Online-Gebrauchtwagenbörse mobile.de

Gewinne nur mit Open Source

03.11.2003 von Holger Eriksdotter
Der Hamburger Online-Automarkt Mobile.de setzt konsequent auf Open-Source-Produkte. Dreh- und Angelpunkt der größten deutschen Gebrauchtwagenbörse ist die Open-Source-Datenbank MySQL. Nach Auskunft von Vorstand Vijay Sapre ist sie nicht nur erheblich kostengünstiger, sondern auch wesentlich schneller als die Datenbanksysteme der Konkurrenz.

Nicht alle Unternehmen der New-Economy endeten tragisch: Der Online-Automarkt Mobile.de gehört zu den seltenen Erfolgsgeschichten. Das Unternehmen begann 1996 in einem Kellerraum in Hamburg-Eimsbüttel mit einem 386er-PC und der Idee, Anbieter und Käufer von Gebrauchtfahrzeugen online zusammenzubringen.

Lizenzgebühren für Software standen bei Mobile.de von Beginn an nicht auf dem Budgetplan. "Etwas anderes als Open-Source-Software hätten wir uns gar nicht leisten können", sagt Ralf Prehn, einer der beiden Gründer, Technik-Chef und Leiter der Produktion von Mobile.de. Im Mittelpunkt der IT-Landschaft steht die Datenbank MySQL, die unter den Bedingungen der "General Public License (GPL) kostenlos verfügbar ist. "Vor einigen Jahren, als unser Geschäft richtig anzog, haben wir auch ein Angebot von Oracle eingeholt", erinnert sich Prehn, "die hatten uns ein Lizenzmodell angeboten, das auf der Anzahl der Zugriffe basierte." Dabei kam ein "für unser junges Unternehmen absurder Betrag, um die zweieinhalb Millionen Mark jährlich", heraus. "Das hätten wir nicht bezahlen können", konstatiert sein Gründungskollege und Vorstand von Mobile.de, Vijay Sapre. "Wenn wir nicht auf Open-Source-Software setzen würden, wären wir jetzt auch nicht profitabel. Den heutigen Gewinn von Mobile.de würden die Lizenzgebühren auffressen."

800 000 Gebrauchtfahrzeuge im Bestand

Mobile.de setzte im ersten Halbjahr 2003 mit rund 100 Mitarbeitern zehn Millionen Euro um und schreibt seit 2001 schwarze Zahlen. Mehr als 16 000 Kfz-Händler und rund 10 000 Privatanbieter nutzen die Plattform, über die jeder fünfte Gebrauchtwagen in Deutschland verkauft wird. Um die 800 000 Fahrzeuge sind im Bestand; mit fast 600 Millionen Seitenabrufen monatlich gehört die Website zu den meistgenutzten in Deutschland.

Der Umgang mit quelloffener Software ist für die Gründer aber keineswegs eine Notlösung, sondern geschieht aus Überzeugung. Auch spätere Tests mit anderen Datenbanken bestätigten sie in ihrer Entscheidung pro Open-Source. "Wir haben auch andere Datenbanken auf unsere Anforderungen hin getestet - keine war allerdings annähernd so schnell wie MySQL", berichtet Produktionsleiter Prehn. Ihm kommt zugute, dass sich seine Anforderungen an das Datenbanksystem exakt mit dem Leistungsspektrum von MySQL decken. "Wir benötigen keine Transaktionsverarbeitung, sondern vor allem die schnelle Verarbeitung von großen Datenmengen und gewaltigen Zugriffszahlen." Und genau das liefert die Datenbank von MySQL, deren Basisversion im Vergleich zu lizenzpflichtigen Produkten weniger Funktionen aufweist. "Bei lizenzpflichtigen Datenbanken würden wir vor allem für Features bezahlen, die wir nicht benötigen und die die Verarbeitung verlangsamen", meint Prehn.

Maximalsicherheit durch Eigenentwicklung

"Wir erreichen damit die größtmögliche Unabhängigkeit von einzelnen Softwareanbietern", so Sapre. Deshalb ist es wohl auch kein Zufall, dass für die Lastverteilung im Mobile.de-Netz nicht ein Standardprodukt zum Einsatz kommt, sondern eine selbst programmierte Lösung auf Basis des Linux-Virtual-Server. Mit einer Mannschaft von rund 30 Mitarbeitern hält Prehn die IT am Laufen. Die mehr als 600 Zwei-Prozessor-PCs unter Linux sind auf drei Standorte in Hamburg verteilt und auf ein Drittel Überkapazität ausgelegt. "Wir entwickeln alles selbst auf Basis von Open-Source-Software - das bietet die größtmögliche Sicherheit", ist Sapre überzeugt. "Denn notfalls haben wir für alle Produkte den Quellcode und können Änderungen selbst vornehmen."

Marten Mickos, CEO von MySQL, wird es freuen. Er beschäftigt rund 90 Leute, die sich um Entwicklung, Schulung und Support der Datenbank kümmern. Auf vier Millionen Installationen weltweit schätzt er die Verbreitung seiner Datenbank - genauer weiß er es nicht, denn die Datenbank ist kostenlos erhältlich und wird rund 30 000-mal täglich von seinen Servern heruntergeladen. Umsatz erzielt er mit Support, Schulung und Firmenlizenzen, die fällig werden, wenn Unternehmen Eigenentwicklungen auf Basis von MySQL vertreiben wollen. Die Kosten für eine Firmenlizenz betragen laut Mickos nur ein Hundertstel derer kommerzieller Anbieter. Allerdings räumt er ein, dass die Funktionalität seiner Datenbank nicht an die der kommerziellen Konkurrenz heranreicht: "Wenn Oracle unter den Datenbankanbietern Chippendale ist, dann sind wir Ikea, sagt der Schwede. Er ist überzeugt, dass vielen Kunden die Grundfunktionen seiner Datenbank ausreichen und dass sie "gerne darauf verzichten, für Funktionen zu bezahlen, die sie nicht brauchen.

Zu seinen Kunden gehören Unternehmen wie Yahoo, Texas Instruments, Motorola und die Nasa. Eine komplette Open-Source-Landschaft wie bei Mobile.de ist allerdings die Ausnahme. Zwar laufen nach Mickos' Schätzung etwa 80 Prozent der MySQL-Installationen unter Linux. Aber die Datenbank ist für fast alle Betriebssysteme erhältlich, darunter alle gängigen Unix-Varianten, Windows und das Apple-Macintosh-System.

Demnächst will Mickos auch eine Datenbank für gehobene Ansprüche auf den Markt bringen. Der Software-Riese SAP hat seine Datenbanktechnologie mit Quellcode an MySQL weitergegeben. Zusammen mit den Experten von SAP soll die Highend-Datenbank bis zum Ende des Jahres distributionsreif gemacht werden und als kostengünstige Alternative die Ansprüche mittlerer und großer Unternehmen abdecken. Für Mobile.de spielt diese Entwicklung vorerst keine Rolle: Mit der installierten Datenbank ist Prehn vollkommen zufrieden. Ihm ist vor allem eines wichtig: die Unabhängigkeit von Softwareanbietern zu bewahren, verbunden mit der Möglichkeit, eigenständig Änderungen an der Software vorzunehmen. "Das Einzige, was bei uns nicht Open-Source ist, sind die Bios-Chips in den Dell-PCs. Und selbst dort wären wir froh, wenn wir sie selbst programmieren und verbessern könnten", sagt der Leiter der Produktion.