Was Peter Záboji und andere CEOs ihren CIOs abverlangen

Ich erwarte Wunder

03.06.2002
IT ist Chefsache. CEOs schmücken sich gern mit einer leistungsfähigen Informationsverarbeitung, gerade im E-Business. Intern werden CIOs jedoch häufig als Geldvernichter angeprangert, ihre Abteilungen in der Organisation herabgestuft. Wo steht die IT in deutschen Unternehmen? - Vorstände und Chefstrategen über ihre Erwartungen.

Die Ansprüche des Chefs von Tenovis an die IT sind hoch. "Ich erwarte Wunder. Aber ich bin auch bereit, sehr viel Geld dafür auszugeben", sagt Peter Záboji. Vier Prozent des Umsatzes, also rund 40 Millionen Euro, gibt der Frankfurter Kommunikationsdienstleister jedes Jahr für die IT aus. "Wir sind eine gigantische Bausstelle und investieren gigantische Beträge - trotz schwacher Konjunktur", stellt Záboji fest.

Die Philosophie des Tenovis-Chefs dürfte viele andere Unternehmenslenker stark verwundern, frieren doch derzeit CEOs und Finanzvorstände angesichts knapper Kassen die IT-Etats ein oder fahren sie sogar herunter. Zum Verdruss der CIOs geschieht dies oft ohne Zögern, denn die IT gilt allgemein als Geldvernichter ohne nachweisbaren Nutzen für das Geschäft.

Záboji hingegen sieht die Informationstechnik als entscheidenden Faktor für den Erfolg. "Sie gehört bei uns zu einer der drei überragenden Prioritäten. Wir kommen aus der Produkt- und Herstellerecke und wollen zum Lösungs- und Kommunikationsdienstleister avancieren. Dazu brauchen wir die besten Prozesse, und die sind natürlich IT-getrieben."

Um die hohen Erwartungen in zählbare Erfolge um-zumünzen, muss die IT zur Chefsache erklärt werden. Auch am Budget darf es nicht scheitern. Der ehemalige General-Electric-Chef Jack Welch hat das erkannt: Gerade in schlechten Zeiten sollten Unternehmen in ihre IT investieren, riet der vom US-Magazin Forbes zum "Manager des Jahrhunderts" Gekürte kürzlich. "Jetzt ist die Zeit, um den Vorsprung auszubauen." Nur so könnten sich die Unternehmen den Wettbewerbsvorteil verschaffen, der zum Überleben nötig sei.

Vorstandsposten werden gestrichen

Doch viele CEOs sind davon nicht überzeugt. Immer neue Meldungen über abgeschaffte IT-Vorstandsposten und gefeuerte CIOs verdüstern das Bild der Informationsverarbeitung in den Unternehmen. So strich etwa die Schleswiger Mobilcom im vergangenen Oktober den erst im April 2000 geschaffenen und mit Volker Visser besetzten Vorstandsposten für IT. Offiziell begründete der Mobilfunk-Provider den Schnitt damit, dass eine dezentral organisierte IT-Struktur besser arbeiten könne. Analysten gehen jedoch davon aus, dass Mobilcom die Kosten für den Aufbau des UMTS-Netzes nicht in den Griff bekommen habe und nun an allen Ecken und Enden sparen müsse - eben auch bei der IT.
Auch beim Industrieausrüster ABB musste der CIO wieder von Bord gehen: Jim Barrington wechselte zum Chemiekonzern Novartis und wurde nicht ersetzt. Mit effizienteren dezentralen Strukturen begründete das Unternehmen die Abschaffung des Postens im Dezember 2001. IT-Entscheidungen würden jetzt wieder vor Ort getroffen, heißt es bei ABB. Der weltweite Leiter des Bereichs Infrastructure & Services, George Chapelle, fungiere nur noch als Beobachter.

Genau andersherum argumentierte die Hamburger Sparkasse: Zentralisierung und Outsourcing der IT hätten Rolf-Peter Schultz den Vorstandsposten gekostet. Mit der Auslagerung der IT an ein Verbandsrechenzentrum sei ein IT-Vorstand nicht mehr erforderlich.

