Demo mit umgebauten Maserati

Google will Android als Plattform im Auto etablieren

23.05.2016
Nach Smartphones soll sich Android nach dem Willen von Google auch in Autos ausbreiten. Hersteller werden das Betriebssystem kostenlos als Fundament für ihre Unterhaltungssysteme nutzen können.
Google demonstrierte auf der I/O an einem umgerüsteten Maserati Ghibli, wie Android N und Android Auto künftig zusammenarbeiten können
Foto: IDGNS

Google wird sein Betriebssystem Android Autobauern als Basis für die Bordcomputer ihrer Fahrzeuge anbieten. Dabei bekämen die Hersteller die volle Kontrolle über Funktionen, Bedienung und die Einbindung zusätzlicher Dienste etwa für Musik oder Online-Services, sagte der zuständige Google-Manager Patrick Brady der Deutschen Presse-Agentur. "Android ist ein offenes System, sie können machen, was sie wollen."

Zugriff auf CAN-Bus - aber keine Weiterleitung an Google

Die Unterhaltungs- und Informationsanlagen auf Basis der neuen Android-Version N sollen alle möglichen Funktionen von der Steuerung der Klimaanlage bin hin zur Bedienung der Fensterheber übernehmen. Sie sollen auch Zugang zu Fahrzeugdaten aus dem sogenannten CAN-Bus haben können. Google habe dabei keinerlei Zugriff auf die Informationen, betonte Brady auf der Entwicklerkonferenz Google I/O. Für die Einbindung von Google-Diensten wie Maps soll - wie bei Smartphones - eine separate Lizenz-Vereinbarung nötig sein. Die Software Android Auto zur besseren Einbindung von Android-Smartphones solle standardmäßig unterstützt werden.

Android N bietet native Unterstützung für die Klimaanlage im Auto.
Foto: IDGNS

Brady rechnet damit, dass Googles neuer Sprachassistent eine wichtige Rolle im Auto spielen wird. "Gerade wenn man Auto fährt, will man keine App öffnen, um zum Beispiel einen Tisch im Restaurant zu reservieren." Der am Mittwoch angekündigte "Google Assistant" soll menschliche Sprache verstehen und sich mit den Nutzern unterhalten. Als erstes Produkt soll im Herbst der vernetzte Lautsprecher "Google Home" auf den Markt kommen.

Google Assistant
Ein smarter Assistent, mit dem man sich unterhalten kann, soll in Zukunft viel mehr Möglichkeiten als die klassische Google-Suche bieten. Mit Hilfe von Spracherkennung und künstlicher Intelligenz kümmert sich Google um so gut wie jede Frage oder Aufgabe.
Google Home
Der vernetzte Lautsprecher namens Home soll den Google Assistant ab Herbst 2016 in den Haushalt bringen. Geplant ist eine ganze Plattform mit Schnittstellen für Geräte und Dienste anderer Hersteller. Der Lautsprecher hört immer mit - natürlich nur, damit er keine Aufträge verpasst.
Android N
Für die nächste Version des Smartphone-Betriebssystems wurden einige neue Funktionen vorgestellt. Zum Beispiel die Möglichkeit, auch auf einem Smartphone zwei Apps nebeneinander laufen zu lassen. Für die Bestimmung des endgültigen Namens - Google benennt die Android-Versionen traditionell in alphabetischer Reihenfolge nach Süßigkeiten - wurde eine Umfrage gestartet.
Instant Apps
Noch muss man warten, bis sich eine App komplett heruntergeladen hat. Instant Apps sollen Anwendungen künftig in kleine Fragmente teilen, damit einer sofortigen Nutzung nichts mehr im Weg steht.
Google Daydream
Google denkt nicht daran, das vielversprechende Zukunftsfeld Virtual Reality den Konkurrenten Facebook oder Samsung zu überlassen und startet eine eigene VR-Plattform mit dem Namen Daydream. Diese soll für ein einheitliches Erlebnis auf Android-Smartphones verschiedenster Hersteller sorgen. Auch die Videoplattform YouTube wurde fit für VR-Inhalte gemacht.
Google Allo
Gegen die Übermacht der Facebook-Dienste WhatsApp und Messenger will Google künftig mit einem eigenen Messenger-Service ankämpfen: Allo. Dieser wird auf Googles künstlicher Intelligenz basieren und soll Usern unter anderem passende Antworten und Emojis vorschlagen, aber auch passende Restaurants und Kinofilme empfehlen.
Google Duo
Auch beim Thema Videochat rüstet Google auf: die App Duo soll in Zukunft den zahlreichen Rivalen die Stirn bieten.
Android Wear 2.0
Google aktualisiert das Betriebssystem für Android-Smartwatches. Unter anderem wird man Text bald auch über eine kleine Onscreen-Tastatur oder per Schrifterkennung eingeben können. Außerdem können künftig alle Apps direkt ins Zifferblatt integriert werden.

