Interview

Globalisierung erzwingt Innovationen

02.07.2007 von Johannes Klostermeier
Transformation, Innovation und die Lösungskompetenz von IT-Unternehmen: Hubert Österle von der Uni St. Gallen und HP-Deutschland-Chef Uli Holdenried diskutieren aus Anwender- wie aus Anbietersicht.

Ihr neues Motto lautet "Transformation". HP macht selber gerade eine solche durch. Können Sie Ihre Erkenntnisse weitergeben?

Der Vorsitzende der Hewlett-Packard GmbH in Deutschland Uli Holdenried ist davon überzeugt, dass Technologie zunehmend auf den Unternehmenserfolg Einfluss hat.

Uli Holdenried: Wir wollen unseren Kunden nicht nur Technologie zur Verfügung stellen im Sinne von: Hier habt ihr schnelle Computer. Wir interessieren uns vielmehr dafür, unseren Kunden dabei zu helfen, ihre IT auf die Anforderungen ihrer Geschäftsbereiche hin zu optimieren, damit sie relevante Beiträge zu den Geschäftsergebnissen leisten kann. Das ist für die Kunden viel interessanter, als sich nur Technologie ins Unternehmen zu stellen. Es ist keine Frage, dass wir auch selbst eine große Transformationsaufgabe zu bewältigen hatten. Das betrifft die Business-Prozesse und unsere IT. Wir sind dabei, uns sehr viel globaler, standardisierter und flexibler bei gleichzeitig niedrigeren Kosten aufzustellen. Die Erfahrungen aus diesem Prozess fließen auch wieder in Kundenprojekte ein.

Herr Österle, was erwartet der Markt von HP?

Hubert Österle, Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Uni St. Gallen, weiß von chinesischen Unternehmen, dass sie beim Einsatz von IT sogar Entwicklungsstufen überspringen.

Der CIO erwartet, dass ihm geholfen wird, seine Aufgaben zu lösen. Dass ihm also nicht nur Kisten hingestellt werden, sondern dass die Prozesse sauber gelöst werden. HP positioniert sich heute klarer als früher auf die Bereitstellung effizienter IT-Prozesse. Der Markt ist für derartige saubere Positionierungen dankbar, da sie vor Überraschungen schützen. Holdenried: Schauen Sie sich die Unternehmen an, in denen die IT eine positive Rolle spielt, und vergleichen Sie diese mit den anderen. Technologie hat zunehmend Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Das muss auch der Vorstand verstehen. Sonst hat ein Unternehmen Schwierigkeiten, Wettbewerbsvorteile zu gewinnen. In guten Unternehmen werden nicht nur die Rolle des CIOs und dessen Business-Verständnis immer wichtiger, sondern auch das IT-Verständnis des Vorstands und damit die Anbindung der IT an das Geschäft.

Ist das denn noch nicht überall angekommen?

Hubert Österle : Wir müssen zwischen Lippenbekenntnissen und dem Tun unterscheiden. Manche geben sich progressiv, modern und innovativ, kneifen aber, wenn gehandelt werden muss. Für unser Buch "Geschäftsmodelle 2010“ haben wir 26 CEOs befragt. Ein Drittel davon hat selbst schon mal die gesamte Unternehmens-IT oder einzelne IT-Projekte geleitet (darunter übrigens auch Inhaber von Mittelständler), ein zweites Drittel hat ein sehr gutes Grundverständnis und weiß, wo die Schrauben in der IT anzusetzen sind. Und ein Drittel hat Angst vor der IT. Und Angst ist ein schlechter Berater.

HP hat kürzlich verkündet, sich verstärkt um Business Value, Innovation und Transformation zu kümmern…

Uli Holdenried: Es ist nicht so, dass wir erst vor ein paar Monaten aufgewacht sind. Dass die IT Unternehmensbeiträge leisten muss, ist für uns keine neue Idee. Wir wissen: IT ist erst dann interessant, wenn sie relevant für das Geschäft wird. Wir sind ein Technologieunternehmen und wollen IT-relevante Technik für unsere Kunden machen.

"Man nutzt überall die Möglichkeit der IT, um die Abläufe zu verschlanken und global aufzutreten," sagt Hubert Österle, Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Uni St. Gallen.

Hubert Österle: Ein bislang als Hardware-Lieferant wahrgenommenes Unternehmen wie HP muss seine Lösungskompetenz glaubhaft vermitteln. Auch deswegen, weil die Kunden sonst sagen: Die wollen mir sowieso nur einen Drucker verkaufen. HP hat in vielen Bereichen ein hervorragendes Lösungs-Know-how etwa im Bereich Service-orientierte Architekturen entwickelt. Viele der HP-internen Lösungen hatten und haben im Markt Vorbildwirkung. Wir haben sie auch in der universitären Ausbildung benutzt.

Uli Holdenried: Das Wort Lösungen beinhaltet ja eine Antwort auf ein Problem. Um beim Beispiel Drucker zu bleiben: Als wir in den 80er-Jahren in die Druckersparte einstiegen, haben wir sehr früh erkannt, welche Bedürfnisse viele Benutzer haben. Nämlich, dass der Mensch weiterhin sehr viel in schriftlicher Form vor sich liegen haben möchte. Und dass jeder den Drucker an seinem Arbeitsplatz stehen haben möchte. Inzwischen ist das Problem, dass viele Firmen sehr viel Geld fürs Drucken ausgeben. Sie möchten in diesem Bereich Transparenz haben. Da bieten wir den Firmen unsere Managed-Print-Services an, bei denen sie nicht mehr Drucker kaufen, sondern Druckleistungen, die nach gedruckten Seiten abgerechnet werden. Das schafft nicht nur mehr Transparenz. Es ist auch ein Beitrag, Fixkosten in variable Kosten zu überführen. IT-Konzepte wie die Virtualisierung von Rechnerkapazitäten oder Services, bei denen Sie nach Konsumption abrechnen können, beruhen auf dem gleichen Prinzip. Das sind Beiträge der IT, um das Business besser steuern zu können. Mit der entsprechenden Software können Sie zudem Technologie so einsetzen, dass sie optimal für das Business ist. Das meinen wir mit Business Technology Optimization, einen integrierten Ansatz. Die IT kann im Idealfall wie ein Business betrieben werden. Wir maßen uns aber nicht an, besser als der Kunde zu wissen, wie sein Geschäft zu managen wäre.

