These zum Outsourcing

IT-Dienstleister brauchen Bank-Know-how

24.01.2012 von Christiane Pütter
John Marquardt, Geschäftsbereichsleiter Migration und Dienstleistungen bei der Finanz Informatik ist überzeugt, dass bankfachliches Know-how immer wichtiger wird.
John Marquardt ist Geschäftsbereichsleiter Migration und Dienstleistungen bei der Finanz Informatik in Frankfurt am Main.
Foto: Finanz Informatik GmbH & Co.

John Marquardt leitet den Geschäftsbereich Migration und Dienstleistungen bei der Finanz Informatik in Frankfurt am Main. Diese ist als IT-Dienstleister der Sparkassen aus der Fusion von elf ehemals selbstständigen Rechenzentren hervorgegangen und beschäftigt mehr als 5.000 Mitarbeiter.

Herr Marquardt, was ist in puncto IT-Outsourcing das Besondere am Bankensektor?

Marquardt: Banken und Sparkassen stellen eine wichtige und vor allem sehr sensible Branche dar. Wenn die technisch ausfallen, hat das im schlimmsten Fall Auswirkungen auf eine ganze Volkswirtschaft. Auf Grund der Querschnittsfunktion der Finanzbranche hat die IT hier im Vergleich zu anderen Branchen eine ganz besondere Verantwortung. Ein weiterer Punkt ergibt sich aus der Compliance: Die IT muss Banken einen 24-Stunden-Betrieb ermöglichen, der jederzeit sämtliche aufsichtsrechtlichen Vorgaben erfüllt. Die Tagesbilanz muss immer stimmen.

Wo sehen Sie die größten Risiken?

Marquardt: Wachsende Risiken ergeben sich meiner Ansicht nach weniger aus der IT selbst als mehr aus der Bedeutung, die sie inzwischen hat. Der Einfluss der Informationstechnologie auf ganze Volkswirtschaften ist in den letzten Jahren kontinuierlich weiter gestiegen, was zur Folge hat, dass bei Eintritt eines Risikos die Auswirkung schlicht größer sein kann.

Sie sehen die größten Bedrohungen also nicht in IT-Sicherheitsthemen wie Malware und Bedrohungen von außen?

Marquardt: Die gibt es, die will ich auch nicht herunterspielen. Aber wir lernen immer besser, solchen Bedrohungen zu begegnen und vor allem auch Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Eine ebenso große Schwierigkeit sehe ich im Fachkräftemangel. Das hat teilweise mit dem demografischen Wandel in Deutschland zu tun. Es wird schwerer, entsprechend qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen. Das kann auf der Bankenseite schon dazu führen, dass Sourcingfragen intensiver beleuchtet werden.

Wie finden Sie Ihre Mitarbeiter und wie erreichen Sie, dass diese über die nötigen Skills verfügen?

Marquardt: Wir brauchen Kräfte, die sowohl über bankfachliches Know-how verfügen als auch über IT-Skills. Und genau diese Zusammensetzung an hochqualifizierten IT-, Sparkassen- und Bankfachleuten haben wir an Bord. Viele unserer Kolleginnen und Kollegen haben ihre beruflichen Wurzeln neben der IT unter anderem in den Sparkassen selbst, aber auch in anderen Geldinstituten.

Qualifizieren Sie Ihre Mitarbeiter intern?

Marquardt: Natürlich haben wir umfassende und bedarfsgerechte Weiterbildungsprogramme. So werden beispielsweise Mitarbeiter bei einigen Weiterbildungsmaßnahmen für die Qualifizierung vom Tagesgeschäft komplett freigestellt und können sich bis zu sechs Monate ohne Doppelbelastung durch ihre "reguläre" Arbeitstätigkeit weiterqualifizieren.

Wie sehen Sie sich aufgestellt?

