Die Pennyfuchser

Infineon setzt bei IT-Strategie auf Einsparungen

05.05.2008 von Rolf Roewekamp
Die IT legt auf ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein in ihrer Mannschaft wert. Doch die Business-Anforderungen laufen dem Sparziel entgegen.
"Best fit for Infineon" lautet das Motto der IT.

Das Geschäftsziel des Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Ziebart lautet "Focus on Ten". Das heißt, der Münchner Halbleiterhersteller will ab dem Geschäftsjahr 2008/2009 mehr als zehn Prozent Ebit erwirtschaften und profitabel wachsen. Ein ehrgeiziges Ziel, schreibt doch Infineon seit Jahren regelmäßig Verluste.

Von "Focus on Ten" leitet auch die IT ihr großes Ziel ab: Penny saved is Penny Ebit, oder auf Deutsch: Kosten senken, Kosten senken, Kosten senken. Denn Kostensenkung auf der IT-Seite beeinflusst den EBIT unmittelbar. "Deswegen lege ich extremen Wert auf ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein in meiner Mannschaft", sagt Infineon-CIO Michael Schmelmer. Eine wesentliche Herausforderung für die IT stellt dabei die Kostenstabilität angesichts zahlreicher Veränderungen im Business dar wie zum Beispiel Merger & Acquisitions Aktivitäten oder der Carve Out der Speicherparte Qimonda.

Für dieses Vorgehen hat die IT eigens eine Methodik erarbeitet: So schaut sie, wie viele Fixkosten sie abtrennen und wie viele variable Kosten sie rausgeben kann. "Egal ob Kauf oder Verkauf, ein Übergang kostet die IT Geld. Das muss der Gesamt-Business-Case des Mergers oder Carve Outs decken", sagt Schmelmer. Arbeiten im gekauften Unternehmen 650 Mitarbeiter, dann muss die IT eben auch 650 Rechner übernehmen und die variablen Kosten steigen. Dagegen lassen sich bei Übernahmen einzelne Systeme wir ERP in die eigene Landschaft überführen. In diesem Fall erhöhen sich die Fixkosten nicht. Wird dagegen ein Unternehmensteil verkauft, kann die IT zwar die Rechner der Mitarbeiter an den Käufer abgeben, die Kosten benutzerunabhängiger Software-Lizenzen oder großer Speicher-Server bleiben ungeachtet der sinkenden Mitarbeiterzahl jedoch bestehen.

Infineons Business-Strategie

Firmenkäufe ergeben sich aus der Business-Strategie: So übernahm Infineon Ende 2007 die Mobilfunksparte des US-Konzerns LSI Logic. Zuvor schon kaufte Infineon das DSL-Geschäft für Teilnehmerendgeräte von Texas Instruments. Schließlich genehmigte im November 2007 die EU-Kommission die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit der Siemens AG. Das Joint Venture mit dem Namen Infineon Technologies Bipolar GmbH & Co. KG mit Sitz in Warstein im Hochsauerland soll Leistungshalbleiter, sogenannte Hochleistungsthyristoren, entwickeln und fertigen. Die bipolaren Hochleistungshalbleiter sollen unter anderem für Stromübertragungs- und -verteilungssysteme gefertigt werden. Das Joint Venture sowie die beiden Käufe folgen der Business-Strategie: Nach der Ausgliederung des Speicher-Chipgeschäfts will das Unternehmen seine Stärken im Kerngeschäft der Logik-Chips weiter ausbauen.

Bei Übernahmen dürfen die Stärken der Firmen nicht verloren gehen. Die IT ist deshalb auch Kostenfaktor, sie hat Support-Funktion und muss funktionieren, sie gehört nicht zum Kerngeschäft. "Deshalb lautet unser Leitgedanke auch nicht "Best in Class", sondern "Best fit for Infineon"", so Schmelmer. Die IT unterstützt weltweit 120 Standorte, wobei 40 Prozent der Mitarbeiter in Asien arbeiten.

Auch das laufende Geschäft kostet die IT mehr Geld, als theoretisch möglich wäre. Aus Kostensicht wäre es für den CIO an sich besser nur nach eigenen Vorgaben und Standards zuarbeiten. Das Business lässt ein solches Vorgehen nicht zu. Deswegen muss die IT im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Standards auf der einen Seite und Embedded Customers auf der anderen Seite lavieren. Denn in der Vergangenheit entschied eine kundenübergreifende Produktpalette über den Markterfolg von Chipherstellern. Heute stehen auf einzelne Kunden zugeschnittene Anwendungen als Produkte im Vordergrund. Diese werden von Infineon oft in direkter Zusammenarbeit mit Kundenteams entwickelt.

Auf der IT-Seite zieht dieses veränderte Business Model Themen wie Sicherheit, Kompatibilität der Systeme und neue Governance-Strukturen in der Zusammenarbeit mit dem Kunden nach sich. Zurzeit arbeiten rund 2.500 externe Personen vor allem im Forschungsbereich auf Systemen von Infineon. "Diese erhöhte Komplexität zu steuern kostet wiederum Geld", erklärt Schmelmer.

