Ölkonzern OMV

IT für die Ost-Expansion

03.12.2005
Der Einstieg beim Rumänischen Ölkonzern Petrom wurde dem Österreichischen Raffinerie- und Petrochemiekonzern OMV nicht leicht gemacht. Niemand überblickte bei dem zusammengestückelten Staatsbetrieb die IT – das will der Group-CIO Ulf Busch nun ändern.

Endlich ist im JW Marriott Grand Hotel in Bukarest wieder Ruhe eingekehrt. Mitte letzten Jahres ging es hier zu wie im Taubenschlag. Mitarbeiter der OMV Solutions hatten sich übergangsweise eingemietet. Der Rumänische Ölkonzern Petrom, den das Erdöl- und Erdgasunternehmen OMV gerade gekauft hatte, bot schlicht zu wenig Platz für die IT-Sanierer aus Wien. Dort saßen sie auf dem Boden mit Laptop auf den Knien, hackten E-Mails in ihre Computer. Andere standen in Gruppen, diskutierten wild gestikulierend über den maroden Zustand der IT des ehemaligen Staatsbetriebs. „Es hatte was von der Aufbruchstimmung der New Economy Ende der 90er-Jahre in Deutschland“, sagt Jörg Brinkmann, Leiter des CIO Office bei der OMV. Für 1,5 Milliarden Euro hatte das Zehn- Milliarden Euro Umsatz schwere Unternehmen gerade die Mehrheit an der 60000-Mann-Gesellschaft übernommen und schickte nun seine Mitarbeiter in das Land, in dem mittellose Kinder genauso wie Luxuskarossen das Straßenbild prägen.

Auch in IT-Belangen war der Maßstab der Rumänen ein anderer. „Sie war nicht nach westlichem Standard gemanagt“, formuliert OMV-CIO Ulf Busch vorsichtig. Im Mai 2005 dann war das neue Petrom-Headquarter in Bukarest fertig, die IT-Manager aus Österreich räumten ihr Lager im Marriott und bezogen ihre Räume. Petrom-Chef Gheorghe Constantinescu bezeichnete den Umzug später als „visible consequence of the modernization process the company is going through“.

Die Modernisierung war bitter nötig – auch IT-mäßig. Die Petrom ist ein Staatsunternehmen, das 1997 aus etwa 100 kleinen Firmen entstand, die mit Gas und Öl handelten. „Es gab fünf verschiedene ERP-Systeme, oft gar nichts oder Excel für die Buchhaltung, die Petrom hatte gerade einmal 4000 PCs für 60000 Mitarbeiter - eine Due Dilligence der IT war gar nicht möglich“, konstatiert OMV-CIO Busch. Von den angegebenen 650 IT-Mitarbeitern entpuppten sich nur 250 IT-Mitarbeiter als Spezialisten, denn Petrom zählte auch Datentypisten und andere IT-Zuarbeiter zum IT-Bereich. Die IT war nicht EU-reif. Das ist die Mission der OMV, die bis 2007 Transparenz in Systeme und Finanzen bekommen muss. Zudem stand der Kurs der OMV seit dem Vorstandswechsel im Konzern 2002 auf Wachstum und Expansion.

Die neue Governance für Petrom kommt aus Wien – von der OMV. Unter dem Motto One-IT und mit Hilfe des IT-Programm-Management-Tools „Radar“ setzte der 41-jährige Busch nach seinem Einstieg im Mai 2003 schon bei OMV neue Entscheidungswege, Verantwortlichkeiten und Methoden fest. Diese Konzepte will er jetzt nach und nach auch auf Petrom übertragen. Nach zweimonatigen Diskussionen mit dem St. Gallener IT-Beratungshaus IMG, der IT-Tochter OMV Solutions und den Fachbereichen einigten sich Busch und der für IT verantwortliche Finanzvorstand David C. Davies Ende Juli 2004 auf die drei Kernbereiche Wachstum, Kunden- und Serviceorientierung sowie Kosten und Effizienz für die neue IT-Strategie der OMV. Konkret fordert Busch etwa für den Bereich Raffinerie und Marketing eine „proaktivere Rolle der IT“ und sieht sich als CIO im Bereich Exploration & Produktion als Koordinator für sämtliche Geschäftsanforderungen in Abstimmung mit IT-Managern in den Fachbereichen. Der Bereich Chemicals ist gar dazu angehalten, IT-Leistungen extern erbringen zu lassen, sofern OMV Solutions es nicht so günstig machen kann.

