Bundesagentur verpasst Partnern Maulkorb

Hartz IV lässt der IT wenig Luft

10.08.2004 von Riem Sarsam
Den beteiligten Unternehmen bleiben nur wenige Monate, um die Software für Hartz IV umzusetzen. Sie müssen eine Lösung entwickeln, die mehrere Millionen Anträge zentral erfassen und die Auszahlungen berechnen kann. Zu dem Stand der Entwicklung dürfen sie nichts sagen.

40.000 Mitarbeiter sollen gleichzeitig auf die Software für Hartz IV zugreifen können. Damit ist es eines der größten laufenden E-Government-Vorhaben in Deutschland. Die Lösung baut auf dem System "Prosoz" der gleichnamigen Firma auf, die bislang in den Sozialämtern eingesetzt wurde, um die Sozialhilfe zu ermitteln.

Die größte Schwierigkeit besteht darin, die Lösung auf die Angaben aus den erheblich erweiterten Fragebögen zurecht zu schneiden. Außerdem muss die gestiegene Zahl der Anwender berücksichtig werden. Gleichzeitig gilt für 69 Kommunen eine Sonderregelung. Wenn sie wünschen, dürfen sie mit einer eigenen Software arbeiten, die allerdings mit dem Zentralsystem verbunden werden muss. Ob sie das tatsächlich in Anspruch nehmen werden, steht allerdings noch nicht fest.

Kein Wort nach draußen

Vor wenigen Wochen deutete eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit bereits vorsichtig an, dass eine zeitgemäße Einführung des neuen Arbeitslosengeldes (ALG II) auch von der Software abhänge. Sollte sie nicht rechtzeitig in Betrieb genommen werden, platze der Zeitplan. Vorsichtshalber erteilte die Behörde ein Redeverbot an alle Partner.

Der leise Zweifel dürfte für die an der Entwicklung beteiligten Partner ein Schlag ins Gesicht sein. Schließlich war es die Politik, die die Rahmenbedingungen erst spät festlegte. Gemeint sind T-Systems, Prosoz sowie Consens, ein auf den sozialen Sektor spezialisiertes Beratungshaus. Protestiert haben sie dennoch nicht.

Nicht nur außerhalb der Agenturen herrscht Schweigen. "Dazu sagt Ihnen hier niemand etwas," antwortet die Pressestelle der Bundesagentur auf die Frage, ob sich ein IT-Verantwortlicher zum Stand der Dinge äußern könne.

Unübliche Rahmenbedingungen

Schon der Start des Projekts im Frühjahr dieses Jahres verlief eher unüblich. "Normalerweise beginnt man so ein Projekt damit, dass die Rahmenbedingungen festlegt werden," heißt es aus einem der beteiligten Unternehmen. Statt dessen musste seit Frühjahr zunächst ins Blaue hinein vorgearbeitet werden, der endgültige Rahmen wurde erst Mitte des Jahres gesteckt.

Mittlerweile liegt die Schulungsversion der Software vor. Damit werden nun Trainer eingewiesen. Diese werden später die Anwender in den Ämtern unterweisen.

In einem zweiten Schritt soll bis Oktober das Erfassungssystem fertiggestellt sein. Die endgültige Version, das Produktivsystem, steht für November an.

Es gibt keinen Puffer für das Projekt

Der Zeitplan ist äußerst knapp bemessen, wie auch die Bundesagentur selbst einräumt. "Es gibt für das gesamte Projekt keinen Puffer," sagte ein Pressesprecher. Auch interne Abläufe verzögern das Prozedere. Die Beschaffung fehlender Hardware etwa erweist sich als potenzielles Risiko. Als staatliche Behörde muss die Bundesagentur ihren Bedarf europaweit ausschreiben – das kostet Zeit.

Zuletzt müssen auch die Antragsteller mitspielen. Sie müssen ihre ausgefüllten Fragebögen rechtzeitig zurücksenden, um auch im Januar ihr Geld bekommen zu können. Agentur-Mitarbeiter sowie Angestellte des Telekom-Unternehmens Vivento müssen die Daten schließlich per Hand in das System eingeben. "Wenn die Bögen erst im November kommen, dann ist es ausgeschlossen, dass die Auszahlung bis Januar berechnet werden kann", heißt es aus einem der Partnerunternehmen.

Bei der Bundesagentur sorgt man sich darüber wenig: Man habe den Kommunen ein Software-Tool geliefert, das den Sachbearbeiter alarmiert, wenn ein Fragebogen nach vier Wochen noch nicht zurückgesandt wurde. "Immerhin liegt es im Interesse der Antragsteller, die Bögen so schnell wie möglich zurückzugeben."

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