Bausparkassen-Fusion

Häuslebauer-IT unter einem Dach

04.11.2002 von Johannes Klostermeier
Von der Wiege bis an die Bahre möchte der W&W-Konzern seine Kunden begleiten. Durch die Fusion der Württembergischen Ver-sicherung mit der Bausparkasse Wüstenrot und die Verschmelzung mit der Leonberger Bausparkasse fühlt sich das Unternehmen dafür gerüstet. Die IT spielt hier eine Schlüsselrolle: Seit August arbeiten die 800 Mitarbeiter in einer eigenen GmbH.

"Es gibt noch keine einheitliche Kultur", sagt eine Mitarbeiterin des Vorsorgekonzerns Wüstenrot & Württembergische (W&W) - auch wenn die Fusion der Württembergischen AG Versicherungs-Beteiligungsgesellschaft mit der Wüstenrot Beteiligungs AG schon zum 1. Januar 1999 erfolgte. Entstanden ist ein Konzern mit 10000 Mitarbeitern, 6000 Außendienstlern und rund sechs Millionen Kunden. Im September 2001 haben dann auch die Bausparkasse Wüstenrot und die Leonberger Bausparkasse ihre Geschäfte zusammengelegt. Ergebnis: ein Allfinanzkonzern mit einem Portfolio von Versicherungen über Bausparen bis hin zu Geldanlagen.

Auch für die IT brachen neue Zeiten an. Die 800 Mitarbeiter der früher eigenständigen vier Informatikabteilungen der Einzelgesellschaften (Wüstenrot Bausparkasse/Leonberger Bausparkasse, Wüstenrot Bank, Württembergische Versicherung) sind seit dem 1. August in dem neu geschaffenen Unternehmen W&W Informatik beschäftigt. "Bei einer Fusion muss die IT der Unternehmen zusammengebracht werden. Das ist spätestens beim zweiten Treffen klar", sagt Philip Helmer. Der Holländer, einer von zwei Geschäftsführern des neuen Unternehmens, war zuvor als Berater bei Cap Gemini Nederland und Debis tätig; 1995 wurde er IT-Vorstand der Erasmus Verzekeringen, der W&W-Tochter in Rotterdam.

"Es gibt noch viele Ecken und Kanten und einige ,Die Hards‘", sagt Helmer zu den Fusionsschmerzen. Einige sehen nicht ein, warum sich etwas ändern soll. "Dabei müssten doch Veränderungen Standard sein." Das Problem: "Wir mussten bisher immer nachweisen, warum eine Neuerung notwendig ist, aber wir mussten nicht erklären, warum wir etwas beibehalten."

Die Verschiedenheit der Kulturen verunsichert. Was in der einen Gesellschaft als gut gelte, sei in der anderen als dumm und altmodisch verschrien. Doch nach und nach würden sich die Leute zusammenraufen. Ein konkretes Beispiel, wo es hakt, will der IT-Chef aber nicht nennen. "Es hilft niemandem, wenn ich kulturelle Unterschiede werte", meint er. Sein Credo: ein Kulturmix. "Wir müssen die IT-Stärken der einzelnen Gesellschaften sichtbar machen und uns dann fragen: Wie passen diese in der neuen Welt zusammen?"

IT bildet den strategischen Rahmen ab

Damit die Fusion funktioniert, musste das Unternehmen zuerst seine Ziele festlegen. Die IT, die in der Vergangenheit in den einzelnen Gesellschaften auf Zuruf Projekte gestartet hat, fügt sich jetzt erstmals in einen strategischen Rahmen ein. Es gibt nun klare Ansprechpartner, Monatsberichte und einen Jahresplan. "Wir haben bereits Ende 1999 mit der IT-Koordination begonnen und Anfang 2000 eine IT-Strategie verabschiedet. Danach konnten wir entscheiden, welche Organisationsstruktur die Umsetzung der Strategie am besten unterstützt."