Als weiterhin ungeklärt gilt die Position des CIOs bei Opel. Der Rüsselsheimer Autokonzern hat die Stelle nach dem Weggang von Peter Schumann zur Schenker-Gruppe im Dezember 2001 bislang nicht neu besetzt. Wann die Vakanz wieder gefüllt wird und ob überhaupt, konnte eine Opel-Sprecherin nicht sagen. Das hänge davon ab, wie sich das im April 2001 gestartete unternehmensweite Umstrukturierungsprogramm "Olympia" entwickele.

Und auch beim Lebensmittelkonzern Tengelmann ist nach dem Weggang von Meinhard Holle kein Nachfolger in Sicht. Vermutlich wird es keinen CIO mehr geben

CEOs nehmen IT-Leistungen verzerrt wahr

CIOs klagen oft darüber, dass die Unternehmensführung die Informationsverarbeitung nur verzerrt wahrnehme. Vor allem Berichte und Studien über gescheiterte Großprojekte schwächen intern die Position der IT-Entscheider. Eine im Herbst 2001 unter 75 IT-Managern deutscher Großunternehmen und Mittelständler durchgeführte Befragung der Unternehmensberatung Aspect International Consulting ergab, dass 43 Prozent aller IT-Projekte ab-gebrochen werden. Wenn der Chef das liest, muss er an seiner IT zweifeln.

Wer als Firmenlenker jedoch an diesem Punkt stehen bleibt, nimmt die IT nur aus einer sehr eingeschränkten Perspektive wahr - zum Schaden des Geschäfts. Um Missverständnisse und Fehler zu vermeiden, sollte man den Problemen auf den Grund gehen, sagt Meta-Group-Analyst Axel Jacobs. "Die pauschalen Stammtischparolen über gescheiterte Projekte müssen widerlegt werden." Dazu ist es unumgänglich, dass sich die CEOs intensiv mit der IT auseinander setzen und mit ihren CIOs und IT-Vorständen reden. Das geschieht allerdings noch viel zu selten, wie CIO-Berater Jacobs weiß: "Die Kommunikation zwischen CIOs und Vorständen ist meist zu schwach ausgeprägt. Vorstände und Geschäftsführungen begreifen die IT nicht als wichtigen Produktionsfaktor."

Bei Tenovis sei das anders, bekräftigt CEO Záboji. Er beschäftige sich täglich mit IT-Themen - bei mehr als 30 Jahren in der Branche (unter anderem IBM und Siemens) und als Mitglied des Redaktionsbeirats von CIO keine Überraschung. IT-spezifische Informationen holt sich der Tenovis-Chef nach eigener Auskunft aus dem Geschäftsführungskreis, in dem neben CIO Alfred Schöppl die IT-Kenner Peter Barnewitz und Andreas von Meyer zu Knonow sitzen. Barnewitz kommt vom Netzwerkausrüster Cisco, von Meyer zu Knonow arbeitete vorher bei Siemens. "Mit unserem CIO rede ich täglich. Er besitzt die Gabe, die Themen auf mein Niveau runterzubringen", so Záboji mit einem Augenzwinkern.
Die mehrfache Verankerung der IT-Kompetenz in der Geschäftsführung ist für ihn zwingend notwendig, weil es für Tenovis schwieriger sei, im Business die Skalen-effekte wie die ganz Großen der Branche zu erreichen. Das Unternehmen ist mit 6500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von einer Milliarde Euro die Nummer fünf unter den TK-Ausrüstern in Europa. Nur mit exzellent geplanten und gesteuerten Prozessen sei man konkurrenzfähig. "Kein Papier mehr, nur noch elektronisch - da sind wir brutal konsequent; das ist für uns langfristig die einzige Überlebenschance", bekräftigt Záboji.

Doch Geld allein reicht nicht. Für Záboji ist die interne Kommunikation der stärkste Hebel, um die Technik in Gang zu bringen. "Die Frage lautet: Wie revolutioniere ich die Unternehmenskultur, damit ich schneller und flexibler Strategien festlegen kann?"

Post-CIO mit Konzernkompetenz

Den schärfsten Kontrast zum IT-Experten Záboji stellt wohl der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post dar. "Als ausgesprochenen Computerfachmann würde ich mich nicht bezeichnen. Da verlasse ich mich auf das Know-how von Peter Kruse", sagt Klaus Zumwinkel. Bei der Deutschen Post vertritt Kruse als Vorstand für Euro Express (Paket- und Distributionsnetz) und Logistik auch die IT-Interessen von Post-CIO Manfred Schuster.

