Media-Center im Wohnzimmer

Im Trend: Raspberry Pi und Mini-PCs mit Android 4

12.02.2013 von Peter Stelzel-Morawietz
50.000 verkaufte Mini-PCs vom Typ Raspberry Pi waren das Ziel für 2012 – rund eine Million Geräte wurden es schließlich. Angesichts dieses Erfolgs starten weitere Hersteller mit eigenen Mini-PCs durch. Eine Übersicht über Modelle und Einsatzzwecke.

Ein „Rechner“ ohne Gehäuse, in Form einer Platine und mit Linux als Betriebssystem? Als der Raspberry Pi im Frühjahr 2012 vorgestellt wurde, dachten viele an eine Lösung für Bastler und Programmierer – so wohl auch die Raspberry Pi Foundation selbst, eine britische Wohltätigkeitsstiftung, die die Entwicklung des Platinen-Rechners unterstützt. Wer aber den durchschlagenden Verkaufserfolg von einer Million verkaufter Exemplare prophezeit hätte, wäre als Phantast oder Spinner abgetan worden.

Tatsächlich aber hat der britische Online-Shop Premier Farnell als einer von zwei offiziellen Distributoren eine halbe Million dieser Rechner im Scheckkartenformat verkauft. RS Components dürfte als zweiter offizieller Shop ähnlich viele verkauft haben – macht zusammen rund eine Million Raspberry Pis im Jahr 2012.

Möglich wurden die großen Verkaufszahlen nach anfänglichen, wochenlangen Lieferengpässen überhaupt erst, nachdem der Elektronikriese Sony in die Produktion eingestiegen ist

Was kann ein Mini-PC für 30 Euro überhaupt leisten?

Gut 25 Pfund, umgerechnet etwas mehr als 30 Euro, verlangen die beiden Händler für das aktuelle Modell B des Raspberry Pi mit 512 MByte RAM. Was kann man bei diesem Preis erwarten und was lässt sich mit dem Minirechner überhaupt machen?

Eine ganze Menge, lautet die Antwort auf beide Fragen. Denn auch ohne große Kenntnisse des freien Betriebssystems Linux lässt sich die „Wheezy“ genannte, speziell angepasste Debian-Version herunterladen, installieren und betreiben. Dazu gibt es im neuen Pi Store, so heißt der App-Store für den Platinen-Rechner, Software: Noch sind erst ein paar Dutzend Programme drin, aber eine Grundausstattung steht damit allemal.

Die Installation der Media-Center-Software XMBC für den Raspberry Pi, RASPBMC, erfordert keinerlei Linux-Kenntnisse: Alles läuft am Windows-PC im Microsoft-Betriebssystem.

Noch einfacher ist es mit RASPBMC, einer für den Einsatz als Media-Center portierten Variante der Media-Center-Software XMBC. Die bedienerfreundliche grafische Oberfläche lässt nicht einmal erahnen, dass unter der Haube Linux läuft.

So installieren Sie RASPBMC: Als „Festplatte“ dient eine gewöhnliche SD-Karte mit mindestens vier GByte Speicherkapazität. Diese SD-Karte stecken Sie zunächst in einen Kartenleser an Ihrem Windows-PC. Hier laden Sie Installationsdatei für RASPBMC herunter, entpacken diese und führen das Setup durch.

Raspberry Pi als Media-Center im Wohnzimmer: Full-HD und mehr

Nach Abschluss von Download und Setup entnehmen Sie die Flashkarte aus Ihrem Windows-PC und stecken diese in den Steckplatz auf der Platine des Raspberry Pi. Hier schließen Sie über die HDMI-Buchse Fernseher oder Monitor an, verbinden die Platine per Netzwerkkabel über das Internet und stecken schließlich die Kabel für Tastatur und Mouse ein. Sobald alles über USB mit Strom versorgt wird, installiert sich die Media-Center-Software auf dem Raspberry Pi von selbst. Die Bedienung des Systems über die Programmoberfläche mit den Rubriken Weather, Pictures, Videos, Music, Programs und System ist simpel und erklärt sich von selbst.

Die App XBMC Remote verwandelt ein Android-Smartphone oder -Tablet in eine praktische Fernbedienung zum Steuern der Media-Center-Software RASPBMC auf dem Raspberry Pi.

Nun möchte man sicher im Wohnzimmer nicht mit Tastatur und Maus auf dem Sofa sitzen, um im Internet zu surfen oder Musik, Bilder und Filme auszuwählen. Als Fernbedienung empfiehlt sich die kostenlose Android-App XBMC Remote, die nicht nur schnell eingerichtet ist, sondern in der Praxis im WLAN-Netz daheim auch praktisch verzögerungsfrei reagiert – ganz so wie eine normale Infrarot-Fernbedienung.