Stichwort Innovation: Können sich Unternehmen immer wieder neu erfinden? Gibt es Grenzen?

Uli Holdenried: Wir haben früher schon international gearbeitet. Heute aber schlägt die internationale Konkurrenz, sprich Globalisierung, völlig anders durch. Die Konkurrenten kommen plötzlich aus ganz anderen Richtungen, als man gedacht hat. Wie etwa von Google und Ebay. Darauf müssen sich die Firmen einstellen, ihre Produkte, Geschäftskonzepte und Geschäftsmodelle laufend innovativ weiterentwickeln, um sich von den Wettbewerbern zu differenzieren. Das erfordert Flexibilität und Innovationsgeist in der IT.

Hubert Österle: Man nutzt überall die Möglichkeiten der IT, um die Abläufe zu verschlanken und global aufzutreten. So zeigt auch eine aktuelle Studie, die wir in einer Forschungskooperation mit der Peking University bei chinesischen Unternehmen machen, dass diese massiv anfangen, die Potenziale der IT zu nutzen, und dabei durchaus eine Entwicklungsstufe überspringen. Es stellt sich aber auch grundsätzlich die Frage: Wie viel Innovation hält der Mensch aus? Denn er ist der langsamste Teil im ganzen Innovationsprozess - aber auch der Wichtigste. Dennoch: Wer nicht über die nötige Gemütsruhe verfügt, fängt mit 50 Jahren oder schon früher an, auszubrennen. Man beobachtet, dass Burn-out-Symptome stark zugenommen haben. Blackberry und Business-Chats sind Druck-Erzeuger.

Sind die Deutschen innovationsfeindlich? Viele erfinden etwas, andere machen das Geschäft?

"Gerade der Mittelstand hat sich wegen seiner Exportstärke früh mit der Globalisierung auseinandergesetzt, auf Innovationen gesetzt und sich fit gemacht," sagt Uli Holdenried, Vorsitzender der Hewlett-Packard GmbH in Deutschland.

Uli Holdenried: Man muss zwischen "invent“ und "innovate“ unterscheiden. "Innovate“ bedeutet, dass ich etwas Neues mache und es auch in den Markt bringe. Innovationen sind auch im Markt relevant. Die deutsche Wirtschaft ist auf technischer Seite traditionell innovativ, auch wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal nicht so den Anschein hat. Vor allem sind deutsche Unternehmen viel globaler aufgestellt als bekannt. Gerade der Mittelstand hat sich aufgrund seiner Exportstärke früh mit der Globalisierung auseinandergesetzt, auf Innovation gesetzt und sich "fit“ gemacht. Gerade im Mittelstand gibt es viele Weltmarktführer.

Hubert Österle: Wir haben tatsächlich einen hohen Innovationsgrad. Aber: Wenn ich in Asien über Innovation durch IT spreche, jubeln alle Teilnehmer und begeistern sich für die Chancen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Osteuropa. Hier bei uns jubeln vielleicht 20 Prozent, 60 Prozent stimmen innerlich zu, aber 20 Prozent fragen ausschließlich nach den negativen Technikfolgen. Leider bestimmen diese Zukunftsängstlichen dann häufig das Bild. Von unserem Nachwuchs studieren nur wenige technische Berufe, viele aber weiche Studiengänge wie Politikwissenschaft. Die Wirtschaft leidet am massiven Mangel an Absolventen technischer Lehrgänge.

Wie entwickelt sich die Rolle des CIOs?

Hubert Österle: Wir brauchen Leute mit IT-Know-how, die dabei helfen, das Geschäft neu zu erfinden und Innovationen zu bewerkstelligen. Das geht in Richtung Business Process Management. Und wir brauchen Menschen, die die IT eines Unternehmens hochgradig sicher, kosteneffizient, leistungsfähig und zukunftsorientiert führen. Das sind aber nicht die gleichen, sondern es sind zwei verschiedene Berufsbilder. IT-Verantwortliche sollten sich entscheiden, wohin sie sich entwickeln wollen. Wer sich für Technologie interessiert, wird noch heute manchmal für unwichtiger gehalten - das ist aber ein Irrtum.

Uli Holdenried: Mich fasziniert, dass oft über die Rolle des CIOs gesprochen wird, aber nie über die Rolle der anderen Vorstände. An der Erkenntnis, dass jede Firma ihr Geschäft mit IT besser betreiben kann, führt ja kein Weg vorbei. Ob ein CIO dafür aber im Vorstand sitzen muss, ist für mich eher Glaubenssache. Ein CEO sollte sich klar machen, wie es um seine IT-Kenntnisse bestellt ist. Wer eine Bank führt und wenig Affinität zu Technik hat, sollte jemanden einstellen, der viel vom Bankengeschäft versteht. Wer als CEO eher ein Technologiemensch ist, kann selbst die Technik-Innovationsrolle übernehmen. Insgesamt bleibt wichtig: Die Funktion Technologie sollte in jedem Unternehmen stark vertreten sein.