Im "IT-Board" trifft sich Zumwinkel regelmäßig zu Gesprächen mit dem Vorstand, den obersten IT-Verantwortlichen der einzelnen Konzernbereiche und Schuster. Obwohl der CIO kein Vorstandsmitglied ist, kommt ihm eine zentrale Rolle zu. "Nur ein für den Konzern gesamtverantwortlicher CIO kann die IT-Strategie über die Grenzen der Unternehmensbereiche hinweg steuern", so Zumwinkel.

Die Bedeutung der IT spiegelt sich in den Investitionen wider. Als Logistikdienstleister hängt die Post auf Gedeih und Verderb von IT-Prozessen ab. 2,5 Milliarden Euro gibt der Gelbe Riese in diesem Jahr für seine IT-Aktivitäten aus. Darunter fallen die Erneuerung der Schalter-Terminals in rund 13000 Filialen, die Einführung der weltweit größten SAP-HR-Anwendung (Personalverwaltung) sowie Projekte in der Lagerwirtschaft und bei der Postbank.

"Eine moderne IT ist für uns ein wichtiges Standbein, ein Investment, das sich auszahlt", begründet Zumwinkel die hohen Investitionen.

Ein Teil des Geldes fließt bei der Post ins E-Business - ein Bereich, in den die meisten Unternehmensbosse große Hoffnungen gesetzt hatten, die sich jedoch selten erfüllt haben. "E-Business ist mehr als der inzwischen abgeklungene New-Economy-Hype auf dem Finanzmarkt. Es war und ist für uns ein Potenzial, das wir in verschiedener Hinsicht nutzen", sagt Zumwinkel. Zu den laufenden Projekten zählen unter anderem Web-basierte Marktplätze wie die B2B-Portale E-Logistics, Portivas und Trimodo, die E-Filiale und der elektronische Frankierdienst Stampit. "Wir profitieren dabei vom wachsenden E-Commerce und setzen auf Online-Technologien als Plattform, um unsere Geschäftsprozesse durchgehend zu digitalisieren."

Strategiebausteine vom TÜV-CIO

Deutlich zurückhaltender schätzte bislang Wilhelm Wick, Vorstandsvorsitzender des RWTÜV, das E-Business ein: "Wir waren sehr zögerlich und haben erst einmal andere Vorreiter spielen lassen." Langsam tastet sich aber auch der TÜV ans E-Business. Im Mai ging die vollständig IT-gestützte Beschaffung von Standard-Hardware in Betrieb, von der Bestellung über die Inbetriebnahme bis hin zum Einpflegen in die Buchhaltung. Auch so genannte C-Produkte, vor allem Büroartikel, werden online eingekauft, damit die Beschaffungskosten sinken. "Da haben wir noch Nachholbedarf", sagt Wick und sieht darin eine Aufgabe seines CIOs, Robert Wagner. Der soll für einen reibungslosen Ablauf sorgen, aber auch Verbesserungsvorschläge und Ideen für eine effizientere Prozessorganisation liefern. "Er muss die IT-Bausteine finden, die unsere Unternehmensstrategie unterstützen", fasst Wick seine Erwartungen an den CIO zusammen.

Ein Anspruch, den auch Volker von Minckwitz an seine IT stellte. Der von 1996 bis 2001 bei der Weka-Verlagsgruppe als CEO und CIO tätige Manager verlangt von einem IT-Strategen, dass er nicht nur die technisch besten Prozesse organisiert, sondern auch die Rentabilität ab-sichert. Als er bei Weka begann, sei das anders gewesen. "Die IT war nicht richtig aufgestellt und produzierte Kosten, ohne dass es einen Business-Zusammenhang gab. Das lag auch daran, dass die IT an keiner Stelle in die Entscheidungen eingebunden war. Sie operierte als reine Verwaltungseinheit."

Diese falsche Verankerung der IT können sich immer weniger Unternehmen leisten. Das gilt besonders für Logistikdienstleister wie Fiege aus Greven bei Münster. Hier besitzt die IT höchste Priorität - und das größte Risikopotenzial: "95 Prozent der Ausgaben für logistische Infrastruktur und Materialflusstechnik bergen 5 Prozent der Unternehmensrisiken. Dagegen stecken in den 5 bis 8 Prozent IT-Investitionen 95 Prozent der Risiken", sagt Andreas Resch. Er ist bei Fiege zugleich Geschäftsführer Deutschland und CIO mit dem Verantwortungsbereich Europa. Seine IT-Abteilung soll deshalb so viel wie möglich selbst erledigen, um die Gefahren zu verringern. Sogar die Personalverwaltung für die 11000 Mitarbeiter wird in Heimarbeit erledigt, obwohl die Auslagerung zu einem Dienstleister geprüft wurde.