Wunder darf man von dem Kleinstrechner mit einem nur 700 MHz schnellen Prozessor natürlich nicht erwarten, aber Videos in Full-HD-Auflösung (1080p) gibt er problemlos wieder. Ach ja, Decoder-Codecs für MPEG-2 und VC-1 kosten mit rund drei beziehungsweise 1,50 Euro extra. Der Raspberry Pi lässt sich in vielfältiger Weise verwenden, unter anderem als Webradio.

Der Erfolg des Raspberry Pi hat inzwischen viele Nachahmer auf den Plan gerufen. Etliche Hersteller haben Mini-PCs an, von denen die meisten auf Googles Betriebssystem Android laufen und zudem als Stick daher kommen – ähnlich wie ein USB-Stick, nur ist der Stecker eben nicht als USB-, sondern als HDMI-Anschluss ausgeführt. So lassen sich diese Mini-PCs, die mehrheitlich per WLAN ins Internet und Heimnetz gehen, direkt ans TV-Gerät oder den PC-Monitor anschließen.

Darauf kommt es bei einem Smart-TV an

Dem „Original“ recht ähnlich ist das Platinenmodell „Android Personal Computer“ (APC) von Via Technologies, das RS Components für umgerechnet knapp 50 Euro verkauft .Die CPU des APC ist 800 MHz schnell, die übrigen Features ähneln dem Raspberry Pi, als Betriebssystem dient Android 2.3.

Die meisten Konkurrenzmodelle in Form von HDMI-Sticks haben dagegen bereits eine neuere Betriebssystemversion implementiert, also Android 4.0 oder sogar 4.1. Der deutsche Importeur Satkontor beispielsweise hat gleich drei solcher HDMI-Dongle zum Preis zwischen 60 und 150 Euro im Programm , das Topmodell verfügt über eine 1,6 GHz-schnelle Dual-Core-CPU und acht GByte internen Speicher. Beim Versender Pearl gibt es entsprechende Stick-PCs ebenfalls ab 60 Euro. Noch günstiger ist das Vergnügen, wenn man solche Rechner in asiatischen Online-Shops wie Deal Extreame oder Ali Express kauft. Hier kommt man inklusive Porto und deutschen Zollabgaben schon für weniger als 50 Euro zum Zug.

Mit knapp 200 US-Dollar ist der Cotton Candy von FXI deutlich teurer. Der auch in deutschen Shops lieferbare TizzBird N1 (Link: Produkt-ID Billiger.de: 319730644) kostet etwa 115 Euro, der MiniX NEO G4 knapp 90 Euro, das Modell aLLreli im Amazon Marketplace rund 65 Euro, während andere längst angekündigte Modelle wie der FVD-11 oder der Always Innovating HDMI Dongle noch immer nicht verfügbar sind. Das Gleiche gilt für den ersten Android-Stick mit Quad-Core-Prozessor, den Hiapad Hi-802.

Smart-TV: Apple TV, Google TV und Video Web im Vergleich

Typische Bedienoberfläche eines Mini-PCs in Stick-Form auf Android-Basis: Die Media-Center-Funktionen für den Einsatz am Fernseher daheim im Wohnzimmer stehen im Vordergrund.

Prinzipiell lassen sich auf den Android-Geräten Apps wie auf Smartphones und Tablets mit dem Google-Betriebssystem installieren, doch in der Praxis stößt man schnell an Grenzen: Zahlreiche Anwendungen aus dem Play-Store verweigern mit dem Hinweis auf die Geräteinkompatibilität ihren Dienst. Der primäre Einsatzzweck dieser HDMI-Dongles, das machen auch die „Fernseher-ähnlichen“ Bedienoberflächen klar, liegt im Media-Center-Bereich und damit im Wohnzimmer.

Tatsächlich eignen sich die Android-Sticks dank HDMI-Stecker und integriertem WLAN für diesen Zweck gut. Extrem nützlich ist wie beim Raspberry Pi auch hier eine Fernbedienung auf dem Smartphone oder Tablet-PC: DroidMote Server für die Installation auf dem Stick kostet knapp zwei Euro, der „DroidMote Client“ für die mobilen Geräte ist gratis.

Fazit: Die Mini-PCs, egal ob nun als Stick oder als nackte Platine, stellen einen interessante und meist preisgünstigere Variante zu Apple TV, Google TV und anderen Smart-TV-Boxen dar. Den Raspberry Pi kann man einfach mal ausprobieren – bei gut 30 Euro kann man nicht viel falsch machen. (PC-Welt)