150 Projekte sollen 2006 parallel laufen

Eine wichtige Unterstützung für das Management von Projekten ist Radar – „das zentrale Werkzeug zur Steuerung von Projekten“, so Busch. Im kommenden Jahr will der gelernte Maschinenbau-Ingenieur den Status von über 150 parallel laufenden Projekten im Intranet aufrufen können. Oberstes Ziel war, innerhalb einer Stunde sämtliche wesentlichen Details über ein laufendes Projekt eingegeben zu haben – egal ob es sich dabei um ein 24-Millionen-Euro-schweres SAP-Projekt oder nur um 30 PC-Installationen handelte. Seit zwei Jahren ist Radar auf dem OMV-Portal der Österreicher integriert. „Wir haben es in Sankt Petersburg programmieren lassen“, sagt Busch, der die Kosten für die Projektmanagement- Selbstentwicklung auf 480000 Euro beziffert. Das Besondere: „Durch seine ausgerägte Reporting- Fähigkeit nimmt es eine Schlüsselposition im Governance-Prozess ein“, so Busch, „Sie bekommen den Status der Projekte auf Knopfdruck.“

Transparenz nach anfänglichem Widerstand

Schon die Einführung von Radar bei der OMV in der österreichischen Hauptstadt war für den gebürtigen Gütersloher eine interkulturelle Erfahrung. „Ich habe gedacht, wir machen das, und alle ziehen mit“, sagt der Deutsche, der damals – im Juli 2003 – gerade einen Monat bei dem österreichischen Konzern arbeitete. Doch die Mitarbeiter kannten eine derartige Transparenz noch nicht, wie Busch sie für die OMV geplant hatte. „Es dauerte drei Wochen, bis ich eine Liste der IT-Projekte vorliegen hatte“, schaut Busch zurück, „und auf dieser Liste standen dann nur die Titel der Projekte, keine Details, geschweige denn Kosten.“

Hinzu kam der Zeitpunkt, den Busch für die Implementierung von Radar auf dem OMV-Portal wählte – die Haupturlaubszeit 2003 von Juli bis September. OMV schrieb bisher immer schwarze Zahlen, Überengagement war in der Vergangenheit nie nötig. 2004 erwirtschaftete OMV einen Überschuss von 642 Millionen Euro. Dennoch wurde das Tool in der geplanten Zeit fertig. Heute ist es weitgehend akzeptiert, die anfänglichen Widerstände sind überwunden.

Bukarest: „Grundstrukturen waren nicht da”

Auch in Rumänien waren Buschs Überzeugungsqualitäten wieder gefordert. Der Status der IT vor Ort war bescheiden. „Skills und Grundstrukturen waren nicht da, wir mussten die Analyse abbrechen, weil zu wenig da war“, fasst Busch zusammen. Budget aufstellen, Konsolidieren und Bilanzieren waren seine ersten Schritte. Ihm wurde schnell klar, dass er die IT der OMV „kopieren“ und möglichst 1 zu 1 in Bukarest wieder aufbauen musste. „Ein No-Brainer“ sei das, bekam der IT-Chef von bekannten IT-Fachleuten aus Deutschland zu hören – also einfach und schnell gemacht. Doch der Aufbau von IT in einem fernen Kulturkreis ist keine rein technische Angelegenheit. Zumal Petrom gerade erst von den Österreichern übernommen worden war und die Mitarbeiter in Bukarest unsicher waren, wie es weitergehen würde.

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Inzwischen mischen sich 30 IT-Manager der Solutions-Sektion unter die rumänische IT-Abteilung. Deren Aufgabe ist es, die neuen Strukturen zu vermitteln – etwa das Radar-Tool, das den Mitarbeitern in einem Projekt-Kick-off vorgestellt wurde. „Sie müssen langsam in die Schuhe reinwachsen“, erläutert der Chef des CIO-Offices Brinkmann, „unsere Mitarbeiter vor Ort machen inzwischen teilweise Rumänisch-Kurse, die Rumänen lernen Englisch, sofern Bedarf besteht.“ Seit die OMV mit der IT-Weiterbildung in Bukarest begonnen hat, spürt Busch eine neue Motivation unter den IT-lern: „Sie wussten ja lange Zeit nicht, ob wir sie überhaupt weiterbeschäftigen wollen.“ Auch unter den Abteilungsleitern sind einige Rumänen zu finden. Der erste Infrastruktur-Roll-out ist im Gange: 1500 PCs „nach OMV-Standard“ sind neu implementiert, weitere 1500 kommen in den nächsten Wochen hinzu.

160 Millionen Euro für die Konsolidierung

Einmal in der Woche fliegt IT-Manager Busch derzeit nach Bukarest. Hier geht er zusammen mit dem CIO, der zuletzt bei OMV den Applikations-Bereich geleitet hatte, vor Ort die Meilensteine durch. Er lässt sich Statusberichte vorlegen, prüft die Verträge mit den TK-Unternehmen, bespricht anstehende Projekte wie die SAP-Implementierung und diskutiert Alignment- Fragen. Noch stehen OMV zwei der drei Jahre bevor, die Busch für die IT-Integration der Petrom veranschlagt hatte. 160 Millionen Euro kann OMV allein für die Konsolidierung der rumänischen Systeme ausgeben, das Jahres-IT-Budget der OMV-Gruppe liegt bei 210 Millionen Euro.

Die Konsolidierung bezieht sich auch auf die Bausubstanz in Osteuropa: Künftig möchte er es nicht mehr erleben, dass es derart heftig durch das Dach ins Rechenzentrum reintropft, dass Server ausfallen – und der Mail-Verkehr still steht. „Da beschwerten sich einige Mitarbeiter, dass sie ihre Mails so spät bekommen würden“, so Busch. Dabei habe niemand gemerkt, dass Busch die Mails kurzerhand über ein Ausweichrechenzentrum umleiten ließ – aber das ist nur eine der ersten praktischen Neuerungen bei Petrom.