IT als dritter Produktionsfaktor bei der GfK

Während auf der einen Seite CIO-Posten gestrichen werden, entsteht diese Position in anderen Unternehmen neu. So bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die im Januar erstmals einen CIO ernannt hat. "Neben unseren Mitarbeitern und Produkten ist die IT der dritte entscheidende Produktionsfaktor", sagt Klaus Wübbenhorst, Vorstandsvorsitzender des Nürnberger Unternehmens. Alle vier Wochen berichtet CIO Rainer Ostermeyer an den GfK-Chef, bei Bedarf öfter. "Seine wichtigste Aufgabe sehe ich darin, laufend das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern und ein strukturiertes IT-Controlling einzuführen", sagt Wübbenhorst.

Um noch enger mit der IT zu kooperieren, hat auch die Essener Spedition Schenker im Januar nicht nur erstmals einen CIO ernannt, sondern ihn zudem gleich im Vorstand verankert. "In unserem Geschäft ist der Informationsfluss dem Güterstrom mindestens gleichgestellt", sagt der Vorsitzende, Hakan Larsson. "Die Anforderungen unserer Kunden an globales Supply Chain Management wachsen ständig. Die IT entscheidet über unser Bestehen im Wettbewerb." Deshalb sprechen er und CIO Peter Schumann im Vorstand ständig über IT-Themen und die Unternehmensstrategie.

Dass der CIO engen Kontakt zu einem Vorstand oder dem Vorstandsvorsitzenden hat, der die Interessen der IT vertritt, sei mit entscheidend für die Zukunft eines Unternehmens. Davon sind die Accenture-Analysten Bernhard Holtschke und Andreas Pfeifer überzeugt. "Maßgeblich ist, wie IT-Themen Eingang in den Vorstand finden." Dabei komme es weniger darauf an, dass der CIO selbst im Vorstand sitzt. "Die Frage nach einem eigenen IT-Vorstand ist sekundär", findet Holtschke. Charakteristisch für erfolgreiche, im harten Wettbewerb bestehende Unternehmen sei es, dass die IT strategisch verankert ist.

Die regelmäßige Kommunikation und die Einbindung der IT in den Vorstand würden jedoch bei weitem nicht ausreichen, so Pfeifer. Die Vorstände müssten ein Gespür für die Bedeutung eines schnellen IT-Wandels entwickeln und sich aus eigenem Antrieb um IT-Themen kümmern, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Wenn sie nicht die passenden Fragen an ihre CIOs stellen könnten, erhielten sie auch nur unzureichende Antworten. "Vorstände sollten, um ihren CIO zu prüfen, beispielsweise nach einem Drei-Jahres-Masterplan fragen. Alle Innovations- und Investitionsprojekte darin müssen mit dem Geschäftsziel übereinstimmen", empfiehlt Pfeifer. Ergebniszahlen in der Bottom-Line seien nämlich die zentralen Vokabeln der Sprache, die viele Chefs immer noch am besten verstünden, so Meta-Analyst Jacobs. CIOs argumentierten aber oft mit Struktur- und Prozess-präsentationen. Jacobs rät deshalb: "CIOs sollten eine einfache, betriebswirtschaftliche Sprache wählen und dabei nachvollziehbar argumentieren."

Mentalität und beruflicher Werdegang von CEO und CIO sind in den meisten Fällen zu verschieden, als dass sich eine gemeinsame Wellenlänge von selbst ergeben könnte. CIOs agieren oft vor technischem Hintergrund, während die übrigen Entscheider überwiegend betriebswirtschaftliches Wissen besitzen. Die Anliegen der CIOs werden dann von ihren Vorgesetzten einfach nicht verstanden.

Aber auch die CIOs haben manchmal unerwartete Schwierigkeiten, ihren Chefs zu folgen. Auf die Frage nach der Stellung der IT in seinem Unternehmen, antwortete ein Gesprächspartner auf CIO-Ebene trocken: "Das möchte ich auch gern wissen."