Gemeinschaftsprojekt mit Maserati und Qualcomm

Google zeigte auf der Konferenz einen umgerüsteten Maserati Ghibli, in den ein 15-Zoll-Touchscreen als Steuereinheit eingebaut wurde. Das Kombi-Instrument im Armaturenbrett wurde ebenfalls durch einen Bildschirm ersetzt. Die Hersteller könnten aber selbst über Größe und Art der Bedienelemente entscheiden, sagte Brady. Zur Internet-Anbindung könne sowohl ein eigenes Modem im Auto eingebaut als auch ein angeschlossenes Telefon genutzt werden. Die Anforderungen an die Hardware sollen nicht zu hoch sein. "Wir entwickeln die Plattform so, dass sie in Autos aller Klassen eingesetzt werden kann", sagte Brady. Google habe die Software auch auf einige Jahre alter Technik getestet.

"Aus unserer Sicht durchlebt das Auto einen Wandel wie einst das Handy: Früher gab es einfache Mobiltelefone, die mit hauseigener Software der Hersteller liefen, jetzt gibt es Smartphones auf einheitlichen Plattformen wie Android", sagte Brady.

Android so weit das Auge reicht
Dieses Android-Trio begrüßte die Besucher der I/O 2016.
Android N*
Auf diesem Android-Bot konnten die Besucher ihre Vorschläge für den Namen der kommenden Android-Version verewigen.
Project Loon...
... ist der Name dieses riesigen Ballons, der normalerweise aus luftigen Höhen Netzwerk-Signale sendet.
Schaut mich an...
Das selbstfahrende Google-Auto gab es auf der I/O 2016 zwar zu sehen, allerdings nur als "Stillleben".
Walter
Der weltgrößte VW-Bus war auch auf der I/O zu Gast. Warum? Wir wissen es nicht.
KI-Kunst
Ein Roboterarm bewegte sich im Takt eines Soundtracks und bespritzte dabei einen Würfel mit Farbe. Das Ergebnis ist Kunst und bereicherte das Eventgelände.
Direkter Draht
Entwickler bekamen auf der I/O 2016 die Möglichkeit, sich mit Google-Experten über Projekte auszutauschen.
Networking
Diese Ideen-Wand diente den Entwicklern dazu, ihre Ideen zur Schau zu stellen, um sich anschließend mit anderen Teilnehmern und/oder Experten auszutauschen.

Bis erste Autos mit Android auf die Straße kommen, dürfte einige Zeit vergehen: Demnächst sollen den Autobauern erst die Spezifikationen und Schnittstellen vorgelegt werden. Brady unterstrich die Vorteile des Google-Betriebssystems für die Hersteller: "Es ist kostenlos, standardisiert und sie müssen sich nicht um Software-Pflege und das Stopfen von Sicherheitslücken kümmern." Außerdem müsse nicht mehr jede einzelne App wie ein Musikdienst für die individuelle Plattform jedes Autoherstellers angepasst werden. Das werde die Kosten für die Autobauer drastisch senken und zudem könnten sie schneller als bisher neue Produkte auf den Markt bringen. (dpa/mb)