Customer-Embedded-Ansatz

Mit diesem sogenannten Customer-Embedded-Ansatz beschäftigt sich die IT seit rund drei Jahren. "Bei jedem neuen Kunden müssen wir sehr schnell auf die neuen Anforderungen reagieren. Die IT ist hier der Enabler und Follower des Business. Nicht mehr, aber auch nicht weniger", sagt Schmelmer.

Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, laufen zurzeit vier große Initiativen in der IT.

1. Mit einem Business Alignment versucht die IT, näher ans Geschäft heranzukommen und ihren Wert für das Unternehmen besser aufzuzeigen.

2. Auf der technologischen Seite beschäftigt sich Schmelmer mit SOA und der Vista-Migration. Zudem schuf er ein globales Architekturmodell, das die Guidelines für Implementierung neuer Applikationen liefert. Die Infineon-IT führt jährlich rund 130 Projekte durch. Dafür schuf sie vor einem halben Jahr ein globales Architecture Advisory Team, das die Projekte prüft und überwacht.

3. "Aber fast 90 Prozent der IT-Kosten entstehen im IT-Betrieb, nicht in den Projekten", fährt Schmelmer fort Deshalb wuchs dem IT-Service Management eine hohe Bedeutung zu, gerade nach der starken IT-Konsolidierung. Schmelmer treibt dabei die Frage um, welchen Service die IT in welcher Qualität und zu welchem Preis anbieten will. Dafür hat der CIO ein Target-Modell entwickelt. Darin beurteilt er die vier Bereiche Advisory+Design, Implementation, Training+Roll-out und Operations daraufhin, welche Leistungen die IT onsite, nearshore und offshore erbringen will. Infineon besitzt einen Nearshore-Standort in Klagenfurt sowie einen Offshore-Standort in Melakka in Malaysien.

Qualität der Services im Mittelpunkt

Über kurz oder lang soll noch ein weiterer Shoring-Standort hinzukommen, denn im Zuge der Ausgliederung von Qimonda hat Infineon einen Low-Cost-Standort in Bratislava (Slowakei) an Qimonda abgegeben. Allerdings sei der Arbeitsmarkt in Malaysia inzwischen ausgeschöpft. Aber auch Indien wird es nicht werden, weil dort laut Schmelmer der Markt für Unternehmen in der Größenordnung von Infineon abgegrast sei. "Wir stellen gerade Überlegungen über einen möglichen Ersatz für Bratislava an", so Schmelmer.Ursprünglich trieben auch die Kosten das Target-Modell. Doch das hat sich inzwischen gewandelt, die Qualität der Services rückte stattdessen in den Mittelpunkt. "Das Thema Günstiger-Werden spielt bei der Einführung von IT Service Management eine untergeordnete Rolle. Qualitativ besser und flexibler werden sowie den Wert von IT aufzeigen, lautet hier das Ziel für uns", sagt Schmelmer.

4. Dafür ermuntert Schmelmer auch seine rund 700 IT-Mitarbeiter, sich über Fachbereiche hinweg auszutauschen. Zum People-Management zählt Nachwuchsförderung ebenso wie Job-Rotation im weltweit agierenden Konzern. Auch will die IT junge, engagierte Leute mit guter Ausbildung ins Unternehmen holen und sie in 18 Monaten über drei Kontinente in mindestens fünf Business Bereichen arbeiten lassen. Diese Programme soll es nicht nur für angehende Führungsleute geben, sondern für jeden IT-Mitarbeiter.

Globale IT

Infineon globalisiert seine IT seit dem Jahr 2000. In dieser Zeit habe sich eine eigene Sprache und ein eigenes Verständnis durch neue Governance-Strukturen entwickelt. So ist beispielsweise die Zertifizierung aller Projekt-Manager weltweit identisch, Trainings finden immer interkulturell statt. Schmelmer empfindet die Infineon-Kultur als stark international geprägt und einzigartig - und diese Kultur überlagert sehr stark die kulturellen Unterschiede im Unternehmen. "Die IT muss diesen globalen Footprint nutzen. Das hat sie sehr früh erkannt", sagt der CIO.

Für Schmelmer ist es sehr wichtig, global zu arbeiten: "Ich reise viel und bleibe dann auch länger am jeweiligen Standort, um mitzubekommen, was die Leute drückt", berichtet Schmelmer. Unterwegs trifft er 40 Prozent IT-Partner und 60 Prozent Geschäftspartner. Natürlich müsse ein CIO auch das Business sehr gut kennen. "Aber ein CIO muss einen guten IT-Background haben, sonst geht es nicht", sagt Schmelmer. Bevor er zur IT kam, hatte er bei Infineon überwiegend in der Logistik gearbeitet.

Das Business-Denken hilft auch in der IT-Arbeit. So beherrscht auch in diesem Jahr die IT das seit September 2006 laufende Optimierungsprogramm ITAM (IT Assessment Measures Implementation Program). Am Ende des Programms im Herbst 2008 mit seinen rund 70 Einzelprojekten sollen jährliche Einsparungen von 60 Millionen Euro stehen. Das sind schon sehr viele gesparte Pennys fürs Ebit.