Marquardt: Als organisationseigener Mehrmandanten-Dienstleister haben wir eine vergleichbare Situation wie beispielsweise die Kollegen von GAD und Fiducia. Unsere Kunden, insbesondere die Sparkassen, sind föderal beziehungsweise lokal organisiert. Jede Sparkasse von Flensburg bis Garmisch hat ihre eigene Struktur. Für unsere Anwendungen heißt das, dass sie die geforderte Flexibilität für die jeweils individuellen Geschäftserfordernisse gewährleisten müssen, gleichzeitig aber bei uns so betreibbar sein müssen, dass wir weitere Skaleneffekte erwirtschaften können. Das ist nicht ganz trivial, funktioniert aber gut.

Referenzprojekte machen Entscheidern Mut, IT-Projekte durchzusetzen

Wie kriegen Sie Ihre Kunden zum Standardisieren?

Marquardt: Eine "Standardisierung" auf der Anforderungsseite, also beim Kunden, entsteht oft durch Referenzprojekte, wenn Entscheider zum Beispiel sehen, wie eine andere Sparkasse Abläufe strukturiert hat, wenn also Best-Practices aus anderen Sparkassen vorliegen. Das kann Entscheidern Mut machen, IT-Projekte auch gegen interne Widerstände durchzusetzen.

Die Entscheider in den Sparkassen sind ja schon vom Alter her nicht unbedingt mit IT-Verständnis aufgewachsen ...

Marquardt: Ich kenne die Demografie meiner Kunden nicht präzise genug, um das bestätigen zu können, kann mich aber über mangelnde Innovationskraft und IT-Affinität nicht beklagen. Außerdem wäre Alter doch nichts Negatives. Im Gegenteil, gerade die älteren Kollegen haben doch schon viele andere Projekte mitgemacht und Veränderungen durchlebt und können ihre umfangreichen Erfahrungen weitergeben. Die kennen das Geschäft.

Unabhängig von Ihrem Unternehmen: Wie sehen Sie den IT-Dienstleistermarkt für den Finanzsektor in fünf bis zehn Jahren?

Marquardt: Ich erwarte, dass bankfachliches Know-how auf der Dienstleisterseite immer wichtiger wird. Natürlich geht es weiterhin darum, im Bereich der reinen Produktionsleistungen oder in Infrastrukturleistungen Skaleneffekte zu erzielen und Kosten zu senken. Aber der Schlüssel zur Differenzierung auf der Anbieterseite wird im Verständnis der Geschäfte und der Abläufe der Kunden und damit klar in der Fachlichkeit liegen. Das ist heute schon so und das wird eher in fünf als in zehn Jahren der Schlüsselfaktor sein.

Haben Sie Angst vor den Tatas dieser Welt? Immerhin hat sich die Deutsche Bank für ein Kernbank-System von Tata entschieden.

Marquardt: Wenn wir Angst vor Wettbewerb hätten, müssten wir uns eine Wirtschaftsordnung suchen, die nur noch in wenigen Staaten Anwendung findet (lacht). Im Ernst: Wir können und müssen uns dem Wettbewerb stellen und sind gemessen an der Qualität der von uns erbrachten Leistungen auch wettbewerbsfähig. Das haben wir wiederholt unter Beweis gestellt und wir werden nicht müde, weiter daran zu arbeiten, dass sich auch künftig Wettbewerber an unseren Leistungen benchmarken lassen müssen.

Tod des Euro? IT-technische Umsetzung "eines der geringeren Probleme"

Frage aus aktuellem Anlass: Sollte der Euro sterben - wären Sie gerüstet?

Marquardt: Die IT-technische Umsetzung wäre dann sicher eines der geringeren Probleme, das daraus resultieren würden. Aber diese Frage stellt sich nach gegenwärtigem Stand nicht. Auch wenn die gemeinsame europäische Währung zugegebenermaßen in einer schwierigen Phase ist: Sie wird auch in Zukunft weiterbestehen.

Das Gespräch führte Christiane Pütter.