der von bekannten Plattformen wie Spotify oder Netflix entspricht.

Im Privatleben gehört die Cloud-Nutzung schon heute zum Alltag. In Unternehmen besteht dagegen Aufholbedarf, um den Bedürfnissen der Belegschaft mindestens in gleichem Maße zu entsprechen. Eigenverantwortung, schnelle Hand­lungsfähigkeit und eine klare Kommunikation auf einfachen Wegen sind für die Mitarbeiterzufriedenheit gefordert.

Dies verlangen auch IT-Mitarbeiter, die von den Vorzügen der Cloud-Nutzung profitieren. Dauerhaft gehalten werden kann die gefragte Talentgruppe der Entwickler nur mithilfe einer attraktiven Build Pipeline, modernen Entwicklungsumgebungen und mehr Mitbestimmung beim Entwickeln. All das sind Bestandteile agiler Arbeitsmethoden. Agiles Arbeiten ist in der Allianz Deutschland schon seit mehr als fünf Jahren ein großes Thema. Mithilfe unserer Agile Center und Agile Training Center haben wir viele Entwickler zu agilen Methoden und modernen Tools fortgebildet.

2019 startete das Programm Agile@Scale, um agiles Arbeiten in der Softwareentwicklung weiter auszurollen. Mittler­weile gibt es mehr als 1.000 agile Arbeitsplätze im Unternehmen, Tendenz steigend. Unsere Mit­arbeiter berichten von der positiven Veränderung und erzählen, dass sie deutlich motivierter als in traditionellen Arbeitsumgebungen sind. Die Freiheit für diese Programme schaffen wir zum sehr großen Teil durch die Cloud: Agile Softwareentwicklung funktioniert vor allem im DevOps-Ansatz, und dieser basiert ganz wesentlich auf Cloud-Technologien.

Durch reduzierte Wartungstätigkeiten ergeben sich freie Kapazitäten für das Arbeiten mit neuen Technologien, beispielsweise Machine Learning oder Natural Language Processing. Eine DevOps-Kultur führt laut einer McKinsey-Studie zu durchschnittlich 44 Prozent mehr Zeit für neue Aufgaben. So entsteht mithilfe der Cloud eine Entwicklung weg von fragmentierter Arbeitsteilung und hin zu ganzheitlichen End-to-End-Tätigkeiten.

Eine erfüllende Tätigkeit in einer modernen Arbeitsumgebung, die auf einer Cloud-Umgebung basiert, erhöht die Zufriedenheit der Mitarbeiter und stellt damit einen weiteren entscheidenden Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen dar. Der Kampf um qualifizierte Mitarbeiter und insbesondere IT-Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt wird sich künftig intensivieren.

IT trägt zur Wertschöpfung bei

Die Rolle der IT in Unternehmen steht im Wandel: ursprünglich unterschätzt, entwickelte sie sich hin zu eigenständigen Abteilungen, die jedoch meist nur als Kostenverursacher betrachtet wurden. Heute wird die IT immer mehr als wertschöpfendes Fundament für den unternehmerischen Erfolg gesehen. Die enge Verzahnung zwischen Geschäftserfolg und IT ist das Kernelement unserer Zeit.

Die Cloud spielt eine wesentliche Rolle in dieser Entwicklung und beeinflusst dabei insbesondere Innovation, IT-Stabilität und Mitarbeiterzufriedenheit. Viele Produktinnovationen wären ohne die Nutzung von Cloud-Ressourcen nicht möglich gewesen. Der Grad, in dem Cloud-Technologien eingesetzt und unternehmensweit integriert werden, wird in Zukunft über den Erfolg von Unternehmen entscheiden. Denn die Möglichkeiten in der Cloud sind endlos. Geht nicht? Das gibt's nicht in der Cloud.

CIO-Jahrbuch 2021
Foto: CIO.de

Diese und weitere spannende Wetten finden Sie im CIO-Jahrbuch 2021

CIO Jahrbuch 2021
Neue Prognosen zur Zukunft der IT
IDG Business Media GmbH 2021
Preis: 39,90 Euro
jetzt bestellen
PDF-Download: 34,99 Euro