Die Strategie leitet sich aus den Zielen des Gesamt-konzerns ab: "Zuerst gibt es nur Risiken, dann kommt das Sparen, der Hauskauf, später das Vermögen. Das alles aus einer Hand anbieten zu können war der Basisgedanke hinter der Fusion." Die IT-GmbH bildet künftig die Struktur des neuen Konzerns - Schaden- und Personenversicherungen, Bausparen, Finanzierung und Investment - in ihrer eigenen Organisation ab. Die Anwendungsentwicklung soll sich um die Umsetzung der Ziele der jeweiligen Bereiche kümmern. Jetzt gehe es darum zu verstehen, was der Kunde erreichen will. Bei den zur W&W fusionierten Unternehmen hatten die einzelnen IT-Abteilungen als abgeschlossene Einheiten vor sich hin gewerkelt. Vor allem dann, wenn es um strategische Projekte ging, waren Aufträge die Regel, bei denen unklarheit über den Auftraggeber herrschte. Solange alles aus dem großen Topf bezahlt wurde, fiel dieses Vorgehen nicht weiter auf. Das geht jetzt nicht mehr. "Bei allen Vorhaben und Projekten muss absolut klar sein, wer der Auftrag- und damit der Geldgeber ist. Der Auftraggeber sollte derjenige sein, der das Geld erwirtschaftet hat", fordert Helmer.

Der IT-Beirat ist der Markt

Der mit der Ausgründung im August eingerichtete IT-Beirat soll die Leiter der Geschäftsfelder eng mit der GmbH verzahnen. Er entscheidet über die Budgets und über Grundsätzliches wie die Konsolidierung der Rechenzentren oder die Einführung einer neuen Software-Entwicklungsmethode. "Der Beirat ist der Markt für uns", sagt Helmer. Mitglieder sind die Vorstände der einzelnen Gesellschaften, Vorsitzender ist der für IT verantwortliche W&W-Vorstand Edmund Schwake.

Der Beirat ist das Nachfolgemodell des "Koordinationsausschusses Informatik", den es seit November 1999 gab, und der den Restrukturierungsprozess begleitete. Doch anders als der Beirat hatte er keinerlei Weisungsbefugnisse. Damit die Beschlüsse Rechtsgültigkeit bekamen, mussten die einzelnen Gesellschaften sie stets noch einmal verabschieden.

Bis 2005 hat der Vorstand seiner neuen IT-GmbH Zeit gegeben, die Vorgaben nach der Neustrukturierung zu erfüllen. 16 Millionen Euro Kostenreduzierung jährlich sind das Ziel für die IT-Mannschaft ab 2005 bei einem Etat von derzeit 200 Millionen Euro. Die Holding soll dann 50 Millionen Euro jedes Jahr einsparen.

Für die IT heißt das: Was bisher an vier Stellen stattfand, wird jetzt an einer gemacht. Bei den Netzen gibt es statt drei nur noch einen Carrier für die Geschäftsstellen und einen für die Außendienstmitarbeiter. "Wir fahren jetzt nur noch zwei statt drei Rechenzentren, und es wird auch nicht mehr drei verschiedene Lieferanten für ein Produkt geben."

Die IT-GmbH soll aber auch in Zukunft nur für den eigenen Konzern da sein. "Wir haben für die nächsten Jahre ausreichend Arbeit und sind nicht als selbsttragendes Unternehmen ausgerichtet." Die W&W habe auch nicht die Absicht, die neue Tochter zu verkaufen. "Denn was wäre ein Finanzdienstleister ohne IT?"

Mit Versammlungen für alle und der Zeitschrift IT-News will Helmer bei den Mitarbeitern Aufbruchsstimmung erzeugen. Mit der Gewerkschaft Verdi wurde ein Tarifvertrag ausgehandelt, der erstmals freiwillige Samstagsarbeit erlaubt. Die Mitarbeiter dürfen bis zu 150 Stunden Zeitguthaben ansammeln, das sie sich auch ausbezahlen lassen können. Dazu soll eine stärker leistungsabhängige Vergütung kommen, die noch mit Verdi vereinbart werden muss.

Bei all dem muss Helmer dennoch weiter mit der Trägheit des Menschen rechnen: Als vor elf Jahren die Württembergische Gruppe aus Württfeuer und Ara entstand, habe es, so erinnert sich ein Mitarbeiter, schließlich auch bis zur nächsten Fusion gedauert, bis die Unterschiede ganz verschwunden waren.